Das 12. Sanktionspaket gegen Russland
Am 18. Dezember 2023 hat die EU ihr mittlerweile 12. Sanktionspaket gegen Russland bekanntgegeben, das am 19. Dezember 2023 in Kraft getreten ist. Ein zentraler Punkt des 12. Sanktionspakets ist zum einen – wie auch bereits beim 11. Sanktionspaket – die Bekämpfung der Umgehung bereits bestehender Sanktionen. Zum anderen wurden die Sanktionen gegen Russland abermals ausgeweitet und verschärft.
Das 12. Sanktionspaket gegen Russland besteht aus drei Verordnungen: der Verordnung (EU) 2023/2878 (VO 2023/2878) zur Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 (VO 833/2014), in der güter- und dienstleistungsbezogene Beschränkungen gegenüber Russland niedergelegt sind, der Verordnung 2023/2873 (VO 2023/2873) zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014, die Beschränkungen gegenüber den in ihrem Anhang I gelisteten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen (POE) niederlegt aufgrund ihrer Beteiligung an Handlungen zur Untergrabung oder Bedrohung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine, und der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2875 (DVO 2023/2875), durch die weitere POE in Anhang I aufgenommen wurden.
Maßnahmen zur Verhinderung der Umgehung bestehender Sanktionen
Um Umlenkungen gelisteter Güter nach Russland zu beschränken, wurde das Durchfuhrverbot, das bereits für Güter des Anhangs I der Dual-Use-Verordnung (EU) 2021/821 (Art. 2 Abs. 1a VO 833/2014), für „Advanced Technologies“-Güter des Anhangs VII der VO 833/2014 (Art. 2a Abs. 1a VO 833/2014), für Feuerwaffen des Anhangs I der Feuerwaffen-Verordnung (EU) Nr. 258/2012 und des Anhangs XXXV der VO 833/2014 (Art. 2aa Abs. 1a VO 833/2014), für Güter der Luft-und Raumfahrtindustrie des Anhangs XI der VO 833/2014 und für Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive des Anhangs XX der VO 833/2014 (Art. 3c Abs. 1a VO 833/2014) bestand, durch Einfügen eines neuen Art. 3k Abs. 1a VO 833/2014 auch auf bestimmte in Anhang XXIII gelistete Industriegüter ausgeweitet und zwar auf solche, die im neu eingefügten Anhang XXXVII gelistet sind; dieser stellt mithin einen Teilausschnitt des Anhangs XXIII dar. In Anhang XXXVII sind insgesamt 14 Güter der KN-Kapitel 84, 85 und 87 aufgeführt, in Bezug auf die ein erhöhtes Umlenkungsrisiko festgestellt wurde. Der ebenfalls neu in Art. 3k VO 833/2014 eingefügte Abs. 5c sieht vor, dass die zuständigen nationalen Behörden die Durchfuhr unter bestimmten Voraussetzungen genehmigen dürfen.
Ein weiteres Mittel zur Bekämpfung der Sanktionsumgehung ist die durch Art. 12g VO 833/2014 neu eingeführte Verpflichtung von Wirtschaftsbeteiligten, ihren außerhalb der EU ansässigen Vertragspartnern den Weiterverkauf bzw. die Wiederausfuhr bestimmter besonders sensibler Güter nach Russland vertraglich zu untersagen und in dem Vertrag für den Fall eines Verstoßes hiergegen angemessene Abhilfemaßnahmen vorzusehen. Diese Verpflichtung zur Vereinbarung einer „No Russia-Clause“ gilt in Bezug auf sämtliche Güter die in den Anhängen XI (Güter der Luft-und Raumfahrtindustrie), XX (Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive), XXXV (Feuerwaffen) der VO 833/2014, Anhang I der Feuerwaffen-Verordnung (EU) Nr. 258/2012 und in dem neu in VO 833/2014 eingefügten Anhang XL aufgeführt sind, der sog. „Common High Priority Items“ listet, d.h. Güter, die in russischen Waffensystemen in der Ukraine gefunden wurden. Diese „Common High Priority Items“ sind allesamt auch in anderen Güterlisten der VO 833/2014 gelistet und ihre Ausfuhr nach Russland somit untersagt. Die Pflicht zur Vereinbarung einer „No Russia Clause“ gilt für sämtliche künftige und aktuelle Verträge mit in Drittstaaten ansässigen Vertragspartnern mit Ausnahme von Verträgen, die vor dem 19. Dezember 2023 geschlossen und bis zum 20. Dezember 2024 erfüllt werden oder vorher ablaufen. Ferner gilt die Pflicht zur Vereinbarung einer „No Russia Clause“ nicht, wenn der Vertragspartner in einem der in Anhang VIII aufgeführten Partnerländer ansässig ist (derzeit: USA, Japan, UK, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz). Ergänzend zur gesetzlichen Pflicht, eine „No Russia Clause“ vertraglich zu vereinbaren, sieht Art. 12g zudem Unterrichtungspflichten des Wirtschaftsbeteiligten gegenüber den zuständigen Behörden im Falle der Kenntniserlangung von einem Verstoß des drittländischen Vertragspartners sowie gegenseitige Unterrichtungspflichten der mitgliedstaatlichen Behörden untereinander und gegenüber der Kommission vor.
