Anforderungen Herkunftsangaben und klimaneutrale Werbung
Das LG München I, Urteil v. 08.12.2023 – 37 O 2041/23, hat einem Handelsunternehmen untersagt, das von ihm vertriebene Bier mit einer auf der Bierflasche abgedruckten Münchner Adresse zu vertreiben, an der das Bier jedoch nicht gebraut wurde; das Gericht sah hierin eine Täuschung über die Herkunft. Ebenfalls darf das Bier zukünftig nicht mehr mit den Angaben „CO2 positiv“ bzw. „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche in Verkehr gebracht werden, sofern dem Verbraucher nicht offengelegt wird, auf welche Art und Weise (d.h. durch Einsparung oder Kompensationsmaßnahmen) die Klimaneutralität erreicht wird.
Herkunftstäuschung: Gesamtaufmachung des Bieres entscheidend
Die WunderDrinks GmbH stellt unter anderem Biere unter der Marke WUNDERBRAEU her. Auf dem Etikett nutzt es im Zusammenhang mit der Marke eine Münchner Adresse, die angegebene Straße ist als Sitz von Brauereien bekannt. An dieser Adresse findet sich allerdings nur der Verwaltungssitz der WunderDrinks GmbH, das Bier wird außerhalb Münchens gebraut.
Das Landgericht qualifizierte die für sich gesehen nicht eindeutige Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ in Gesamtschau mit dem auf dem Rücketikett enthaltenen Zusatz „WUNDERBRAEU/… München“ zutreffend als irreführend i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, Art. 7 Verordnung (EU) 1169/2011, da durch die Auslobung ein Bezug des Produktes mit einer Anschrift in München hergestellt, obwohl dort unstreitig nicht die Produktionsstätte liegt. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung, die zu den unzutreffenden Angaben über den Ursprung der Ware nicht nur Angaben zählt, die unmittelbar auf den Herstellungsort der Ware hinweisen, sondern auch solche, die mittelbar den Ursprung der Ware erschließen (vgl. BGH GRUR 1995, 65 – Produktionsstätte).
Hieran vermag auch der Umstand, dass Namen und Anschrift des Lebensmittelunternehmens nach Art. 9 Abs. 1 lit. h) Verordnung (EU) 1169/2011 verpflichtend auf dem Bier anzugeben sind, nichts zu ändern. Zwar gelten Name, Firma oder Anschrift des Lebensmittelunternehmens auf dem Etikett nicht als Angabe des Herkunftsorts von Lebensmitteln (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. g) Verordnung (EU) 1169/2011); jedoch ist „WUNDERBRAEU“ nicht die Firmenbezeichnung der Beklagten. Da der Eindruck, die angegebene Anschrift bezeichne den Herkunftsort des Bieres, durch keinerlei erläuternde bzw. die Irreführung zerstörende Zusätze (wie „gebraut in …“) beseitigt worden ist, ging das Landgericht zu Recht von einer unzulässigen, weil wettbewerbswidrigen Täuschung über die Herkunft des Bieres aus.
„Green Claims“: Informationspflicht über CO2-Emissionen und Kompensationsmaßnahmen
Die Angaben "CO2 positiv" und "klimaneutrale Herstellung" sind nach Ansicht des LG München I irreführend. Das Landgericht lässt dabei offen, ob die Begriffe für sich gesehen zur Täuschung geeignet sind und verweist auf die bisherige Rechtsprechung. Insbesondere das OLG Düsseldorf hatte in zwei Entscheidungen vom selben Tag (Urt. v. 06.07.2023 - 20 U 72/22 – „klimaneutrale“ Marmelade; Urt. v. 06.07.2023 - 20 U 152/22 - „klimaneutrale“ Fruchtgummis) klargestellt, dass der Durchschnittsverbraucher den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehe, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (wie Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. auch OLG Schleswig GRUR 2022, 1451 – Klimaneutrale Müllbeutel II; OLG Frankfurt a. M. GRUR 2023, 177 – klimaneutral). "CO2 positiv" und "klimaneutrale Herstellung" vermögen den Verbraucher für sich genommen daher nicht täuschen.
Eine Irreführungsgefahr besteht jedoch durch Unterlassen, sofern der Verbraucher nicht hinreichend aufgeklärt wird, auf welche Art und Weise eine klimaneutrale Herstellung bzw. eine CO2-positive Bilanz erreicht wird. Entsprechende Information hat nach Ansicht des Landgerichts bedeutende Auswirkungen auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers; er ist daher darüber aufzuklären, ob die Klimaneutralität durch Einsparungen von Emissionen oder Kompensationsmaßnahmen erfolgte. Dies kann durch eine Erläuterung zu Details der CO2-Emissionen und den errechneten Kompensationen erfolgen. Entsprechende Informationen stellte das Unternehmen vorliegend nicht zur Verfügung. Entsprechende umweltbezogene Aussagen wurden daher wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3 Abs. 1 UWG, § 5a Abs. 1 UWG verboten.
Auswirkungen für die Praxis
Bei der Beurteilung der Herkunftsausgabe des Bieres ging das Landgericht zutreffend von dem durch das Gesamterscheinungsbild erweckten Eindrucks des Lebensmittels aus. Insofern sind einzelne Werbeaussagen im Zusammenhang mit der gesamten Aufmachung und Erscheinung des Lebensmittels zu beurteilen. Besteht im Kontext der Gesamtaufmachung – wie vorliegend – die Gefahr einer Irreführung, kann nur ein ausreichend deutlich aufklärender Hinweis (wie „gebraut in …“) die Irreführungseignung beseitigen.
Bei der auf der Bierflasche abgedruckten Werbung zur Klimaneutralität setzt das Landgericht ebenfalls die bisherige Rechtsprechung fort, indem es darauf hinweist, dass Aussagen zum Klimaschutz die Kaufentscheidung des Verbrauchers maßgeblich beeinflussen (können). Nur wenn er weiß, ob Ziele im Sinne des Klimaschutzes durch vermeidende oder durch kompensierende Maßnahmen erreicht werden, kann der Verbraucher eine fundierte Entscheidung treffen. Diese Informationen müssen jedoch nicht zwingend auf dem Etikett bereitgestellt werden; insbesondere bei räumlichen Beschränkungen kann ggf. die Angabe „Klimaneutralität wird auch durch Kompensation erreicht“, verbunden durch Medienbruch mit einem QR-Code bzw. mit einer ohne weiteres abrufbaren Website, auf der die notwendigen Angaben aufgefunden werden können, ausreichend sein. Maßgebend ist dabei die konkrete Beurteilung des Einzelfalls (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.07.2023 - 20 U 72/22 – „klimaneutrale“ Marmelade).
Die im Lichte dieser Rechtsprechung herausgearbeiteten Anforderungen an die Werbung mit Klimaneutralität dürften allenfalls mittelfristig Bestand haben. Auf europäischer Ebene wird derzeit die Green-Claims–Richtlinie beraten. Diese soll klare und transparente Standards für die Nutzung von umweltbezogenen Aussagen für Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen schaffen. Umweltbezogene Angaben sollen zukünftig einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterzogen werden und dürfen erst verwendet werden, wenn sie durch unabhängige Stellen akkreditiert worden sind.