Alles neu?! Produkthaftungsrichtlinie (EU 2024/2853) der EU in Kraft getreten
Nicht alles, aber doch sehr vieles wird zukünftig im Bereich des Produkthaftungsrechts „neu“ sein.
Am 18. November 2024 wurde die neue Produkthaftungsrichtlinie (Product Liability Directive) im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Diese ist nunmehr am 9. Dezember 2024 in Kraft getreten.
Mit der Reform des Produkthaftungsrechts verfolgt die EU das Ziel, das bestehende Recht an (nicht mehr ganz so) neue Technologien (Stichwort: „KI“) sowie die globalen Lieferketten und Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft anzupassen. Für Unternehmen bringt dies teils erhebliche Verschärfungen des gegenwärtigen Haftungsregimes mit sich, die wir im Einzelnen bereits hier beleuchtet haben und die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Gegenstand | Bisherige Produkthaftung | Neue Produkthaftungsrichtlinie |
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Produktbegriff | Jede bewegliche Sache; grds. gewisse Verkörperung erforderlich | Auch Software (inkl. KI) sowie integrierte oder verbundene digitale Dienste (z.B. Sprachassistent) |
Fehlerhaftigkeit |
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Geschützte Rechtsgüter | Leben, Körper, Gesundheit und privat genutzte Sachen | Ausdrücklich auch psychische Gesundheit sowie Vernichtung oder Beschädigung von privat genutzten Daten |
Haftende Wirtschaftsakteure | Endhersteller, Teilehersteller, Quasi-Hersteller sowie u.U. Importeur und (subsidiär) Lieferant |
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(Gerichtliche) Durchsetzung von Ansprüchen | Keine ausdrücklichen gesetzlichen Erleichterungen/Regelungen |
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Umfang der Haftung |
| Höchstbetrag und Selbstbeteiligung ersatzlos gestrichen |
Ausschlussfrist | Erlöschen der Ansprüche (unabhängig von Kenntnis) nach 10 Jahren | Erlöschen der Ansprüche u.U. erst nach 25 Jahren („latente“ Körperverletzung) |
Der deutsche Gesetzgeber hat nunmehr 24 Monate (d.h. bis Dezember 2026) Zeit, um die Vorgaben der neuen Produkthaftungsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Potentiell betroffene Unternehmen sollten sich aber bereits frühzeitig auf die zu erwartenden Änderungen vorbereiten. Zu empfehlende Maßnahmen sind dabei insbesondere:
- Evaluierung des individuellen Haftungsrisikos
- Überprüfung des bestehenden Versicherungsschutzes im Hinblick auf den Wegfall der Haftungsobergrenzen
- Prüfung der Vertragslage zur Verantwortlichkeit in der Lieferkette
- Vorbereitung auf etwaige Offenlegungspflichten im Rahmen von Gerichtsprozessen
Dies gilt erst recht für Hersteller von Software und anderer digitaler Dienste sowie Betreiber digitaler Marktplätze, die nach der neuen Produkthaftungsrichtlinie erstmals verschuldensunabhängig in Anspruch genommen werden können.