Die Auswirkungen der Gasknappheit auf Mietverhältnisse
In Bezug auf eine drohende Gasknappheit werden gegenwärtig unterschiedliche Szenarien diskutiert. Wie realistisch diese sind und welche Auswirkungen die (drohende) Gasknappheit auf gewerbliche Mietverträge haben kann, erörtert dieser Beitrag.
A. Energiewirtschaftsrechtliche Einordnung
Aufgrund der bereits seit einigen Monaten angespannten Liefersituation für Gas hat die Bundesregierung am 30. März 2022 die Frühwarnstufe und am 23. Juni 2022 die Alarmstufe des für Deutschland bestehenden „Notfallplan Gas“ ausgerufen. Damit wird das Ziel verfolgt, durch marktbasierte Maßnahmen, wie die Befüllung der Gasspeicher, die Gasversorgung in Deutschland aufrecht zu erhalten. Unabhängig davon, ob die Bundesregierung als dritte und letzte Stufe die sog. Notfallstufe des nationalen Notfallplan Gas ausruft, wird trotz aller derzeitigen Bemühungen in den Wintermonaten Gasknappheit herrschen. Daher ist wichtig zu wissen, dass Gasversorgungsunternehmen auf jeder Stufe des Notfallplan Gas gemäß des derzeit geltenden § 53a Energiewirtschaftsgesetz verpflichtet sind, die Versorgung von bestimmten Kundengruppen mit Gas sicherzustellen. Zu diesen Kunden gehören neben grundlegenden sozialen Diensten, wie zum Beispiel Krankenhäusern, vor allem Letztverbraucher, die Gas überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für den Jahresverbrauch von 10.000 kWh nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen. Geschützt sind außerdem sogenannte lastprofilversorgte Kunden, also Letztverbraucher an die stündlich maximal 500 kWh und jährlich maximal 1,5 Millionen kWh Gas ausgespeist werden. Ob und inwieweit der Schutz dieser Kundengruppen zu Gunsten der Industrie geändert werden soll, wird derzeit ebenso kontrovers diskutiert wie die Frage, ob der Staat das Einsparen von Gas mit Zwangsmaßnahmen herbeiführen soll, wie z.B. eine gesetzlich vorgeschriebene Drosselung der Heizungstemperatur für Wohnungen. Nach dem am 20. Juni 2022 von der EU-Kommission vorgestellten „Plan zur Senkung der Gasnachfrage“ sollen jedenfalls die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, ihren Gasverbrauch bis März 2023 um 15 % zu senken.
B. Gasknappheit als Mietmangel
Für die Frage, ob ein Mietmangel bei Unterschreiten gewisser „Wohlfühltemperaturen“ aufgrund der Gasknappheit nur unzureichend möglicher Beheizbarkeit der Mietfläche vorliegt, kommt es ganz erheblich darauf an, ob der Mieter oder der Vermieter die Verantwortung für die Beheizung übernommen hat.
I. Heizpflicht bei Vermieter
Trifft den Vermieter die Heizpflicht, liegt bei Unterschreiten einer adäquaten Raumtemperatur ein Mietmangel im Sinne des § 536 BGB vor. Von einer Heizverpflichtung des Vermieters ist immer dann auszugehen, wenn diese nicht auf den Mieter übertragen wurde. Was unter einer „adäquaten Raumtemperatur“ zu verstehen ist, wird durch die Rechtsprechung in Abhängigkeit von dem auf der Mietfläche betriebenen Gewerbe beurteilt. Ein Anknüpfungspunkt für die zu gewährleistenden (Mindest-)Temperaturen können die Arbeitsschutzvorschriften bieten. Diese liegen in der Regel zwischen 19°C und 21° C.
II. Rechtsfolge
Als Rechtsfolge kommen bei Vorliegen eines Mietmangels (i) eine Mietminderung (§ 536 BGB) (ii) ein Schadensersatzanspruch (§ 536a Abs. 1 BGB) sowie (iii) ein Aufwendungsersatzanspruch bei Selbstvornahme durch den Mieter (§ 536a Abs. 2 BGB) in Betracht.
1. Mietminderung
Die Höhe der Mietminderung ist maßgeblich davon abhängig, wie stark eine adäquate Temperatur unterschritten wurde und ob die Unterschreitung während oder außerhalb der sogenannten Heizperiode (Oktober bis April) erfolgt.
2. Schadensersatzanspruch
Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 536a Abs. 1 BGB setzt ein Verschulden des Vermieters voraus. Als Schäden kommen u.a. Kosten für Heizalternativen und ein etwaig entgangener Gewinn in Betracht. Die Beweislast, dass die Schäden auf der unzureichenden Beheizung beruhen, trifft dabei den Mieter.
3. Selbstbeseitigungsrecht / Aufwendungsersatz
Sofern der Vermieter mit der Mangelbeseitigung (unzureichende Temperatur) in Verzug gerät, ist der Mieter grundsätzlich berechtigt, den Mangel selbst zu beseitigen und die Kosten von dem Vermieter im Wege eines Aufwendungsersatzanspruches zurückerstattet zu verlangen. Dabei muss der Mieter sichergehen, dass er dem Erforderlichkeitsgrundsatz Rechnung trägt und die etwaig erforderlichen Arbeiten ordnungsgemäß, beispielsweise unter Einhaltung des Brandschutzes, ausführen lässt.
4. Ausschluss und Beschränkung der Haftung
Die Haftung könnte vertraglich jedoch erheblich beschränkt sein. Die Wirksamkeit derartiger Ausschlüsse und Beschränkungen sowie der genaue Umfang sind im Einzelfall zu prüfen.
III. Direktbezug durch den Mieter
Wurde die Heizpflicht auf den Mieter übertragen, ist ein Mietmangel nicht gegeben. Hat der Mieter die Heizpflicht übernommen, hat er zudem dafür Sorge zu tragen, dass es zu keinen Schäden an der Mietsache kommt und so ggf. (insbesondere zur Bekämpfung von Frostschäden) für eine Ersatzbeheizung zu sorgen. Verletzt der Mieter diese Pflicht, macht er sich hinsichtlich daraus entstehender Schäden schadensersatzpflichtig machen, sofern ihn ein Verschulden trifft.
C. Handlungsempfehlung aus immobilienrechtlicher Sicht
Sowohl Vermieter als auch Mieter sollten prüfen, wen etwaige Heizpflichten unter den bestehenden Mietverträgen treffen und ob etwaige Haftungsausschlüsse bzw. Beschränkungen vereinbart sind. Zudem ist zu prüfen, ob die Anschaffung von Ersatzheizgeräten sinnvoll bzw. erforderlich sein kann, um im Falle eines Falles eine Ersatzbeheizung zu ermöglichen.
D. Handlungsempfehlung aus energiewirtschaftsrechtlicher Sicht
Unabhängig davon, ob gesetzliche Zwangsmaßnahmen eingeführt werden, sollten Gasverbraucher jedenfalls überlegen, wie sie ihren Verbrauch reduzieren können. Denn die Gaspreise werden (weiter) stark ansteigen. Dieser Umstand sollte frühzeitig in der Finanzplanung berücksichtigt werden. Gasverbraucher, die nicht zu einer der geschützten Kundengruppe im Sinne des § 53a EnWG gehören, sollten sich zudem mit verschiedenen Szenarien einer verringerten Gasbelieferung auseinandersetzen und ggfls. ihren Netzbetreiber sowie die zuständigen Behörden über ihre Ergebnisse in Kenntnis setzen.