Das Einheitspatent und das Einheitliche Patentgericht kommen!
Das Einheitliche Patentgericht (EPG) ist in die Phase der vorläufigen Anwendung bzw. des sanften Starts eingetreten, nachdem Österreich am 19.01.2022 seine Ratifizierungsurkunde hinterlegt hat. Dies bedeutet, dass Teile des EPG-Übereinkommens bereits in Kraft getreten sind, bevor das neue Gericht seine Arbeit aufnehmen kann. Das Gericht könnte bereits im September 2022 seine Arbeit aufnehmen, aber natürlich sind auch weitere Verzögerungen möglich, so dass Anfang 2023 als der derzeit wahrscheinlichste Starttermin erscheint. Gleichzeitig mit der Aufnahme der Tätigkeit des Gerichts wird das Europäische Patentamt (EPA) mit der Erteilung von Einheitspatenten beginnen.
Das Einheitspatent
Das Einheitspatent (europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung) wird ein einziges Patent sein, das eine Reihe von teilnehmenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) abdeckt. Das Einheitspatent ist ein Patent, das vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilt wird. Im Gegensatz zum bisherigen europäischen Patent (Bündelpatent), mit dem es nicht verwechselt werden darf, bedarf das Einheitspatent keiner nationalen Validierung, denn es gilt unmittelbar und einheitlich in allen teilnehmenden Staaten, und die Übersetzungserfordernisse sind stark reduziert, was die Kosten bei der Erteilung senken wird. Dies ist ein erheblicher Vorteil gegenüber dem europäischen Patent, das nicht einheitlich für die gesamten Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens gilt und nach der Erteilung in einzelne nationale Schutzrechte zerfällt, so dass separate nationale Jahresgebühren zu zahlen sind, um das europäische Patent in jedem einzelnen Land aufrecht zu erhalten. Einheitspatente werden hingegen sowohl im Erteilungsverfahren als auch im weiteren Verlauf ihrer Existenz zu Kosteneinsparungen führen, da für sie immer nur eine einzige Jahresgebühr zu entrichten ist.
Das Einheitliche Patentgericht
Das EPG wird die ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit für Entscheidungen über das neue Einheitspatent haben und damit ein einziges Forum für europaweite Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren bieten. Die Zuständigkeit des EPG wird sich auch auf alle bereits vom EPA erteilten europäischen Patente erstrecken, es sei denn, es wird vom Patentinhaber ein Opt-out beantragt, der das jeweilige europäische Patent dann dem EPG entzieht. Bei einem Opt-out verbleibt das europäische Patent im derzeitigen System, in dem Rechtsstreitigkeiten von Staat zu Staat vor den nationalen Gerichten ausgetragen werden müssen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Patentinhaber in den nächsten drei bis neun Monaten auf das Opt-out-Verfahren vorbereiten müssen.
Während 24 Staaten am EPG-Projekt beteiligt sind (die EU ohne Spanien, Polen und Kroatien), wird das EPG wahrscheinlich vom ersten Tag an eine Teilmenge von 17 dieser Länder abdecken. Das EPG dürfte daher ein attraktives Forum für Patentinhaber werden, die eine einzige Entscheidung über die Durchsetzung in mehreren teilnehmenden Mitgliedstaaten wünschen.
Wie geht es weiter mit dem Einheitspatent?