Ebenfalls dem Bereich der Bekämpfung von Sanktionsumgehungen zuzurechnen, ist die neu in die VO 833/2014 eingefügte Verpflichtung für Dienstleister, die keinen Zugang zu dem in Anhang XXVIII festgelegten Kaufpreis pro Barrel haben („Ölpreisdeckel“), aufgeschlüsselte Preisinformationen über Nebenkosten für russische Rohöl- und Erdölerzeugnisse (wie etwa Versicherungs- und Frachtkosten), die von Wirtschaftsbeteiligten in der weiter vorgelagerten Lieferkette bereitgestellt werden, zu erheben und diese den Gegenparteien und den zuständigen Behörden auf Anfrage für die Zwecke der Überprüfung der Einhaltung des Ölpreisdeckels zur Verfügung zu stellen; diese Verpflichtung gilt für gelistete russische Rohöl- und Erdölerzeugnisse, die ab dem 24. Februar 2024 verladen werden. Hierdurch soll erreicht werden, dass auf Anfrage aufgeschlüsselte Nebenkosten in der gesamten Lieferkette ausgetauscht werden, um hierdurch eine Umgehung des Ölpreisdeckels zu verhindern. Im Einklang mit dem von der Price Cap Coalition eingeführten Stufensystem für Bescheinigungen, mit dem die Einhaltungsverpflichtungen der Akteure auf der Grundlage ihres Zugangs zum Kaufpreis für russische Rohöl- oder Erdölerzeugnisse angepasst werden, müssen die aufgeschlüsselten Preisinformationen von denjenigen Akteuren weitergegeben werden, die Zugang zu diesen Informationen haben, wie Händlern und Charterern. Akteure in der Lieferkette, wie Schiffseigner und Versicherer, sollten in der Lage sein, im Rahmen ihrer Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht die von den Akteuren mit größerer Nähe zum Ursprung der Informationen bereitgestellten aufgeschlüsselten Kosteninformationen zu erheben und weiterzugeben. Die zuständigen Behörden können diese Informationen jederzeit von jedem Akteur ungeachtet von seinem Platz in der Lieferkette anfordern, um die Einhaltung des Preisobergrenzenmechanismus zu überprüfen (vgl. Erwägungsgrund 15 der VO 2023/2878).
Zudem soll die Umsetzung und Durchsetzung des Ölpreisdeckels zusätzlich durch einen Informationsaustausch zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten unterstützt werden (Art. 3na VO 833/2014) sowie durch die mit dem in dem neu eingefügten Art. 3q VO 833/2014 vorgesehenen Meldepflicht für den Verkauf von Tankschiffen in Drittländer vor (Abs. 4). Das in Art. 3q Abs. 1 VO 833/2014 niedergelegte Verbot, Tankschiffe, die unter dem HS-Code ex 8901 20 eingereiht werden, unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische POE in Russland oder zur Verwendung in Russland zu kaufen, ist hingegen nicht neu. Ein entsprechendes Verbot findet sich bereits in Art. 2a VO 833/2014 (vgl. Position X.A.VI.001 lit. f des Anhangs VII).
Weitere neue Unterrichtungspflichten der Wirtschaftsbeteiligten, die ebenfalls der Bekämpfung der Sanktionsumgehung dienen sollen, wurden in Art. 5 Abs. 6 und 7 und Art. 5a Abs. 2 und 3 VO 833/2014 (Unterrichtungspflicht bei Inanspruchnahme einer Befreiung vom Verbot der Neuvergabe von Darlehen und Krediten bzw. einer Altvertragsregelung) niedergelegt.
