Kein Kündigungsschutz für Banker?
Der Brexit kommt – Stand heute – am 29. März 2019. Der Wettbewerb um Fachkräfte soll durch eine Einschränkung des Kündigungsschutzes für Banker flankiert werden. Am 21. Februar 2019 hat der Bundestag dies mit dem „Brexit-Steuerbegleitgesetz“ verabschiedet.
Geändert wird § 25a Abs. 5a KWG (Kreditwesengesetz). Risikoträger (m/w/d) bedeutender Institute, deren jährliche fixe Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung übersteigt, werden leitenden Angestellten im Hinblick auf den Kündigungsschutz gleichgestellt. Die Regelung gilt also bei einer jährlichen fixen Vergütung von mehr als 241.200 EUR und einem Arbeitsvertrag bei einem Institut mit einer jährlichen Bilanzsumme von durchschnittlich mindestens 15 Milliarden Euro. Nach Schätzungen der Bundesregierung sind davon rund 5.000 Arbeitnehmer betroffen.
Zweck der Regelung ist es, Risiken für die Finanzstabilität zu verringern. Das Fehlverhalten hochbezahlter Manager bedeutender Banken könne das ganze Finanzsystem gefährden. Bereits heute gelten über die Institutsvergütungsverordnung spezielle Vorschriften hinsichtlich der Vergütungsstrukturen. Diesen Instituten soll künftig auch die Trennung von Risikoträgern erleichtert werden, um die von diesen Personen ausgehenden Risiken abwenden zu können. Da es sich um ein spezielles, bankaufsichtsrechtliches Instrumentarium für einen sehr beschränkten Personenkreis handle, lasse sich die Regelung nach Einschätzung des Gesetzgebers nicht auf andere Branchen übertragen.
Rechtstechnisch werden die Risikoträger den leitenden Angestellten gleich gestellt. Auf sie findet (gemäß § 25a aBs. 5a KWG) „§ 9 Abs. 1 S. 2 des Kündigungsschutzes mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf. § 14 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes bleibt unberührt.“. Erstmals Anwendung findet die Vorschrift auf Kündigungen, die nach Ablauf von acht Monaten nach dem 29. März 2019 zugehen, also für Kündigungen ab dem 1. Dezember 2019.
Das bedeutet:
- Nach wie vor bedarf die Trennung von einem entsprechend vergüteten Risikoträger der Kündigung.
- Eine vorherige Anhörung des Betriebsrats sollte im Zweifel erfolgen. Ein Risikoträger ist nicht automatisch leitender Angestellter. Der Auflösungsantrag aber wird abgewiesen, wenn die Kündigung formal unwirksam ist.
- Der Auflösungsantrag bedarf keiner Begründung. Das Gericht wird ihm bei Vorliegen der Voraussetzungen (fixe Vergütung > 241.200 EUR, Anstellungsvertrag bei bedeutendem Institut, keine Unwirksamkeit der Kündigung aus sonstigen Gründen) stattgeben und feststellen, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgelöst ist. Zugleich wird es den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von (regelmäßig) bis zu zwölf Monatsverdiensten verurteilen.
- Die Höhe der Abfindung hängt unter anderem davon ab, welche Gründe der Kündigung zu Grunde lagen. Auch, wenn eine Begründung rechtlich nicht notwendig ist, wird bei erheblichem Verschulden eine ausführliche Begründung im Kündigungsschutzprozess sinnvoll sein, um eine möglichst geringe Abfindung durchzusetzen. Das lohnt sich schon deshalb, weil die Abfindung sich nicht aus der fixen Vergütung, sondern aus dem tatsächlichen Verdienst berechnet.
Soweit zuletzt die Verfassungsmäßigkeit der Norm angezweifelt wurde, ist dem nicht zu folgen. Die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Branchen ist durch den Zweck der Finanzmarktstabilität gerechtfertigt. Über die Begrenzung auf einen gut verdienenden Personenkreis dürfte sie auch verhältnismäßig sein. Ob dieser Personenkreis in anderen Branchen (z.B. Versicherungen) überhaupt zu finden ist, ist zweifelhaft, die Auswirkungen anderer Branchen auf die Finanzmarktstabilität ebenfalls. Zur Erreichung des Gesetzesziels erforderlich ist die Einschränkung des Kündigungsschutzes schon deshalb, um der (sonst) gerichtlich über den Kündigungstermin hinaus erzwingbaren Weiter-beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz wirksam entgegen treten zu können. Kaum vorstellbar, welche Auswirkungen es auf die Stabilität der Finanzmärkte haben könnte, wenn einzelne für Fehlspekulationen verantwortliche Manager ungehindert weiter (im Wortsinne) handeln dürften und sich gegen den Willen von BaFin und Bank auf ihre frühere Stelle einklagen könnten. Noch klarer wäre es gewesen, den Ausschluss der Weiterbeschäftigung auch schon für die Dauer der Kündigungsfrist anzuordnen – bis zu diesem Zeitpunkt dürften auch künftig einstweilige Verfügungen drohen.
Praktisch also ein vernünftiges Mittel, Unternehmerfreiheit durchzusetzen. Über die Anknüpfung an die jährliche fixe Vergütung bleibt auch für die 5.000 betroffenen Banker klar erkennbar und steuerbar, ob sie bereits aus dem Kündigungsschutz herausgewachsen sind. Und sollte die Luft doch zu dünn werden: Bis 30. November 2019 ist noch Zeit, eine geringere Grundvergütung zu auszuhandeln – oder die Branche zu wechseln.
Dr. Philipp Wiesenecker, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Frankfurt am Main