Nachdem Österreich als der letzte EU-Mitgliedstaat dem Protokoll über die vorläufige Anwendung des EPG-Übereinkommens zugestimmt hat, konnte nun die sog. Soft-Start-Phase beginnen. Die Soft-Start-Phase könnte ca. acht Monate dauern und soll es ermöglichen, Personal und Richter für das EPG einzustellen und die zugrundeliegenden Systeme für das neue Gericht vorzubereiten. Das Gericht könnte also jederzeit ab September 2022 mit seiner Arbeit beginnen. Sobald das neue Gericht seine Arbeit aufgenommen hat, wird es Streitigkeiten über alle vom EPA erteilten Patente verhandeln. Einheitspatente können dann vom EPA erteilt werden. Das Erteilungsverfahren erfolgt nach dem bestehenden Verfahren für europäische Patente. Da es nun noch einige Monate dauern wird, bis das EPG seine Arbeit aufnimmt und damit das EPA Einheitspatent erteile kann, hat das EPA eine "Sunrise"-Periode angekündigt. Anmelder können so bereits mehrere Monate vor seiner formellen Verfügbarkeit ein Einheitspatent beantragen und dessen Erteilung aufschieben, bis das Einheitspatent tatsächlich verfügbar ist.
Trotz der Vorteile des Einheitspatents werden Erfinder in Zukunft aber weiter auch das europäische Patent nutzen, so dass die herkömmliche nationale Validierung auch im neuen System häufig erforderlich sein wird. Denn europäische Patente können für jedem der 38 Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) beantragt werden. Dabei handelt es um alle EU-Staaten sowie 11 weiterer Staaten. Das Einheitspatent basiert dagegen auf EU-Gesetzgebung und steht daher nur, wie oben erläutert, in den teilnehmenden EU-Staaten zur Verfügung und damit nur in den EU-Staaten, die das entsprechende Abkommen ratifiziert haben. Daher wird auch in Zukunft die Anmeldung eines europäischen Patents notwendig sein, wenn Patentschutz bspw. in Spanien, der Schweiz oder Großbritannien gewünscht ist.
Eine weitere Überlegung, die Erfinder bei der Entscheidung für ein Einheitspatent anstellen müssen, ist die Tatsache, dass Rechtsstreitigkeiten über Einheitspatente nur vor dem EPG verhandelt werden können. Die zentrale Durchsetzung in allen Staaten, für die das Einheitspatent gilt, kann ein erheblicher Vorteil sein, wenn Patente in mehreren Staaten in Europa durchgesetzt werden sollen. Anstatt mehrere Klagen bei verschiedenen nationalen Gerichten einreichen zu müssen, die zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen können und nur jeweils für ihr nationales Territorium kompetent sind, kann beim EPG eine einzige, zentrale Klage zur Durchsetzung des Einheitspatents eingereicht werden. Die Möglichkeit der zentralen Durchsetzung birgt allerdings auch das Risiko eines zentralen Widerrufs. Denn zur Verteidigung gegen eine solche Klage kann der Bestand des Patents in Frage gestellt werden. Folgt dem ein Gericht, vernichtet es das Patent insgesamt und nicht nur für einen einzelnen Staat, so wie dies beim europäischen Patent der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund gilt es daher für Inhaber von europäischen Patenten eine wichtige Entscheidung zu treffen. Denn während der "Sunrise"-Periode können Patentinhaber ihre bereits erteilten europäischen Patente aus der Zuständigkeit des EPG herausnehmen. Geschieht dies nicht, wird das EPG dann neben dem Einheitspatent auch für diese europäischen Patente ausschließlich zuständig sein, mit allen Vor- und Nachteilen, die dies für Patentinhaber haben kann. Die Vorbereitung auf das Opt-out-Verfahren sollte daher das Hauptaugenmerk aller Patentinhaber sein, da ein Opt-out zu erklären ist, bevor das EPG seine Arbeit beginnt.
Insgesamt kann das Einheitspatent den Erfindern daher Vorteile im Hinblick auf einen Patentschutz zu geringeren Kosten für die Erlangung eines umfassenden geografischen Schutzes bieten. Dieser Vorteil geht mit dem weiteren Vorteil der zentralen Durchsetzung einher, allerdings mit dem Risiko eines zentralen Widerrufs durch das EPG. Patentinhaber, die nicht möchten, dass bereits erteilte europäische Patente in die Zuständigkeit des EPG fallen, sollten sich darauf vorbereiten, diese aus dem Anwendungsbereich des EPG herauszunehmen.