Mai 2022 Blog

Betriebsrat darf sich von Schulungsanbieter Tablet schenken lassen

Je nach Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kommt es immer wieder zu Streit über die Frage, zur Erstattung welcher Kosten des Betriebsrates der Arbeitgeber tatsächlich verpflichtet ist. Dieses Thema hat zuletzt durch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Erstattung von Kosten für Betriebsratsschulungen wieder an Aktualität gewonnen. Der nachfolgende Beitrag geht auf die kürzlich vom BAG getroffene Entscheidung ein und beleuchtet die Frage der Kostenerstattungspflicht des Arbeitgebers im Allgemeinen.

1. BAG zur Erstattung von Schulungskosten des Betriebsrates durch den Arbeitgeber

Das BAG hatte sich in seiner Entscheidung vom 17.11.2021 (Az. 7 ABR 27/20) mit der Frage auseinanderzusetzen, in welchem Umfang der Arbeitgeber Kosten für eine Betriebsratsschulung zu ersetzen hat.

Ein Betriebsratsmitglied hatte an einem Grundlagenseminar zum Betriebsverfassungsrecht teilgenommen. Dabei erhielt es vom Schulungsanbieter neben verschiedenen Gesetzesmaterialien und Nachschlagewerken auch ein Tablet. Im Nachgang zu diesem Seminar stritten die Parteien u. a. über die Pflicht des Arbeitgebers, den Betriebsrat von diesen Schulungskosten freizustellen. Der Arbeitgeber verweigerte die Erstattung der Kosten, da es sich bei den zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln um „Akquisegeschenke“ handele und die Kosten daher das erforderliche und zu erstattende Maß übersteigen würden. Der Teilnehmende sei „unzulässig begünstigt worden“.

Das BAG wies die Beschwerde des Arbeitgebers zurück und stellte fest, dass der Arbeitgeber zur Kostenerstattung verpflichtet sei. Es hat in seiner Begründung jedoch sehr deutlich darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat grundsätzlich nur berechtigt ist, den Arbeitgeber mit Kosten zu belasten, die für die Betriebsratstätigkeit erforderlich sind. Zwar liege der Beurteilungsspielraum, welche Kosten als erforderlich anzusehen sind, beim Betriebsrat selbst, allerdings habe sich der Betriebsrat auch in diesem Zusammenhang am Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu orientieren. Die Kosten für den Arbeitgeber seien daher stets „auf das notwendige Maß zu beschränken“. Im konkreten Fall billigte das BAG die Kostenerstattung durch den Arbeitgeber daher unter anderem deshalb, weil die Seminarkosten im Vergleich zu anderen Anbietern im marktüblichen Bereich gelegen hatten. Es habe keine vergleichbaren, deutlich günstigeren Seminare gegeben. Daher sei es in diesem Fall auch unbeachtlich gewesen, dass der Arbeitnehmer noch verschiedene Werbeartikel, wie u.a. das Tablet erhalten habe, da das Seminar im Übrigen ohne diese Zusatzleistungen auch nicht habe gebucht werden können.

Wenngleich der Arbeitgeber in diesem konkreten Fall also letztlich gegenüber dem Betriebsrat unterlag, so zeigt die Entscheidung des BAG dennoch, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, jegliche Kosten des Betriebsrates zu erstatten, sondern stets auch selbst berechtigt sind, zu überprüfen, ob der Betriebsrat die Kosten für erforderlich halten durfte und ob der Betriebsrat die Kosten auch hinreichend nachgewiesen hat.

2. Der allgemeine Anspruch des Betriebsrates auf Kostenerstattung

Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Kosten, die dem Betriebsrat durch seine Tätigkeit entstehen.

Der Betriebsrat hat in eigener Verantwortung darauf zu achten, dass er nur erforderliche Kosten verursacht. Es ist stets eine Abwägung zwischen den Interessen der Belegschaft an einer optimalen Betriebsratsarbeit und den Interessen des Arbeitgebers an einem geringen Kostenaufwand vorzunehmen.

Zudem muss der Betriebsrat im Einzelfall prüfen, ob es verhältnismäßig ist, den Arbeitgeber mit Kosten zu belasten.

Handelt es sich um außergewöhnliche Kosten, insbesondere um außergewöhnlich hohe Kosten, so soll der Betriebsrat den Arbeitgeber aufgrund des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit vor Entstehung der Kosten informieren, damit dieser mögliche Einwendungen geltend machen kann. Eine unterlassene Information berührt die Kostentragungspflicht allerdings grundsätzlich nicht.

In formeller Hinsicht ist zu beachten, dass bei Maßnahmen, deren Durchführung eines Beschlusses des Betriebsrates bedarf, ein ordnungsgemäßer Beschluss erforderlich ist, um Kostenerstattung vom Arbeitgeber verlangen zu können.

3. Handhabung der Kostenerstattungspflicht für Arbeitgeber

Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ist damit grundsätzlich sehr weitreichend und die Einschätzungsprärogative, welche Kosten als „erforderlich“ anzusehen sind, obliegt nahezu ausschließlich den Betriebsräten. Es kann sich für Arbeitgeber aber lohnen, in Einzelfällen die Erforderlichkeit oder die Verhältnismäßigkeit der Kosten in Frage zu stellen. In dem dem BAG zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt kam dem Betriebsrat zu Gute, dass es keine günstigeren Seminaranbieter gab. Wäre dies nicht der Fall gewesen, lässt sich zumindest spekulieren, ob die Entscheidung des BAG dann ebenso eindeutig ausgefallen wäre. Arbeitgeber sollten daher die Erforderlichkeit von Kosten in Fällen, in denen diese offensichtlich problematisch erscheint, in Frage stellen. Im Kontext der Betriebsratsschulungen wird es einem Betriebsrat bspw. kaum gelingen, gegenüber dem Arbeitgeber nachzuweisen, dass es erforderlich gewesen ist, die Schulung in einem Wellnesshotel mit umfangreichem Wellnessprogramm abzuhalten.

In derartigen Konstellationen sollten Arbeitgeber die Erstattung der Betriebsratskosten daher genau prüfen und ggf. die Auszahlung verweigern.

Verena Steigerwald
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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