Dezember 2012 Blog

BGH konkretisiert Haftung von Organmitgliedern

BGH konkretisiert Haftung von Organmitgliedern

In einem Urteil vom September 2011 hat der BGH festgestellt, dass sich der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft bei einer gebotenen Prüfung der Rechtslage von einem unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträger in Form einer schriftlichen Stellungnahmeberaten lassen muss. Eine mündliche Stellungnahme eines fachlich qualifizierten Mitgliedes des Aufsichtsrates (hier: Rechtsanwalt) genügt nicht.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 20.9.2011 wichtige Aussagen zur Haftung von Vorstandsmitgliedern, Geschäftsführern und Aufsichtsratsmitgliedern getroffen.

Dem Urteil lag eine typische Fallkonstellation zugrunde. Der Insolvenzverwalter der Aktiengesellschaft hatte die Vorstandsmitglieder und ein Mitglied des Aufsichtsrates, einen Rechtsanwalt, auf Schadensersatz verklagt. Der Vorstand hatte zu seiner Verteidigung angeführt, er habe aufgrund eines Rechtsirrtums schuldlos gehandelt. Er sei von dem verklagten Mitglied des Aufsichtsrates in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt beraten worden. Dieser habe die Maßnahme als rechtlich korrekt eingestuft. Der BGH ist diesem Argument nicht gefolgt. Er hat verdeutlich, dass sich Organmitglieder nicht ohne weiteres auf einen Rechtsirrtum berufen könnten. Jedenfalls bei problematischen Rechtsfragen „reicht eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person durch die Gesellschaft nicht aus“.

Daher war es schuldhaft, sich auf eine mündliche Auskunft des im Aufsichtsrat sitzenden Rechtsanwalts zu verlassen, auch wenn dieser die Stellungnahme aufgrund der Prüfung durch seine Kanzlei abgab. Ist die Zulässigkeit einer Maßnahme (hier: Kapitalerhöhung durch Sacheinlage) fraglich, ist der Vorstand vielmehr verpflichtet, ein schriftliches Gutachten einer unabhängigen Rechtsanwaltskanzlei einzuholen (so auch bereits deutlich das OLG Hamburg, Az. 11 U 183/07, als Vorinstanz), da er nur dadurch die notwendige Plausibilitätskontrolle vornehmen könne. Die Vornahme einer solchen ist zwingend erforderlich, weil bei Fehlen einer hinreichenden Plausibilitätskontrolle stets von einem Verschulden auszugehen ist. Im Leitsatz 1 der Entscheidung des BGH heißt es dementsprechend: „Der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft, der selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, kann den strengen Anforderungen an eine ihm obliegende Prüfung der Rechtslage und an die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung nur genügen, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.“

Dem Urteil lässt sich weiter entnehmen:

  • Das Nicht-Erkennen einer rechtlichen Problematik entlastet den Vorstand nicht. Es ist daher unerheblich, ob der Vorstand schon keinen Anlass für eine rechtliche Überprüfung gesehen hat. An seiner Haftung ändert dies nichts.
  • Auch die Tatsache, dass eine Anwaltskanzlei die Verträge erstellt und dabei nicht auf die rechtliche Problematik hingewiesen hat, begründet keine Entlastung des Vorstands (möglicherweise aber die Haftung der Anwaltskanzlei).
  • Unerheblich ist nach Auffassung des BGH auch, dass weder der Sacheinlagenprüfer noch das Registergericht die Fehlerhaftigkeit der Maßnahme erkannt haben.
  • Auch eine Zustimmung des Aufsichtsrates befreit den Vorstand nicht von einer Haftung. In den Worten des BGH: „Vorstandsmitglieder können sich nicht darauf berufen, der Aufsichtsrat habe sie ungenügend überwacht oder fehlerhaft beraten.“ Vielmehr muss in einer solchen Konstellation die Haftung beider Organe geprüft werden.


Dementsprechend hat der BGH auch die Haftung des beteiligten Aufsichtsratsmitglieds bejaht. Der BGH hat insoweit festgestellt: „Er kann sich als Rechtsanwalt angesichts der eindeutigen Rechtslage grundsätzlich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dass er in der Organfunktion als Aufsichtsrat, nicht in seinem Beruf als Rechtsanwalt tätig war, führt nicht dazu, dass nur ein durchschnittlicher, für alle Aufsichtsratsmitglieder geltender Sorgfaltsmaßstab auf ihn anzulegen ist. Das Aufsichtsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt, unterliegt, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, insoweit einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab.“ Außer Frage stand für den BGH dabei, dass ein Mitglied des Aufsichtsrates natürlich auch die rechtliche Zulässigkeit einer Kapitalerhöhungsmaßnahme in den Blick nehmen muss. Im Urteil heißt es: “Im Rahmen ihrer Überwachungspflichten haben sie auch im Rahmen von Kapitalerhöhungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass der Vorstand seine Aufgaben ordnungsgemäß in Übereinstimmung mit Gesetz und Satzung erfüllt, und haben gegebenenfalls einzugreifen und den Vorstand zu richtigem Verhalten anzuhalten.“

(BGH, Urteil vom 20.9.2011, Az. II ZR 234/09)

Dr. Frank Süß, Rechtsanwalt

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!