Baurecht: Zur Aufklärungspflicht des öffentlichen Auftraggebers bei Aushub von kontaminiertem Boden
Öffentliche Auftraggeber trifft grundsätzlich die Pflicht, Angaben über die Kontamination eines zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens zu machen. Eine Aufklärung ist dagegen nicht erforderlich, wenn die Kontamination aus den gesamten Vertragsumständen auch ohne ausdrücklichen Hinweis hervorgeht. Dies hat der BGH mit Urteil vom 22.12.2011, Az. VII ZR 67/11 entschieden. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Im konkreten Fall ging es um die Ausschreibung von Ausbauarbeiten an einer Ortsdurchfahrt. Im Leistungsverzeichnis hatte die Auftraggeberin vorgesehen den auszuhebenden Boden weiterzuverwenden. Nähere Angaben zur Bodenbeschaffenheit machte die Auftraggeberin nicht.
Während der Arbeiten stellt sich heraus, dass der Boden mit teerhaltigen Substanzen leicht verunreinigt ist, jedenfalls aber nicht so stark, dass er nicht hätte (eingeschränkt) weiterverwendet werden können.
Der Auftragnehmer begehrte wegen angeblicher Mehrkosten aufgrund der Notwendigkeit einer Deponierung eine Mehrvergütung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B.
Der BGH lehnte eine Mehrvergütung ab. Die Leistungsbeschreibung sei aus der Sicht eines potentiellen, fachkundigen Bieters auszulegen. Eine Leistungsbeschreibung sei im Zweifelsfalle so zu verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will. Danach darf dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis für Umstände aufgebürdet werden, auf die er keinen Einfluss hat und er somit keine verlässliche Preisschätzung im Voraus machen kann. Ein solch ungewöhnliches Wagnis lag nach Ansicht des BGH nicht vor. Da nach dem Wortlaut der Lesitungsbeschreibung der Boden gar nicht beschrieben wurde, argumentiert der BGH, dass somit der Auftragnehmer grundsätzlich den Aushub eines jeden vorgefundenen Bodens schuldet und von der Preisvereinbarung abgedeckt sei. Mangels Beschreibung des Bodens sei auch die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung nicht anwendbar, da eben gerade keine Beschreibung vorlag, auf die der Auftragnehmer hätte vertrauen können. Ob eine Einschränkung auf unkontaminierten Boden vorläge, sei durch die sonstigen Umstände des Vertrages zu klären.
Nach Ansicht des vom BGH angehörten Sachverständigen müsse der Bieter für Aushubarbeiten unterhalb einer Asphaltdecke regelmäßig mit Verunreinigungen des Boden mit Teer rechnen. Folglich sah der BGH hier keinen Grund den unbeschränkten Wortlaut des Leistungsverzeichnisses einzuschränken. Allenfalls wenn die nach dem Vertrag vorausgesetzte Weiterverwendung ebenfalls nicht möglich gewesen wäre, hätte der Auftragnehmer eine Preisanpassung nach § 2 Nr. 5 VOB/B oder den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen können.
Folgen für die Praxis
Das Urteil benachteiligt potentielle Bieter erheblich. Denn es ist durchaus vorstellbar, dass der BHG diese Rechtsprechung in Zukunft auch verallgemeinernd auf alle nicht näher beschriebenen Leistungspositionen anwenden wird. Ist eine Position unzureichend beschrieben hat der Bieter je nach den weiteren Umständen mit allem zu rechnen, was nicht völlig fern liegt und durch die sonstigen Umstände des Vertrages ausgeschlossen ist. Bieter sind daher gut beraten, nicht nur auf den Wortlaut des Leistungsverzeichnisses zu schauen.
(BGH, Urteil vom 22.12.2012 – VII ZR 67/11, rechtskräftig)
Rechtsanwalt Johannes Schuhmann