November 2019 Blog

Bar­ge­schäfte in der Krise des Vertrags­part­ners sind in­sol­venz­fest

Der BGH hat erneut seine Rechtsprechung bestätigt, nach der Rechtsgeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen mit zahlungsunfähigen Unternehmen selbst dann möglich sind, wenn der Vertragspartner um die Zahlungsunfähigkeit oder sogar um die Beantragung des Insolvenzverfahrens weiß. Bei der Vertragsgestaltung sind allerdings viele Fallstricke zu beachten.

Sachverhalt

Die Beklagte, eine internationale Spedition, führte für die Insolvenzschuldnerin u.a. den Import von Möbeln aus China durch. Der klagende Insolvenzverwalter war am 14. Oktober 2011 zum vorläufigen Verwalter bestellt worden. Am 17.Oktober 2011 versandte er schriftliche Bestätigungen an die Kunden, dass Leistungen, die ab dem 18.Oktober 2011 von der Beklagten erbracht werden, aus einem gesonderten Treuhandkonto bezahlt werden. Nachdem die Beklagte am 08.Dezember 2011 zwei Aufträge der Schuldnerin angenommen hatte, zog die Insolvenzschuldnerin am 28.Dezember 2011 ihren Insolvenzantrag zurück. Die Beklagte führte die Frachtgeschäfte zum Jahreswechsel 2011/2012 durch und rechnete sie am 02.Januar 2012 ab. Mit Schreiben vom 02.Januar 2012 teilte die Insolvenzschuldnerin die Rücknahme des Insolvenzantrages der Beklagten mit und bat um Aufnahme der Gespräche über Außenstände und deren Tilgung. Die Zahlung auf die offenen Rechnungen erfolgte am 11.Januar 2012. Am 23.Januar 2012 stellte die Schuldnerin erneut Insolvenzantrag, und der Kläger wurde am 01.Februar 2012 zum Insolvenzverwalter bestellt.

Entscheidung

Das Landgericht hat die Klage des Verwalters wegen treuwidrigen Verhaltens unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zur Anfechtung des endgültigen Insolvenzverwalters bei Rechtsgeschäften mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil aufgehoben und die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Allein durch die Rücknahme des Insolvenzantrages habe die Beklagte nicht davon ausgehen können, dass die eingetretene Zahlungsunfähigkeit beseitigt sei. Dies folge schon aus dem Schreiben vom 02.Januar 2012 mit dem die Insolvenzschuldnerin gerade zu erkennen geben, dass diese Probleme nicht beseitigt seien. Treuwidrig sei das Verhalten des Klägers schon deshalb nicht, weil die Zahlung durch die Insolvenzschuldnerin zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem der Verwalter nicht bestellt war.  

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Er hat dies mit dem Vorliegen eines Bargeschäftes begründet. Sogenannte Bargeschäfte liegen dann vor, wenn gleichwertige Leistungen in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang (regelmäßig maximal 14-30 Tage zwischen Leistung und Zahlung, je nach Einzelfall) ausgetauscht werden. Allerdings hat der BGH diese Unanfechtbarkeit dann eingeschränkt, wenn der Gläubiger erkennen konnte, dass die Schuldnerin auch durch Fortsetzung der Geschäftstätigkeit die finanzielle Situation verschlimmert, weil sie dauerhaft unrentabel arbeitet. Solche Erkenntnisse setzen regelmäßig konkrete Einsicht in die Zahlen der Insolvenzschuldnerin voraus. Hierfür ist der Insolvenzverwalter beweisbelastet. Im vorliegenden Fall hatte der Verwalter hierzu nichts vorgetragen, so dass eine solche Kenntnis abzulehnen war.

Praxishinweise

Geschäftsverbindungen können auch mit insolventen Unternehmen fortgesetzt werden. Voraussetzung um eine etwaige spätere Anfechtung zu vermeiden ist aber, dass die laufenden Geschäftsvorfälle auf das sog. „Bargeschäft“ umgestellt werden und darüber hinaus keine Erkenntnisse über die tatsächliche wirtschaftliche Lage gewonnen wird (etwa Abfrage der laufenden BWA). Diese zusätzliche Kenntnis (sofern die Zahlen denn tatsächlich negativ sind) würde trotz Vorliegen eines Bargeschäftes zu einer Anfechtbarkeit führen. Sicherheitshalber sollte aber zusätzlich immer vom Verwalter ein sog. Anfechtungsverzicht verlangt werden. Kann nämlich der unmittelbare Leistungsaustausch nicht eingehalten werden (z.B. aufgrund von Verzögerungen bei der Lieferung bedingt durch verspätete Leistung der eigenen Zulieferer liegen zwischen Erbringung der Leistung und Zahlung 32 Tage) ist die Zahlung dann anfechtbar. Zusätzlich sollte immer auf Vorkasse umgestellt werden.

(BGH, Urteil vom 19. September 2019 – IX ZR 148/18)

Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin

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