Die neue Novel Food-Verordnung
Seit dem 1. Januar 2018 gilt die Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel (Novel Food-Verordnung). Wir liefern einen ersten Überblick über die wesentlichen Änderungen und Neuregelungen.
Die Novel Food-Verordnung tritt an die Stelle der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission. Der europäische Gesetzgeber wollte damit nach fast 20 Jahren die Bestimmungen über neuartige Lebensmittel an die neuesten Entwicklungen im Unionsrecht sowie den technologischen Fortschritt anpassen. Auch das bislang vorgeschriebene Genehmigungsverfahren sollte vereinfacht werden.
Neuartige Lebensmittel
Wie schon die Vorgängerregelungen betrifft auch die neue Novel Food-Verordnung das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel in der Europäischen Union. Neuartige Lebensmittel sind nach der neugefassten und im Vergleich zur alten Regelung klarer formulierten Begriffsbestimmung solche Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in eine der in der neuen Novel Food-Verordnung aufgezählten Kategorien fallen. Exemplarisch zu nennen sind Lebensmittel, die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen und Lebensmittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen oder daraus erzeugt wurden. Praktische Beispiele sind etwa Algenöl (Öl aus der Mirkoalge Ulkenia sp.) als Zutat für Backwaren, Speisefette und -öle, Riegelerzeugnisse und Getränke, Teile der Pflanze Stevia rebaudiana Bertoni als Süßungsmittel oder Chia-Samen. Aufgrund der Aufnahme von Lebensmitteln, die aus Tieren oder deren Teilen bestehen, können nun auch Insekten in den Anwendungsbereich der Novel Food-Verordnung fallen.
Zulassung neuartiger Lebensmittel und Unionsliste
Das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel in der Europäischen Union setzt weiterhin ein Zulassungsverfahren voraus. Voraussetzung für die Erteilung einer Zulassung ist insbesondere, dass das Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringt und Verbraucher durch die beabsichtigte Verwendung nicht irrgeführt werden.
Wer ein neuartiges Lebensmittel in Verkehr bringen möchte, muss nunmehr einen Antrag direkt an die Europäische Kommission stellen, die eine Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anfordern kann. Damit ist das Erfordernis entfallen, zunächst einen Antrag in dem Mitgliedstaat zu stellen, in dem das neuartige Lebensmittel erstmals auf den Markt gebracht werden soll. Die damit einhergehende Erstprüfung auf mitgliedstaatlicher Ebene ist nicht mehr vorgesehen.
Die Zulassung erfolgt entgegen der früheren Regelung allgemein und nicht wie bislang antragstellerbezogen. Überdies besteht die Möglichkeit, das Zulassungsverfahrens auszusetzen.
Ebenfalls neu eingeführt wurde die sog. Unionsliste, in die die Europäische Kommission sämtliche zugelassene neuartige Lebensmittel aufnimmt. Bereits zugelassene neuartige Lebensmittel werden in die Unionsliste überführt. Nur zugelassene und in dieser Liste genannte Lebensmittel dürfen in Verkehr gebracht werden.
Besondere Bestimmungen für traditionelle Lebensmittel aus Drittländern
Für solche Lebensmittel, die aus einem Drittland stammen und dort nachgewiesenermaßen als sicheres Lebensmittel verwendet werden, gelten nach der neuen Novel Food-Verordnung besondere Bestimmungen. Vorausgesetzt wird, dass das Lebensmittel in einem Drittland eine mindestens 25 Jahre lange Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel hat. Hierzu muss es Bestandteil der üblichen Ernährung einer bedeutenden Anzahl von Personen in mindestens einem Drittland sein. Ist dies der Fall, genügt zunächst die Meldung des Inverkehrbringens an die Kommission. Lediglich wenn das Meldeverfahren nicht erfolgreich war, weil hinreichend begründete, die Sicherheit des traditionellen Lebensmittels in Frage stellende Umstände vorliegen, ist ein Antrag auf Zulassung des Lebensmittels zu stellen.
Bewertung und Ausblick
Insgesamt geht die neue Novel Food-Verordnung im Hinblick auf die Regelungsdichte und -tiefe deutlich über ihre Vorgängerrechtsakte hinaus. Eine Beschleunigung und Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens ist durchaus angelegt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Erleichterungen für traditionelle Lebensmittel aus Drittländern. Ob sich die neue Begriffsbestimmung und die Verfahrensregelungen in der Praxis bewähren, muss sich zeigen.
Sandra Fröhlich, Rechtsanwältin
Hamburg