Die private Nutzung des Dienstwagens: Widerruf und Arbeitsunfähigkeit
Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - wie üblich - das Recht ein, den Dienstwagen privat zu nutzen, stellt dies nicht nur steuerlich einen Gehaltsbestandteil, also einen geldwerten Vorteil bzw. Sachbezug, dar. Vielmehr ist der Arbeitgeber auch berechtigt, bei einer über den Entgeltfortzahlungszeitraum (6 Wochen) hinausgehenden Krankheit des Arbeitnehmers diesem den Dienstwagen für die weitere Zeit der Arbeitsunfähigkeit zu entziehen. Zum ersten Mal seit langem hat so das Bundesarbeitsgericht (BAG) bei den häufig zu entscheidenden Fragen über die Dienstwagennutzung und deren Widerruf zugunsten des Arbeitgebers entschieden.
An sich sollte man denken, dass eine halbwegs rechtssichere Vereinbarung zur Überlassung eines Dienstwagens an einen Mitarbeiter auch zur privaten Nutzung mit nicht allzu vielen Schwierigkeiten verbunden ist: Wenn der Arbeitnehmer ein Fahrzeug benötigt, soll er es bekommen; wenn der Arbeitgeber dies als incentive oder als zusätzliche Firmenbindung ausgestalten möchte, soll eine solche Regelung einschließlich der privaten Nutzung ebenfalls einfach zu formulieren sein. Anders das BAG. In einer Reihe von Entscheidungen allein seit dem Jahre 2002 hat sich das Gericht immer wieder mit Dienstwagen-Vereinbarungen beschäftigt und eine Reihe von Regelungen und Dispositionsmöglichkeiten des Arbeitgebers für unwirksam erachtet. Am 14.12.2010 hat es seit langer Zeit erstmals zugunsten des Arbeitgebers entschieden.
Hauptproblem sämtlicher Dienstwagen-Vereinbarungen ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Dienstwagen bei einer erlaubten privaten Nutzung wieder entzogen werden kann. Üblicherweise wurden früher dazu Formulierungen wie „der Arbeitgeber behält sich vor, die Privatnutzung des Dienstwagens jederzeit zu widerrufen“ gewählt. Ein solcher „freier Widerruf“ fand aber schon vor der Schuldrechtsreform 2002 nicht die ungeteilte Zustimmung des BAG. Das Gericht entschied z. B. im Jahre 2000, dass ein Widerruf von Sonderleistungen nur in den Grenzen „billigen Ermessens“ ausgeübt werden dürfe, d. h., wenn die beiderseitigen Interessen der Vertragspartner berücksichtigt werden (BAG vom 15.08.2000, AZ 1 AZR 458/99). Diese noch relativ weite Auslegung ist seit der Schuldrechtsreform erheblich eingeschränkt worden. Juristischer Hintergrund ist der, dass Formulararbeitsverträge - wozu Dienstwagenvereinbarungen meist gehören - einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, also z. B. einer Kontrolle auf Ausgewogenheit und Klarheit, unterliegen. D. h. kurz gesagt, es muss angegeben werden, aus welchen Gründen ein Widerruf möglich ist. Solche Gründe wurden zunächst einer Entscheidung des BAG aus dem Jahre 2005 (BAG vom 12.01.2005 5 AZR 364/04) entnommen. Darin war u.a. auf die dann häufig gewählte Formulierung „wirtschaftliche Gründe“ Bezug genommen. Auch dies hat aber seit der dazu jüngsten Entscheidung aus dem Jahre 2010 keinen Bestand mehr (BAG vom 13.04.2010, 9 AZR 113/09). Dort entschied das Gericht durchaus nachvollziehbar, dass „wirtschaftliche Gründe“ eher eine Leerformel seien und nicht genügend die Belange des Arbeitnehmers berücksichtigen würden. Dies entspricht grundsätzlich der Auslegung zu sonstigen Zulagen, Sonderzuwendungen o. ä. zum Arbeitsvertrag.
Als Konsequenz dieses Gedankens, dass ein Dienstwagen wie andere Zulagen zum Arbeitsentgelt zu behandeln ist, hat das BAG in seinem Urteil vom 14.12.2010 nun aber auch sozusagen andersherum - und zugunsten des Arbeitgebers - entschieden: Selbst ohne konkrete Regelung über den auch zeitweisen Widerruf ist die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung als Teil der Arbeitsvergütung nur so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber überhaupt das Arbeitsentgelt schuldet. Dieses Entgelt schuldet der Arbeitgeber aber bei Arbeitsunfähigkeit regelmäßig nur im Rahmen der regelmäßig 6-wöchigen Entgeltfortzahlungspflicht (§ 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz). Folglich hatte das Gericht keine Bedenken, dass nach dem Wegfall der Entgeltfortzahlungspflicht, im konkreten Fall eben nach 6 Wochen, der Dienstwagen für den weiteren Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit zurückzugeben ist und kein Recht zur privaten Nutzung mehr besteht
Für die Praxis bedeutet dies: Bei neu abzuschließenden Dienstwagen-Vereinbarungen sind Widerrufsgründe möglichst konkret aufzuführen und dem Einzelfall der Arbeitsverhältnisse anzupassen. Sie müssen demnach jeweils sorgfältig bedacht werden. Als Teil des Arbeitsentgeltes ist die private Nutzung eines Dienstwagens aber während lang andauernder Arbeitsunfähigkeit nicht geschuldet.
(BAG Urteil vom 14.12.2010, AZ 9 AZR 631/09)
Dr. Holger Kühl LL.M., Rechtsanwalt, Berlin