Ebenfalls der Bekämpfung von Umgehung soll der neu in Art. 5b VO 833/2014 eingefügte Abs. 2a dienen, der es russischen Staatsangehörigen und in Russland ansässigen Personen ab dem 18. Januar 2024 untersagt, in der EU niedergelassene juristische POE, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Krypto-Wallets, Krypto-Konten oder der Krypto-Verwahrung anbieten, zu besitzen, zu kontrollieren oder Posten in deren Leistungsgremien zu bekleiden.
Auch der neu eingefügte Art. 5r VO 833/2014 ist zum Zwecke der Verhinderung von Sanktionsumgehungen eingefügt worden. Dieser sieht eine Berichtspflicht für Geldtransfers in Drittländer vor, die durch in der EU niedergelassene juristische POE (einschließlich Zweckgesellschaften) getätigt werden, die zu mehr als 40% unmittelbar oder mittelbar von einer in Russland niedergelassenen POE, einem russischen Staatsangehörigen oder einer natürlichen Person mit Wohnsitz in Russland gehalten werden. Diese Meldepflicht gilt ab dem 1. Mai 2024 für sämtliche Geldtransfers von mehr als EUR 100.000 pro Quartal aus der EU. Zudem sind auch Kredit- und Finanzinstitute ab dem 1. Juli 2024 verpflichtet, den zuständigen nationalen Behörden innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf jeden Semesters Informationen über alle Geldtransfers von mehr als EUR 100.000 pro Semester aus der EU zu melden, die sie für POE getätigt haben, die zu mehr als 40% unmittelbar oder mittelbar von einer in Russland niedergelassenen POE, einem russischen Staatsangehörigen oder einer natürlichen Person mit Wohnsitz in Russland gehalten werden. Diese Meldepflicht könnte Kredit- und Finanzinstitute vor Herausforderungen stellen, da ihnen teilweise nicht bekannt sein dürfte, ob eine in der EU niedergelassene juristische POE zu mehr als 40% von dem vorgenannten Personenkreis gehalten wird, da die hierfür erforderlichen Daten über die nach dem Geldwäschegesetz zu erhebenden Daten hinausgehen. Insoweit besteht auf Seiten der Kredit- und Finanzinstitute Handlungsbedarf, ggf. noch fehlende Informationen schnellstmöglich nachzuerheben, um die Meldepflichten erfüllen zu können.
Ausweitung und Verschärfung bestehender güter- und dienstleistungsbezogener Beschränkungen
Neben der Bekämpfung der Sanktionsumgehung zielt das 12. Sanktionspaket auch auf die Ausweitung bestehender Handelssanktionen gegen Russland ab.
So haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf ein Kauf-/Einfuhrverbot für natürliche und synthetische Diamanten, ausgenommen Industriediamanten, sowie Diamantschmuck mit Ursprung Russland, ausgeführt aus Russland oder durchgeführt durch Russland verständigt, das ab dem 1. Januar 2024 gilt (Art. 3p Abs. 1 und 2 VO 833/2014). Die von dem Verbot erfasste Waren sind mit KN-Codes in dem neu eingefügten Anhang XXXVIIIA Teil A (natürliche Diamanten), B (synthetische oder rekonstituierte Diamanten) und C (Schmuckwaren mit Diamanten) aufgeführt. Dieses Verbot wird schrittweise auf die Einfuhr von russischen Diamanten ausgeweitet, die in anderen Drittländern als Russland verarbeitet wurden (und damit nicht mehr als „russisch“ gelten). So ist es ab dem 1. März verboten, in Anhang XXXVIIIA Teil A aufgeführte Erzeugnisse unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, in die EU einzuführen oder zu verbringen, wenn sie in einem Drittland verarbeitet werden und Diamanten mit einem Gewicht von mindestens 1,0 Karat pro Diamant enthalten, deren Ursprung oder Herkunft Russland ist (Abs. 3). Ab dem 1. September 2024 gilt dieses Verbot für sämtliche in Anhang XXXVIIIA Teile A, B und C aufgeführten Erzeugnisse, wenn sie aus Diamanten mit Ursprung oder Herkunft Russland bestehen oder diese enthalten, mit einem Gewicht von mindestens 0,5 Karat oder 0,1 Gramm pro Diamant (Abs. 4). Zudem legt Art. 3p Abs. 5 VO 833/2014 korrespondierende Dienstleistungs- und Finanzierungsverbote nieder. Ausnahmen und Befreiungen von dem Verbot sind nur in engen Grenzen vorgesehen: für die persönliche Verwendung von in die EU reisenden natürlichen Personen (Abs. 6) und für Leihgaben im Rahmen der offiziellen kulturellen Zusammenarbeit mit Russland (Abs. 7). Art. 3p Abs. 8-10 VO 833/2014 legen nieder, welche Nachweise für die Rückverfolgbarkeit von Diamanten zu erbringen sind, welche Behörde für die Überprüfung des Ursprungs zuständig ist (gemäß Anhang XXXVIIIB die Federal Public Services Economy an the Diamond Office in Belgien) und nach welchen Vorschriften und Verfahren die Überprüfungen stattfinden (Kimberley-Verordnung (EG) Nr. 2368/2002).
