Abschiedsgruß „Jesus hat Sie lieb“ kann Kündigung rechtfertigen
Die auf religiöse Gründe gestützte Weigerung eines Arbeitnehmers, einer Weisung seines Arbeitgebers nachzukommen, kann zur Kündigung führen. Diese Erfahrung musste ein tief religiöser Mitarbeiter eines Call-Centers machen, der am Ende der telefonischen Verkaufsgespräche von der vorgeschriebenen Schlussformel abwich.
Der Arbeitnehmer war seit 2004 im Call-Center eines Teleshopping-Unternehmens beschäftigt. Die Arbeitgeberin hatte ihre sog. Telefonagenten angewiesen, am Ende der Verkaufsgespräche bestimmte Verabschiedungsformeln zu verwenden, z.B. „Ich danke Ihnen für Ihre Bestellung bei QVC und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag“. Seit 2010 beendete der Arbeitnehmer die von ihm geführten Kundengespräche mit dem Satz „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei QVC und einen schönen Tag“. Die Arbeitgeberin befürchtete Konflikte zwischen Anrufern und Telefonisten. Sie beanstandete mehrfach die Grußformel. Der Mitarbeiter berief sich stets auf seine religiösen Überzeugungen. Wegen seiner beharrlichen Weigerung, die ausdrückliche Weisung zu befolgen, kündigte ihm die Arbeitgeberin.
Die vor dem Arbeitsgericht Bochum erhobene Kündigungsschutzklage hatte zunächst Erfolg. Das Arbeitsgericht maß der Glaubensfreiheit des Klägers ein stärkeres Gewicht bei als der Unternehmerfreiheit der Beklagten. In der Begründung verwies es auf ein BAG-Urteil, wonach eine muslimische Verkäuferin in einem Kaufhaus während der Arbeit ein islamisches Kopftuch tragen dürfe (Urteil vom 10.10.2002, Az. 2 AZR 472/01). Der christlich geprägte Abschiedsgruß werde erst nach Vertragabschluss geäußert, so dass die Geschäftsinteressen nicht stärker beeinträchtigt wären als im Kaufhaus-Fall. Im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens bot der Kläger an, während der Prozessbeschäftigung auf die Ergänzung „Jesus hat Sie lieb“ zu verzichten.
Das LAG Hamm hat die Kündigung als sozial gerechtfertigt angesehen und die Klage abgewiesen. Wer sich als Arbeitnehmer darauf berufe, dass sein religiöser Glaube ihm die Befolgung einer Arbeitsanweisung verbiete, müsse nachvollziehbar darlegen, dass er „ohne innere Not nicht von einer aus seiner Sicht zwingenden Verhaltsregel absehen könne“. Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen. Für das LAG war von Bedeutung, dass der Kläger angeboten hatte, im Rahmen einer Prozessbeschäftigung bei der Beklagten auf die religiöse Ergänzung der Verabschiedungsformel zu verzichten. Offenbar bestand für den Kläger keine wirkliche religiöse Zwangslage.
Das Urteil verdeutlicht das Spannungsverhältnis zwischen der aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 9 EMRK folgenden Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten unternehmerischen Betätigungsfreiheit. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind arbeitsvertraglich zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Der Arbeitgeber hat sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat diese zivilrechtliche Generalklausel grundrechtskonform auszulegen mit dem Ziel, die geschützten Rechtspositionen für beide Beteiligten möglichst weitgehend zu verwirklichen. Die Religionsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers kann eine mittelbare Beschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers bewirken.
Wer als Arbeitgeber einem Mitarbeiter abmahnt oder kündigt, der aus Gewissens- oder Glaubensgründen eine Weisung beharrlich missachtet, sollte konkrete betriebliche Störungen oder wirtschaftliche Einbußen nachweisen können. Vor Ausspruch einer Kündigung sollte er sich vergewissern, dass er dem Mitarbeiter – ohne den Betrieb umstrukturieren zu müssen – keine adäquate Alternativbeschäftigung zuweisen kann.
(LAG Hamm, Urteil vom 20.04.2011, Az. 4 Sa 2230/10)
Rechtsanwalt Karsten Kujath