Ökodesign-Verordnung verabschiedet – Wegwerfverbote und digitaler Produktpass
Am 13. Juni 2024 wurde die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG (ESPR) unterzeichnet, nachdem der Rat der Europäischen Union am 27. Mai 2024 den Entwurf angenommen hatte. Die Verordnung wird in Kürze im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt am 20. Tag nach Veröffentlichung in Kraft. Sie enthält Wegwerfverbote für Kleidung und Kleidungszubehör sowie Schuhe und verpflichtet Unternehmen, Produkte nachhaltig zu gestalten.
Die ESPR ist eine Rahmenverordnung. Das bedeutet, dass genauere Vorgaben durch die Europäische Kommission per delegiertem Rechtsakt geregelt werden. Hierfür steht der Zeitplan für die vorbereitenden Konsultationen bereits fest. Unternehmen in der Metall- und Textilbranche werden als erstes betroffen sein. Unternehmen aus diesen Branchen sollten eine aktive Teilnahme an den Konsultationen im dritten Quartal 2024 in Betracht ziehen, um Einfluss auf die produkt- und branchenspezifischen Designvorgaben nehmen zu können.
Der Anwendungsbereich
Die ESPR findet mit wenigen Ausnahmen auf das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von „physischen Waren“ Anwendung – unabhängig davon, ob ein in der EU ansässiges Unternehmen diese in Verkehr bringt oder wo die Waren hergestellt wurden. Ausgenommen sind insbesondere Lebens-, Futter- und Arzneimittel, sowie Tiere, Pflanzen und Fahrzeuge, die unter die Verordnung (EU) Nr. 167/2013 fallen. Für die physischen Waren gilt, dass diese nicht in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie den Ökodesign-Vorgaben nicht entsprechen (hierzu unter C.)
Das zusätzlich vorgesehene Wegwerfverbot gilt allerdings nur für Kleidung, Kleidungszubehör und Schuhe, welche anhand ihrer Warentarifnummern im Anhang VII der ESPR aufgeführt werden.
Ökodesign-Vorgaben - produktspezifisch und zeitverzögert
Die Ökodesign-Voraussetzungen werden durch delegierte Rechtsakte je Produktgruppe durch die Europäische Kommission festgelegt. Der erste delegierte Rechtsakt kann erst ein Jahr nach Inkrafttreten der ESPR selbst in Kraft treten. Priorität sollen dabei Arbeitspläne für folgende Produktgruppen haben: Eisen und Stahl, Aluminium, Textilien, insbesondere Bekleidung und Schuhwerk, Möbel, einschließlich Matratzen, Reifen, Wasch- und Anstrichmittel, Schmierstoffe, Chemikalien, Elektronikgeräte sowie energieverbrauchsrelevante Produkte, für die die Ökodesignrichtlinie galt (E-Bikes und E-Scooter sind voll umfasst).
Die Vorarbeiten der Europäischen Kommission zu den Arbeitsplänen für Textilien laufen bereits. Die jeweiligen Textilanforderungen werden dann alle drei Jahre festgelegt.
Für Unternehmen ist der folgende Zeitplan relevant:
- Drittes Quartal 2024: Einrichtung des Ökodesign-Forums zur Überwachung der Fortschritte und Umsetzung der ESPR
- Ende 2024: erste Sitzung des Ökodesign-Forums.
- März 2025: Annahme des ersten ESPR-Arbeitsplans
- Mitte 2025 (12 Monate nach Inkrafttreten): Regelungen zum Verbot der Vernichtung unverkaufter Waren und entsprechende Ausnahmen werden erlassen
- Ende 2025: Regelungen zum Register für den digitalen Produktpass, zu Dienstleistern, Datenträgern und digitalen Berechtigungsnachweisen werden erlassen
- 2026: erste ESPR-Maßnahmen werden beschlossen (Textilien und Stahl) – Geltung ab 2027/28
Weitere Produktgruppen können folgen. Die Entwicklung der Verordnung sollte daher genau im Blick behalten werden. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kann die Europäische Kommission in den zahlreichen noch zu erlassenden Rechtsakten, die die Vorgaben der ESPR konkretisieren, Erleichterungen vorsehen.
Ökodesign und die Lieferkreisläufe
Die ESPR betrifft die Up- und Downstream-Lieferkette, d.h. von der Produktion bis hin zum Kunden sowie die Wertschöpfungskette, die alle Prozesse eines Produktes während dessen Lebenszyklus vor Augen hat, die Wiederaufbereitung eingeschlossen. Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft nimmt die ESPR damit eigentlich Lieferkreisläufe in den Blick.