Darüber hinaus wurden auch bestehende Listen von Gütern, in Bezug auf die einfuhr- oder ausfuhrseitige Beschränkungen bestehen, um weitere Güter erweitert. So wurde die Liste der in Anhang VII aufgeführten „Advanced Technologies“-Güter, die Verkaufs-, Ausfuhr-, Durchfuhr- sowie Dienstleistungs- und Finanzierungsverboten gemäß Art. 2a VO 833/2014 unterfallen, um Position X.C.IX.014 (Lithium und Lithiumverbindungen) und X.C.IX.015 (Ultra-hochmolekulares Polyethylen) in Teil A sowie um diverse Waren in Teil B erweitert. Neben der Listung weiterer Waren unter den bestehenden Unterkategorien Nr. 3 (neu: Thermostate), Nr. 4 (neu: Gleichstrommotoren und -generatoren, Transformatoren, Stromrichter, Festwiderstände, elektrische Stellwiderstände und Relais), Nr. 5 (neu: Handwerkzeuge, Werkzeugmaschinen mit Laser, Bearbeitungszentren für Metalle, numerische gesteuerte Horizontal-Drehmaschinen und Werkzeughalter für Werkzeugmaschinen), Nr. 6 (neu: Perchlorate, Bromate und Perbromate) und Nr. 7 (neu: Teile von Fernsprechapparaten) wurden mit Nr. 8 („Chemikalien, Metalle, Legierungen, Verbundwerkstoffe und andere fortgeschrittene Werkstoffe“) und Nr. 9 („Teile von Maschinen, Apparaten oder Geräten, Baugruppen und Bauteile“) zwei neue Unterkategorien in Anhang VII Teil B eingefügt. Altvertragsregelungen sind in Bezug auf die neu in Anhang VII aufgenommen Güter nicht vorgesehen. Zudem wurden 29 zusätzliche juristische POE (einschließlich POE in Drittstaaten) in Anhang IV der VO 833/2014 aufgenommen, mit der Folge, dass die Lieferung von in Anhang I der Dual-Use-Verordnung (EU) 2021/821 und in Anhang VII der VO 833/2014 gelisteten Gütern an sie grundsätzlich nicht genehmigt werden darf (vgl. Art. 2/2a Abs. 7(i) und Art. 2b VO 833/2014).
Daneben wurde auch der Anhang XXIII, der Industriegüter listet, die nicht nach Russland verkauft oder ausgeführt werden und in Bezug auf die keine Dienste/Finanzierungen erbracht werden dürfen, um eine Reihe weiterer Güter erweitert. Während einige KN-Codes insgesamt neu in Anhang XXIII eingefügt wurden – zu nennen sind hier etwa Silikone (3910), Luftreifen aus Kautschuk für die industrielle Verwendung (4011 80), Oberbaumaterial für Bahnen aus Eisen oder Stahl (7302), verschiedene Waren aus Kupfer (7412 und 7413) und Aluminium (7608 und 7609) sowie Maschinen für die additive Fertigung (8487) – erfolgte die Erweiterung des erfassten Warenkreises in vielen Fällen dadurch, dass ehemals unter acht- oder sechsstelligen KN-Codes erfasste Waren nunmehr unter vierstelligen KN-Codes (z.B. 7303-7307, 8412, 8456, 8474, 8506, 9013, 9027 oder 9030) oder – im Fall von Waren des Kapitels 72 – unter einem zweistelligen KN-Code aufgeführt sind. Für die neu erfassten Güter sieht Art. 3k VO 833/2014 Altvertragsregelungen vor, die in den neu eingefügten Abs. 3aa und 3ab niedergelegt sind. So gelten die Verbote gemäß Art. 3k VO 833/2014 nicht für die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurden und – in Bezug auf Güter des neuen Anhangs XXIIIA – bis zum 20. März 2024 erfüllt werden bzw. – in Bezug auf Güter des neuen Anhangs XXIIIB – bis zum 20. Juni 2024 erfüllt werden.
