EU verabschiedet Zwangsarbeits-Verordnung
Und wieder eine Neuigkeit im Lieferkettenrecht: Der Rat der Europäischen Union hat am 19. November 2024 die vom EU-Parlament schon im April gebilligte finale Version der „Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt“ verabschiedet. Am 12. Dezember 2024 wurde die Verordnung im Amtsblatt der EU verkündet. Sie gilt ab dem 14. Dezember 2027.
Die sog. „Zwangsarbeits-Verordnung“ oder „Forced Labour Regulation“ (FLR) soll den Handel mit Waren, die unter Verletzung grundlegender Menschenrechte produziert werden, innerhalb der EU-Marktgrenzen unterbinden. Das Vorhaben ergänzt insoweit das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die EU-Lieferkettenrichtlinie CSDDD und andere internationale Rechtsakte zum Schutz von Menschenrechten in der Lieferkette, wie die EU-Verordnung zu Konfliktmineralien.
Verbot von Zwangsarbeit ohne Beschränkungen
Zentrale Regelung der neuen Verordnung ist das Verbot, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen, bereitzustellen oder auszuführen. Die Definition von Zwangsarbeit ist hierbei übernommen aus Art. 2 des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, ILO) und meint
„jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.“
Hiervon bestehen einige wenige Ausnahmen wie Militärpflichtdienst oder unter Umständen Arbeit aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung.
Die Verordnung sieht, im Gegensatz zu LkSG und CSDDD, keine Beschränkung auf bestimmte Unternehmen vor. Adressat sind im Gegenteil alle „Wirtschaftsakteure“, also alle natürlichen und juristischen Personen oder Personenvereinigungen, die Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringen, bereitstellen oder aus ihm ausführen.
Unternehmen können schon jetzt Synergien schaffen
Interessanterweise führt die FLR explizit keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten zu den bereits nach anderen europäischen und nationalen Gesetzen vorgesehenen ein. Dieser Umstand macht es umso deutlicher: Verschiedene Regularien im Bereich der Lieferkette müssen zusammen gedacht werden. So können Unternehmen Synergien erkennen und bei der Umsetzung Zeit und Geld sparen.
Was sollten Unternehmen also tun? Es gibt keinen in der FLR enthaltenen konkreten Pflichtenkatalog, der jetzt Schritt für Schritt umgesetzt werden müsste. Anstatt dessen sollten Unternehmen das Thema Zwangsarbeit im Rahmen ihrer sonstigen Lieferkettensorgfaltspflichten im Blick haben. Es gelten die selben Parameter wie für LkSG und Co: die Transparenz und Kontrolle der eigenen Lieferketten sollte erhöht werden. Dies umfasst die Durchführung detaillierter Risikoanalysen, um potenzielle Verbindungen zu Zwangsarbeit zu erkennen. Weiterhin sind regelmäßige Sorgfaltsprüfungen und die kontinuierliche Überwachung von Zulieferern erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechtsstandards sicherzustellen. Unternehmen sollten auch in die Ausbildung ihres Personals investieren, um das Bewusstsein für die Risiken und Auswirkungen von Zwangsarbeit zu schärfen.
Bei Verstößen drohen Beschlagnahme und Vertriebsverbot
Die FLR enthält detailreiche Regeln zu Untersuchungen, Kontrollen und behördlicher Zusammenarbeit. Risiken von Zwangsarbeit in der Lieferkette sollen so effektiv wie möglich ermittelt werden können.
Im Falle eines Verstoßes können die Behörden das Verbot des Inverkehrbringens, der Bereitstellung bzw. der Ausfuhr anordnen. Weiterhin kann angeordnet werden, betroffene Produkte zurückzunehmen oder aus dem Verkehr zu ziehen. Befolgt ein Unternehmen eine derartige Anordnung nicht, sieht die Verordnung Sanktionen vor, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein sollen.
Im Fokus der Aufmerksamkeit: Die chinesische Region Xinjiang
International agierende Unternehmen mit Lieferverpflichtungen in die USA müssen bereits seit 2022 insbesondere den Uyghur Forced Labour Prevention Act (UFLPA) berücksichtigen, der darauf abzielt, den Import von Produkten zu verhindern, die im Zusammenhang mit Zwangsarbeit der Uiguren stehen und auch dann Geltung beansprucht, wenn lediglich Vorprodukte in der Region Xinjiang gefertigt wurden. Die FLR ist geografisch nicht beschränkt, erfasst aber u.a. auch die Situation in der Region Xinjiang, aus der sich immer mehr Unternehmen zurückziehen. Xinjiang ist eine Region in der Volksrepublik China, in der viele Angehörige der uigurischen Minderheit leben. Aus der Region wird von massiven Menschenrechtsverletzung im Rahmen von Umerziehungslagern und von Zwangsarbeit berichtet.
Fazit
Zwangsarbeit gehört zu den schlimmsten Formen von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette. Auf internationaler Ebene gibt es formell ein konsensuales Commitment zur Abschaffung von Zwangsarbeit, das sich im Sustainable Development Goal 8.7 niederschlägt. Dennoch schätzt die ILO, dass weltweit über 25 Millionen Menschen Zwangsarbeit leisten. Spätestens mit Blick auf die neue EU-Verordnung sollten Unternehmen die Eliminierung oder Minimierung des Zwangsarbeitsrisikos in ihrer Lieferkette fest in ihre Risikomanagementsysteme integrieren.