Compliance-Pflichten der Organe von Gesellschaften
Das LG München hat ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft wegen einer unzureichenden Compliance-Organisation und der unterlassenen Überwachung der Effizienz derselben zu einer Schadensersatzzahlung von EUR 15 Mio. verurteilt.
Das Urteil des LG München vom 10. Dezember 2013 belegt die erhebliche Bedeutung des Themas „Compliance“ für die Organe von Unternehmen. Das Urteil selbst bezieht sich zwar auf ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft. Gleichwohl sind die Ausführungen des Gerichts auch für den Umfang der Pflichten (und damit der Haftung) von Geschäftsführern einer GmbH und letztlich auch für Aufsichtsratsmitglieder relevant.
In dem Urteil des LG München wird ausgeführt, dass ein Vorstand aufgrund der ihm obliegenden Geschäftsführungsverantwortung verpflichtet ist, sein Unternehmen so zu organisieren, dass es sich rechtstreu verhält. Der Vorstand ist daher zum einen dafür verantwortlich ist, dass ein Unternehmen eine effiziente Compliance-Organisation hat. Es genügt also nicht, dass das Unternehmen überhaupt irgendein Compliance-System installiert hat. Dieses muss vielmehr, entsprechend der Notwendigkeiten des Unternehmens, auch effizient sein. Zum anderen weist das LG München darauf hin, dass es mit der Einrichtung eines Compliance-Systems nicht getan ist. Der Vorstand muss auch fortlaufend die Effizienz der Compliance-Organisation überprüfen.
Verstoßen die Vorstandsmitglieder gegen diese Pflicht, so stellt dies nach Auffassung des Gerichts eine Pflichtwidrigkeit gem. § 93 AktG dar. Folge ist, dass sich die zuständigen Vorstandsmitglieder schadensersatzpflichtig machen, sofern das unzureichende Compliance-System zu einem Schaden für das Unternehmen geführt hat.
Der Umfang der Compliance-Organisation hängt dabei, so das LG München, von den Notwendigkeiten des jeweiligen Unternehmens ab. Unternehmen, die beispielsweise in erhöhtem Maße der Gefahr strafrechtlicher Verfehlungen ausgesetzt sind (z.B. wegen in der Branche üblichen Schmiergeldzahlungen), bedürfen dementsprechend ein intensiveres und ausdifferenziertes Compliance-System.
Dem Urteil des LG München lässt sich des Weiteren entnehmen, dass der Vorstand die Verantwortung für das Thema „Compliance“ zwar auf ein Vorstandsmitglied delegieren kann. Dies ändert aber nichts daran, dass das Thema „Compliance“ zu den Gesamtaufgaben des Vorstands gehört. Was zur Folge hat, dass der Gesamtvorstand verpflichtet ist, aktiv zu werden, wenn es trotz des Compliance-Systems zu Verstößen kommt. In dieser Situation dürfen sich die anderen Vorstandsmitglieder nicht mehr auf das zuständige Vorstandsmitglied verlassen, sondern müssen selbst aktiv werden. Andernfalls verhalten sie sich ebenfalls pflichtwidrig.
In dem Urteil des LG München findet sich letztlich die Ergebnisse der aktuellen Compliance-Diskussion innerhalb gesellschaftsrechtlichen Literatur wieder. So gesehen ist das Urteil nicht überraschend. Die Bedeutung des Urteils liegt daher eher in dem Umstand, dass das Unterlassen der Einrichtung und Überwachung eines Compliance-Systems von einem Gericht ausdrücklich als Pflichtverletzung qualifiziert und unmittelbar zur Begründung einer Schadensersatzpflicht herangezogen wird. Daraus folgt zugleich, dass ein solcher Verstoß auch in Kündigungsprozessen künftig eine größere Rolle spielen kann. Ansatzpunkt wäre auch hier, dass das Unterlassen der Einrichtung eines hinreichenden Compliance-Systems und/oder das Unterlassen der fortlaufenden Prüfung des Systems eine Pflichtverletzung des Organs darstellt.
(LG München, 10. Dezember 2013 – 5 HKO 1387/10)
Dr. Frank Süß, Rechtsanwalt