Das Ökodesign umfasst eine Reihe von Anforderungen, insbesondere die einfache Reparatur, Wartung und Recyclingfähigkeit. Rahmenkriterien sind die Merkmale, Verfügbarkeit und Lieferzeit von Ersatzteilen, deren Modularität und Kompatibilität mit allgemein verfügbaren Werkzeugen und Ersatzteilen, die recyclingorientierte Gestaltung, Indikatoren für eine Wiederverwendung, Nachrüstung und Wiederaufbereitung, aber eben auch die Erschwinglichkeit der Ersatzteile sowie die Verwendung von gebrauchten Bauteilen und recyceltem Material sowie der Material-, CO2- und Umweltfußabdruck.
Die konkrete Ausgestaltung dieser Anforderungen für die einzelnen Produktgruppen wird in delegierten Rechtsakten der Europäischen Kommission festgelegt.
Digitaler Produktpass
Produkte dürfen ab Anwendungsbeginn der delegierten Rechtsakte nur in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden, wenn für sie ein digitaler Produktpass (DPP) vorliegt. Die diesbezüglichen technischen und inhaltlichen Voraussetzungen sind bereits in Anhang III der ESPR geregelt. Der DDP soll Bedienungsanleitungen, allgemeine Produktinformationen und die in der ESPR festgelegten Informationsanforderungen zu den Produkten umfassen. Der DDP soll auch Informationen zur Zugänglichkeit von Daten, deren Layout und zu etwaigen Aktualisierungen der Daten und zu Produktupdates enthalten. .
Der digitale Produktpass sollte für den voraussichtlichen Lebenszyklus der Produkte verfügbar sein und muss in einem von der Europäischen Kommission zu schaffenden Produktpassregister eingetragen werden. Dabei ist der digitale Produktpass eindeutig mit einem Produkt verknüpft. Fällt das Inverkehrbringen mit der Einfuhr zusammen, ist der Warencode im Produktregister einzutragen.
Vernichtungsverbot
Neben einer allgemeinen Pflicht, die Vernichtung von Waren vernünftigerweise zu vermeiden, sieht die ESPR auch ein Verbot der Vernichtung von unverkauften Konsumgütern vor, die in in Anhang VII aufgeführt sind. Der Anhang betrifft vornehmlich Textilien und Schuhe. Große Unternehmen sind 2 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung betroffen (2026), mittlere Unternehmen 6 Jahre nach Inkrafttreten. Kleinst- und Kleinunternehmen sind von dem Verbot ausgenommen. Die Europäische Kommission wird 12 Monate nach Inkrafttreten einen delegierten Rechtsakt zur Festlegung von Ausnahmen erlassen, um eine unbegrenzte und unverhältnismäßige Lagerung unverkaufter Produkte zu verhindern. Zudem kann die Europäische Kommission delegierte Rechtsakte erlassen, um neben Kleidung und Schuhen weitere Produkte in die Liste in Anhang VII aufzunehmen.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Sanktionen wie Bußgelder sind durch die Mitgliedsstaaten festzulegen. Neben Bußgeldern und dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen dürften sich Verstöße gegen die Verordnung auch negativ auf die Reputation der Unternehmen auswirken. Auch eine zivilrechtliche Haftung ist vorgesehen.
Synergien frühzeitig erkennen und aktiv mitgestalten
Ähnlich dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), der europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) und dem CO2-Grenzausgleich (CBAM) zielt auch die ESPR auf die Lieferkette ab –und geht sogar im Verständnis der Lieferkette einen Schritt weiter: Sie erfasst ganze Lieferkreisläufe. Diese sollen zukünftig transparenter werden. Die Kriterien des Ökodesign zeigen den übergreifenden Charakter der ESPR: der CO2-Fußabdruck ist für CBAM hochrelevant; recyceltes Material und Umweltfußabdruck wird unter der EUDR eine Rolle spielen; das Vorhandensein kritischer Rohstoffe dürfte Synergien mit dem Critical Raw Materials Act hervorrufen, der voraussichtlich entstehende Abfall auch zum Teil für die neue Abfallverbringungsverordnung zu berücksichtigen sein und schließlich können sogar Menschenrechte in den Designkriterien durch die Europäische Kommission Anklang finden, sodass sich darin Aspekte der CSDDD bzw. des LkSG wiederfinden.
Für Importeure in die EU nimmt die Regelungsdichte erneut zu. Lagerungs- und Transportbedingungen sollten langfristig geplant und ggf. angepasst werden. Dabei spielen die Herstellungszyklen eine große Rolle.
Anders als viele andere Verordnungen bietet die ESPR die Möglichkeit, am Regelungsprozess der produktspezifischen Rechtsakte über Konsultationen mitzuwirken. Entsprechende Stellungnahmen sollten rechtzeitig und gut vorbereitet sein.