Ferner wurde auch die Liste der bedeutsamen russischen Exportgüter gemäß Anhang XXI um weitere Güter erweitert und die Güter damit den in Art. 3i VO 833/2014 niedergelegten Kauf-, Einfuhr- und korrespondierenden Dienstleistungs- und Finanzierungsverboten unterworfen, wenn die Waren russischen Ursprungs sind oder aus Russland ausgeführt wurden. Zu nennen sind hier LPG (Flüssiggase der KN-Codes 2711 12, 2711 13, 2711 14 und 2711 19), Roheisen und Spiegeleisen (7201), Ferrolegierungen (7202 und 7205), durch Direktreduktion aus Eisenerzen hergestellte Eisenerzeugnisse (7203) sowie diverse Waren aus Aluminium (7408, 7604, 7605, 7607 und 7608). Die neuen Abs. 3ca und 3cb sehen Altvertragsregelungen für die neu in Anhang XXI aufgenommen Waren vor, sofern der Vertrag vor dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurde und – abhängig vom neu erfassten KN-Code – bis zum 20. März 2024 oder bis zum 20. Dezember 2024 erfüllt wird. Zudem sehen die neuen Abs. 3cc und 3cd bis 31. Dezember 2025 Einfuhrkontingente für Waren der KN-Codes 7201 und 7203 vor.
Daneben wurden auch die nicht-akzessorischen Dienstleistungsbeschränkungen in Art. 5n VO 833/2014 verschärft. Zum einen wurde ein neues Verbot in Art. 5n Abs. 2b eingefügt. Danach ist es verboten, unmittelbar oder mittelbar in dem neuen Anhang XXXIX aufgeführte Software für die Unternehmensführung und Software für Industriedesign und Fertigung (u.a. ERP-, CRM- oder CMMS-Softwaresysteme) an die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische POE zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen, auszuführen oder bereitzustellen. Art. 5n Abs. 4b sieht übergangsweise eine Befreiung von dem vorgenannten Verbot vor, wenn die Lieferung der Software „unbedingt erforderlich“ ist, um vor dem 19. Dezember 2023 geschlossene Verträge bis zum 20. März 2024 zu beenden. Die Anforderungen sind im Vergleich zu sonstigen Altvertragsregelungen mithin strenger. Ausnahmen von dem neuen Verbot sind im Rahmen von internationalen Open-Source-Projekten möglich (Abs. 9b). Ferner werden in dem neu eingefügten Abs. 3a für sämtliche in Art. 5n niedergelegten Verbote begleitende Dienstleistungs- und Finanzierungsverbote niedergelegt.
Eine weitere Änderung ist, dass die bisher in Art. 5n Abs. 7 niedergelegte Befreiung von den Verboten des Art. 5n für Dienstleistungen zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene juristische POE, die sich im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle einer juristischen POE befindet, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats, der Schweiz oder eines in Anhang VIII aufgeführten Partnerlandes gegründet oder eingetragen ist, für sämtliche Verbote des Art. 5n (einschließlich des neuen Verbots in Abs. 2b) nur noch bis zum 20. Juni 2024 gelten soll. Stattdessen wird unter Art. 5n Abs. 10 lit. h ein neuer Ausnahmetatbestand eingefügt, wonach die zuständigen nationalen Behörden in den vorgenannten Fällen die Leistungserbringung genehmigen dürfen. Diese Umstellung von einer nicht-genehmigungsbedürftigen Befreiung auf eine genehmigungsbedürftige Ausnahme dürfte einen Großteil der EU-Unternehmen betreffen, die noch über Tochtergesellschaften in Russland verfügen, sowie sämtliche EU-Dienstleister die für russische Tochterunternehmen von EU‑, EWR-, Schweizer oder Partnerland-Gesellschaften die in Art. 5n genannten Leistungen erbringen. Aufgrund der zu erwartenden hohen Anzahl von Genehmigungsanträgen hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Bekanntgabe einer Allgemeinen Genehmigung für Art. 5n Abs. 10 lit. h in Aussicht gestellt.
