Auch Geschäftsführer sind gegen Diskriminierung geschützt
Auch Geschäftsführer sind gegen Diskriminierung geschützt
Der BGH hat entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der nach Ablauf seines Dienstvertrages keine Vertragsverlängerung erhält, sich nach § 6 Abs. 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf die Schutzvorschriften des Antidiskriminierungsrechts berufen kann. Wenn er bei der Entscheidung über die Vertragsverlängerung aus Gründen des Alters diskriminiert wird, kann er auf Schadensersatz klagen.
Der Kläger war bis zum Ablauf seiner Dienstzeit als Geschäftsführer einer Klinik beschäftigt. Der Aufsichtsrat der als GmbH verfassten Klinik beschloss vor Ablauf des Dienstvertrages, diesen mit dem im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung 62 Jahre alten Kläger nicht fortzusetzen. Der Aufsichtsrat besetzte die Stelle stattdessen mit einem 41-jährigen neuen Geschäftsführer. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass ihm die Vertragsverlängerung nur aus Altersgründen versagt worden sei und dies einen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Altersdiskriminierung darstelle. Der BGH hat ihm Recht gegeben. Bemerkenswert war die Unvorsichtigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden der Klinik, der gegenüber der Presse durch bestimmte Formulierungen recht offen eingeräumt hatte, dass man einen jüngeren Geschäftsführer wolle. Diese Einlassungen des Aufsichtsratsvorsitzenden waren für den BGH Grund genug, die Regelung über die Beweislastumkehr nach § 22 AGG anzuwenden. Nach dieser Vorschrift genügt bereits der Beweis von Indizien, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsgrundes vermuten lassen, dafür, dass die andere Partei beweisen muss, dass kein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsrecht vorgelegen hat.
Die Praxis kann aus dem Urteil drei Folgerungen ziehen:
Der Beschluss der zuständigen Gremien, einen Geschäftsführer bzw. Vorstand nach dem Auslaufen des Dienstvertrages nicht weiter zu beschäftigen bzw. nicht erneut zu bestellen, stellt eine Entscheidung über den „Zugang zur Erwerbstätigkeit" im Sinne von § 6 Abs. 3 AGG dar. Solche Entscheidungen müssen deshalb diskriminierungsfrei getroffen werden.
Organmitglieder können sich auch auf die Umkehr der Beweislast nach § 22 AGG berufen.
Die gesamte Kommunikationspolitik eines Unternehmens kann von den Gerichten herangezogen werden, um eine Beweislastumkehr zu begründen. Insbesondere Erklärungen für die Presse zur Begründung personalpolitischer Entscheidungen dürfen deshalb nicht einmal ansatzweise in die Nähe der gesetzlichen Diskriminierungsgründe (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität) gerückt werden.
(BGH, Urteil vom 23.04.2012 - II ZR 163/10 (bisher nur als Pressemitteilung))
Michael Henne, Rechtsanwalt