BGH zur Anfechtung des endgültigen Insolvenzverwalters von mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter geschlossener Verträge
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 10. Januar 2013 die Vorgaben näher definiert, unter denen ein endgültiger Insolvenzverwalter Vereinbarungen, die ein Insolvenzschuldner während des Eröffnungsverfahrens unter Zustimmung eines vorläufigen Verwalters (und damit meist genau der gleichen Person) getroffen hat, anfechten kann.
Hintergrund
Im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung kommt es immer wieder zu den Problemen, die auch in der BGH-Entscheidung vorlagen. Über das Vermögen der Schuldnerin wird die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und ein (schwacher) vorläufiger Verwalter bestellt. Das Schuldnerunternehmen führt den Geschäftsbetrieb mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters fort. Die Lieferanten des Unternehmens haben bereits Waren/Materialien geliefert und fürchten nun (zu Recht) um die Bezahlungen dieser Lieferungen. Benötigt aber das Unternehmen weitere Lieferungen (etwa um ein Bauwerk fertig zu stellen), sehen sich diese Lieferanten dann oftmals in einer vorteilhaften Rechtsposition und verlangen neben der Bezahlung der angeforderten weiteren Lieferungen nunmehr auch die Bezahlung der sog. Altverbindlichkeiten. Oftmals lässt sich der vorläufige Verwalter, dessen Zustimmung hierfür erforderlich ist, auf diesen Deal ein. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gibt es dann ein böses Erwachen, wenn der endgültige Insolvenzverwalter diese Bezahlung der Altverbindlichkeiten anficht. Ist dies für die nach Anordnung der vorläufigen Verwaltung abgerufenen Leistungen/Waren nicht problematisch, solange die Voraussetzungen eines sog. Bargeschäftes nach § 142 InsO gegeben sind (Leistung und Gegenleistung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang), so ist dies für die Bezahlung von Altverbindlichkeiten anders. Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass der vorläufige Verwalter mit der Zustimmung einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, wonach der Empfänger der Leistung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) davon ausgehen durfte, dass er die Leistung behalten kann. Dies soll aber dann anders sein, wenn der vorläufige Verwalter sich zunächst gegen die Bezahlung wehrt und nur aufgrund der wirtschaftlichen Marktmacht des Lieferanten, weil dieser die Neubelieferung von der Zahlung der Altverbindlichkeiten abhängig macht, der Zahlung zustimmt.
Die Entscheidung
Der BGH hat mit der vorliegenden Entscheidung den Begriff der wirtschaftlichen Marktmacht näher definiert. Er hat zudem ausdrücklich festgestellt, dass der Verwalter für diesen Umstand darlegungs- und beweispflichtig ist.
Eine die Anfechtung ermöglichende Zwangslage ist nur dann anzunehmen, wenn ohne die Leistung des Lieferanten bereits geschaffene Werte vernichtet werden, etwa weil ein kurz vor Fertigstellung stehendes Werk wegen eines fehlenden Teils nicht vollendet werden kann, das nur der Vertragspartner liefern kann. Geht es, wie im entschiedenen Fall darum, Erschwernisse bei der Betriebsfortführung zu beseitigen (neue Lieferanten suchen, Vertragsänderungen verhandeln), dann gilt der Vertrauensschutz fort und der endgültige Verwalter kann nicht anfechten.
Im vorliegenden Fall hatte der Lieferant vom Granitplatten bezüglich eines kurz vor der Fertigstellung stehenden Bauwerkes seine Weiterbelieferung von der Zahlung von Altverbindlichkeiten abhängig gemacht. Der Verwalter behauptete, dass er die Granitplatten zwar auch bei anderen Lieferanten hätte beziehen können, es hätten jedoch Farb- und Qualitätsabweichungen gedroht, so dass er Schwierigkeiten mit dem Auftraggeber der Schuldnerin befürchtete. Dieser Argumentation hat der BGH einen Riegel vorgeschoben und darauf abgestellt, dass es jedenfalls andere Lieferanten gegeben hätte. Weiterhin hat der BGH in einem Nebensatz den Rechtsbegriff der „marktbeherrschenden“ Stellung angeführt, den der Lieferant innehaben müsse, damit von einer erzwungenen Zustimmung auszugehen ist. Da dies im zu entscheidenden Fall nicht gegeben war, hat der BGH die Klage des Verwalters abgewiesen.
Ausblick
Ob der BGH in zukünftigen Entscheidungen wirklich so weit gehen wird und eine „marktbeherrschende Stellung“ erforderlich ist, um dem Verwalter trotz Zustimmung ein Anfechtungsrecht zu geben, bleibt abzuwarten. Durch die Entscheidung werden jedoch die Druckmittel der Lieferanten erheblich ausgeweitet, da die Darlegung einer Zwangslage für den Verwalter nur noch in Ausnahmefällen möglich sein wird. Die betroffenen Gläubiger sollten indes die sich hierdurch aufgezeigten Möglichkeiten nutzen. Ob die Entscheidung für Insolvenzverwalter negativ ist, bleibt abzuwarten. Gerade im Rahmen der Betriebsfortführung im Antragsverfahren stehen die Verwalter vor dem Problem, dass Lieferanten nicht bereit sind, ohne Zahlung von Altverbindlichkeiten die insolventen Unternehmen weiter zu beliefern. Durch die nunmehr festgelegten Anforderungen an die wirtschaftliche Zwangslage wird das Risiko einer Anfechtung trotz Vereinbarung erheblich reduziert, so dass sinnvolle Vereinbarungen mit den Lieferanten zunehmen werden.
(BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 – IX ZR 161/11)
Ansgar Hain, Rechtsanwalt