Zudem wird durch die neugefassten Abs. 4 und 5 des Art. 3 VO 833/2014 die Möglichkeit der Bereitstellung von (Rück-)Versicherungen in Bezug auf Güter des Anhangs II eingeschränkt.
Aufnahme neuer Ausnahmeregelungen und Verlängerung von Übergangsregelungen
Neben den vorgenannten Sanktionsverschärfungen sieht die neue VO 2023/2878 auch einige Erleichterungen für Wirtschaftsbeteiligte vor.
Zum einen wird der Art. 3g Abs. 1 lit. d VO 833/2014, der Importeuren von Eisen- und Stahlerzeugnissen der KN-Codes 7206-7229 und des KN-Kapitels 72 die Pflicht auferlegt nachzuweisen, dass diese nicht unter Verwendung von Eisen- und Stahlerzeugnissen der KN-Codes 7206-7229 und des KN-Kapitels 72 mit Ursprung in Russland hergestellt wurden, insoweit abgeschwächt, als diese Pflicht nicht für Einfuhren aus in Anhang XXXVI aufgeführten Partnerländer für die Einfuhr von Eisen und Stahl gelten soll (derzeit Schweiz und Norwegen).
Zudem werden diverse Übergangsfristen in Art. 3g VO 833/2014 verlängert. So wird das Datum, ab dem die Verarbeitungsregel des Art. 3g Abs. 1 lit. d VO 833/2014 in Bezug auf Güter der KN-Codes 7207 1210 und 7224 90 gelten soll, vom 1. Oktober 2024 auf den 1. Oktober 2028 hinausgeschoben. Zudem werden die in Art. 3g Abs. 4 und 5a VO 833/2014 niedergelegten Befreiungen der Einfuhren bestimmter Kontingente von Waren der KN-Codes 7207 10 und 7224 90 um vier Jahre bis zum 30. September 2028 verlängert (wobei die erlaubten Mengen schrittweise abgesenkt werden).
Auch in anderen Artikeln wurden die Übergangszeiträume nachträglich verlängert (vgl. Art. 3m Abs. 6 und 8 UAbs. 4, Art. 5aa Abs. 3 lit. d und 3a, Art. 12b Abs. 1, 1a, 2 und 2a VO 833/2014).
Daneben wurden weitere Befreiungs- und Ausnahmetatbestände in die VO 833/2014 eingefügt. So sehen etwa die neuen Abs. 3aa und 3ab des Art. 3i vor, dass die zuständigen nationalen Behörden die Einfuhr von in Anhang XXI gelisteten Gütern für den ausschließlich persönlichen Gebrauch durch in die Union einreisende natürliche Personen sowie den Eingang von Fahrzeug des KN-Codes zum persönlichen Gebrauch genehmigen können. Ferner führt Art. 3a Abs. 3a VO 833/2014 eine Ausnahmeregelung ein, mit der ermöglicht wird, dass Darlehen oder Kredite an im russischen Energiesektor tätige Organisationen, für die ein Transaktionsverbot gemäß Art. 3a Abs. 1 VO 833/2014 gilt, unter den dort festgelegten Bedingungen gewährt werden kann.
Technische Änderungen
Daneben werden in der VO 833/2014 einige technische Änderungen vorgenommen, indem die Formulierungen der einzelnen Artikel aneinander angeglichen wurden sowie Verweise auf abgelaufene Übergangsfristen und sonstige Verweise, die zur Erfüllung einer bestimmten Vorschrift nicht erforderlich sind, gestrichen wurden. Zudem wurden neue Definitionen in Art. 1 VO 833/2014 aufgenommen („Partnerland für die Einfuhr von Eisen und Stahl“ unter lit. zc und „Gelder“ unter lit. zd).
Ausweitung der personenbezogenen Beschränkungen
Auch die in der VO 269/2014 niedergelegten personenbezogenen Sanktionen wurden im Zuge des 12. Sanktionspakets verschärft.
