Das Einheitspatent und das Einheitliche Patentgericht sind an den Start gegangen
Mit einer Festveranstaltung zur Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts mit seiner Lokalkammer in Düsseldorf wurde am 19.06.2023 beim Oberlandesgericht Düsseldorf der Start in eine neue Ära gefeiert.
Seit dem 01.06.2023 hat das Einheitliche Patentgericht seine Arbeit aufgenommen. In einem für alle beteiligten EU-Mitgliedstaaten einheitlichen Verfahren wird dieses Gericht zukünftig über die Verletzung und Gültigkeit von Einheitspatenten und europäischen Patenten entscheiden. Es handelt sich dabei um das erste wahrhaft europäische Gericht, das in dieser Form seinesgleichen sucht. Denn das Gericht ist nicht in einem einzelnen EU-Mitgliedstaat gelegen. Vielmehr finden sich die verschiedenen Kammern und Instanzen des Gerichts in vielen verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. So gibt es für das Gericht in der 1. Instanz eine Zentralkammer in Paris mit einer Abteilung in München, aber auch Lokalkammern u.a. in Hamburg, Düsseldorf, Wien, Mailand und vielen anderen Orten in den Mitgliedstaaten. Schließlich gibt es aber auch eine Regionalkammer, in der sich Schweden und die baltischen Staaten zu einem gemeinsamen Gerichtsstandort zusammengeschlossen haben. Das Berufungsgericht, die 2. Instanz sitzt wiederum in Luxemburg.
Der Vorteil dieses Gerichts ist, dass Patentinhaber zukünftig nur noch das Verfahren vor diesem Gericht betreiben müssen, um ihr Patent in allen Staaten durchsetzen zu können, die an diesem Gerichtssystem teilnehmen. Zuvor musste ein Patentinhaber in jedem einzelnen Mitgliedstaat ein gesondertes Verfahren durchführen. Neben den dadurch verursachten Kosten schreckten die Patentinhaber auch die unterschiedliche Dauer der Verfahren in den jeweiligen Staaten und die Möglichkeit abweichender Entscheidungen für vermeintlich gleichgelagerte Sachverhalte. Diese Nachteile will das neue System nun beseitigen. Das Einheitspatent gilt in allen Mitgliedstaaten, die teilnehmen, einheitlich, ohne dass es zu inhaltlichen Abweichungen kommen kann. Das Einheitliche Patentgericht sorgt außerdem dafür, dass dieses Einheitspatent dann auch in einem einheitlichen Verfahren für allen Staaten unmittelbar durchgesetzt werden kann. Eine Beschäftigung mehrerer nationaler Gerichte wird nicht mehr notwendig sein.
Trotz dieser Vorteile bleibt aber abzuwarten, ob und wie sich dieses neue System durchsetzt. Denn neben den offensichtlichen Vorteilen hat das System auch einige Nachteile, die dazu führen können, dass Patentinhaber weiter auch die nationalen Patentsysteme nutzen werden, die parallel bestehen bleiben. Ein wesentlicher Nachteil des Systems ist dabei, dass nicht alle EU-Mitgliedsstaaten an diesem System teilnehmen. So haben sich Spanien, Polen und Kroatien gegen eine Teilnahme entschieden. Weitere Staaten haben das Abkommen zwar unterzeichnet, sich aber bislang noch nicht zu einer Teilnahme am System entscheiden können. Zu diesen Staaten gehören Irland, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Griechenland und Zypern. Statt der erhofften Einheit, die das Patent auch im Namen trägt, bleibt es daher zunächst bei einem Flickenteppich. Will ein Patentinhaber in der gesamten EU seinen Patentschutz durchsetzen, muss er doch wieder eine Vielzahl von unterschiedlichen Gerichten in den jeweiligen Mitgliedstaaten bemühen. Angesichts der derzeit noch geringen einheitlichen Wirkung und der gleichzeitig hohen Kosten des neuen Verfahrens, könnten Patentinhaber daher doch wieder auf die bislang übliche Strategie verfallen, nur in einigen ausgewählten Jurisdiktionen ihre Patente durchzusetzen und im Übrigen darauf zu vertrauen, dass dort erlangte Urteile auch in den anderen Staaten eine ausreichende, abschreckende Wirkung haben.
Ein weiterer Nachteil, der viel Patentinhaber von einem Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht abhalten könnte, ist schließlich die Verteidigungsmöglichkeit, die sich einem Beklagten bietet. Denn im Verfahren kann auch die Nichtigkeit des Einheitspatents beantragt werden. Sollte das Einheitliche Patentgericht feststellen, dass das Patent tatsächlich nichtig ist, so erklärt es das Einheitspatent insgesamt und damit für alle Mitgliedstaaten als nichtig. Der Patentinhaber riskiert also, dass er durch ein Verfahren seinen Patentschutz in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten verliert. Dies kann ihn dazu bewegen, doch zunächst nur in einzelnen Staaten ein jeweils nationales Patent durchzusetzen, weil ein Verlust des Patents dort eben auch nur dort zu einer Lücke im Patentschutz führt.
Daraus zeigt sich, dass den unbestreitbaren Vorteilen, die das neue System des Einheitspatents und des Einheitlichen Patentgerichts bieten, auch beachtlichen Nachteile gegenüberstehen. Die nächsten Jahre werden daher zeigen, ob sich das neue System so etablieren kann, dass es als wertvoller Baustein eines effektiven Schutzes des geistigen Eigentums von Unternehmen wahrgenommen wird. In jedem Fall steht den Unternehmen aber nun eine weitere Möglichkeit zur Verfügung, ihre Patente zu schützen. Ob und welche Variante des Schutzes in Anspruch genommen wird, ob entweder die Durchsetzung eines nationalen Patents oder die Inanspruchnahme des Einheitlichen Patentgerichts vorteilhafter ist, sollte dann immer im konkreten Fall geprüft werden.