Juli 2023 Blog

Anforder­ungen an die Er­mächti­gung zur Aus­nutzung geneh­migten Kapi­tals unter Aus­schluss des Bezugs­rechts

Um auf dem Kapital- und Beteiligungsmarkt sich bietende Gelegenheiten rasch, flexibel und erfolgreich ausnutzen zu können, ist es ein weit verbreitetes und probates Mittel, den Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) bzw. die Geschäftsführung einer GmbH zur Ausnutzung eines sogen. „genehmigten Kapitals“ zu ermächtigen. Hierbei kann es aus Sicht der Gesellschaft erforderlich und gerechtfertigt sein, das den Gesellschaftern bei der Ausgabe neuer Gesellschaftsanteile zustehende Bezugsrecht auszuschließen. Zu beidem kann der Vorstand einer AG gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 AktG von der Hauptversammlung bzw. die Geschäftsführung von der Gesellschafterversammlung (dazu OLG München NZG 2012, 426) ermächtigt werden. Nunmehr hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft über den notwendigen Inhalt eines solchen Hauptversammlungsbeschlusses zu entscheiden.

Sachverhalt

Aktionäre hatten gegen einen Hauptversammlungsbeschluss geklagt, der den Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats zur Ausnutzung eines konkret bezeichneten genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre ermächtigte, ohne dabei anzugeben, in welchen Fällen ein solcher Ausschluss vorgenommen werden kann. Abstrakte Angaben hierzu machte lediglich der gemäß §§ 203 Abs. 2 S. 2, 186 Abs. 4 S. 2 AktG der Hauptversammlung zuvor zugänglich gemachte Vorstandsbericht. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass dies den gesetzlichen Vorgaben nicht genüge, insbesondere eine uneingeschränkte Ermächtigung des Vorstands zum Ausschluss des Bezugsrechts unzulässig sei.

Entscheidung

Der BGH bestätigte beide Vorinstanzen und sah keine Verletzung von Gesetz oder Satzung.

Der Hauptversammlung stehe es grundsätzlich frei, die Grenzen der von ihr erteilten Ermächtigung selbst zu bestimmen. Dies gelte auch für die Entscheidung, den Ausschluss des Bezugsrechts uneingeschränkt in das pflichtgemäße Ermessen des Vorstands zu stellen. In diesem Fall, so der BGH, könne die Maßnahme naturgemäß nicht konkret umschrieben und mit konkreten Erfordernissen begründet werden. Daher habe die Hauptversammlung ohnehin lediglich zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob die ihr in allgemeiner Form von der Verwaltung vorgeschlagene Maßnahme bei abstrakter Beurteilung im Interesse der Gesellschaft liegt oder nicht. Dies folge aus dem Wortlaut des § 203 Abs. 2 AktG, der keine Beschränkung der Ermächtigung zum Bezugsrechtausschluss auf von der Hauptversammlung vorgegebene Zwecke vorsieht und auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm: Der Gesetzgeber habe insbesondere den Fall vor Augen gehabt, dass der Vorstand das genehmigte Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts in einem Fall ausnutzen darf, der im Zeitpunkt der Erteilung der Ermächtigung durch die Hauptversammlung noch nicht absehbar ist. Diesem Ziel aber widerspreche es, abschließende Vorgaben für die Ausübung der Ermächtigung zu verlangen. Zumal niemand über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg genau vorhersehen könne, für welche Zwecke das genehmigte Kapital und ein diesbezüglicher Ausschluss des Bezugsrechts sinnvoll genutzt werden kann.

Vor diesem Hintergrund sei es auch nicht zu beanstanden, dass der von der Hauptversammlung gefasste Ermächtigungsbeschluss selbst keine Zwecke für einen Bezugsrechtsausschluss nennt. Insoweit sei es ausreichend, dass der Vorstandsbericht gemäß §§ 203 Abs. 2 S. 2, 186 Abs. 4 S. 2 AktG hinreichende Angaben enthalte. Maßgeblich sei, so der BGH, dass bei der Auslegung von Hauptversammlungsbeschlüssen auch aus den Registerakten ersichtliche Umstände Berücksichtigung fänden. So habe der BGH Vorstandsberichte, die den Aktionären bei Einberufung der Hauptversammlung in vollem Umfang oder ihrem wesentlichen Inhalt nach bekanntgemacht werden, bei der Auslegung von Hauptversammlungsbeschlüssen herangezogen, weil sie gemäß § 130 Abs. 3 AktG der Niederschrift als Anlage beigefügt oder inhaltlich in die Niederschrift aufgenommen und nach der Versammlung gemäß § 130 Abs. 5 AktG in Form einer öffentlich beglaubigten Abschrift mit der Niederschrift zum Handelsregister eingereicht werden. Nicht anders liege es hier. Denn auch wenn der Bericht des Vorstands der Hauptversammlung gemäß § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG ohne Aufnahme in die Einladung zugänglich gemacht wird, müsse er der notariell aufgenommenen Niederschrift als Anlage beigefügt und gemäß § 130 Abs. 5 AktG zum Handelsregister eingereicht werden. Danach konnte im vorliegenden Fall der Bericht des Vorstands zur Auslegung des Beschlusses über die Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts herangezogen werden.

Abschließend stellte der BGH noch klar, dass angesichts der oben dargestellten und maßgeblichen Auslegung des § 203 Abs. 2 AktG die abstrakte allgemeine Umschreibung der Zwecke der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss auch durch eine nicht abschließende, beispielhafte Benennung von Ausschlussfällen erfolgen kann.

(BGH Urt. v. 23.5.2023 – II ZR 141/21)

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