Mit der DVO (EU) 2023/2875 wurde die Liste der in Anhang I der VO 269/2014 aufgeführten POE um 61 weitere natürliche Personen und 86 Organisationen ergänzt. Hierunter befinden sich im russischen und belarussischen Militär- und Verteidigungssektor tätige POE, Propagandisten, Personen, die an der erzwungenen „Umerziehung“ ukrainischer Kinder beteiligt sind, sowie wichtige Wirtschaftsakteure (wie bspw. Alfa Insurance). Als Folge der Listung sind die Vermögenswerte der betroffenen POE nach Art. 2 VO 269/2014 innerhalb der EU eingefroren und es besteht ein umfassendes Verbot, ihnen Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Zudem wurde auch die VO 269/2014 selbst geändert. So wurde durch die VO 2023/2873 ein neuer Listungsgrund in Art. 3 Abs. 1 VO 269/2014 eingefügt. Nunmehr können auch Einrichtungen gelistet werden, die zuvor im Eigentum oder unter der Kontrolle einer EU-Person standen und deren Inhaberschaft zwangsweise übertragen wurde sowie POE die von einer solchen Zwangsübertragung profitiert haben oder die in die Leitungsgremien diese Einrichtungen berufen wurden (lit. j). Ferner sieht der neu eingefügte Art. 3 Abs. 1a VO 269/2014 vor, dass auch verstobene Personen mit eingefrorenen Vermögenswerten auf der Sanktionsliste belassen werden können.
Daneben wurden aber auch weitere genehmigungsbedürftige Ausnahmetatbestände in die VO 269/2014 eingefügt. So sieht etwa der neu eingefügte Art. 5a VO 269/2014 die Möglichkeit der Freigabe bestimmter eingefrorener Vermögenswerte vor, wenn diese im öffentlichen Interesse entzogen werden sollen, sowie die Bereitstellung bestimmter Gelder/wirtschaftlicher Ressourcen, um der von der Entziehung betroffenen gelisteten POE einen Ausgleich zu zahlen, sofern dieser wiederum eingefroren wird. Ferner sieht der neu eingefügte Art. 5b VO 269/2014 die Möglichkeit der Freigabe bestimmter eingefrorener Vermögenswerte oder der Bereitstellung bestimmter Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen an POE vor, die nach dem neu eingefügten Listungsgrund in Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 269/2014 gelistet wurden, sofern dies nach Ansicht der zuständigen nationalen Behörde erforderlich ist, um die Zahlung der vereinbarten Gegenleistung oder des gesetzlich festgesetzten Ausgleichs im Zusammenhang mit der erzwungenen Übertragung zu ermöglichen.
Fazit
Das 12. Sanktionspaket erstreckt sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Bereiche und macht es erforderlich, dass die Wirtschaftsbeteiligten – Importeure, Exporteure, Kredit- und Finanzinstitute und sonstige Dienstleister – ihre bestehenden Verträge sowie künftige Transaktionen sorgfältig auf ihre (fortbestehende) sanktionsrechtliche Zulässigkeit sowie auf eventuell bestehende zusätzliche Meldepflichten hin überprüfen. Zudem sind die weiteren Entwicklungen in Bezug auf die in Art. 5n VO 833/2014 niedergelegten Verbote im Blick zu behalten.
Die mit dem 12. Sanktionspaket einhergehenden Änderungen betreffen zudem nicht nur Wirtschaftsakteure, die weiterhin Geschäfte mit Russland tätigen. Insbesondere der Art. 12g VO 833/2014 löst auch für sonstige Wirtschaftsakteure, die Güter ausführen, in Bezug auf die die „No Russia-Clause“ greift, Handlungspflichten aus und kann weitreichende Konsequenzen für sie haben.
Da Art. 12g keinerlei Ausnahmen von der Verpflichtung vorsieht, gilt sie etwa auch im Fall der Teilnahme an drittstaatlichen Ausschreibungen, was für EU-Wirtschaftsbeteiligte zu einem Ausschluss von einer Teilnahme an derartigen Ausschreibungen führen könnte, da sich das Hineinverhandeln einer „No Russia Clause“ in derartigen Konstellationen schwierig gestalten könnte. Auch drohen Kollisionen mit drittstaatlichen Abwehrgesetzen wie etwa dem chinesischen Blocking Statute. Es bleibt abzuwarten, wie derartige Konflikte künftig aufgelöst werden.