Die Vorstellungen der Bundesnetzagentur für eine Weiterentwicklung des Regulierungsrahmens
Mitte Januar 2024 hat die Bundesnetzagentur ein „Eckpunktepapier“ veröffentlicht, in dem sie ihre Vorstellungen für eine Weiterentwicklung des Regulierungsrahmens skizziert. Das Eckpunktepapier ist vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils aus dem Jahr 2021 und der daraufhin erfolgten Novellierung des EnWG mitsamt der „Regulierungsverordnungen“ zu sehen. Seitdem sieht sich die Bundesnetzagentur keiner gesetzgeberisch vorstrukturierten Regulierung mehr gegenüber. Dies bringt der Bundesnetzagentur neben deutlich mehr Freiheit auch mehr Verantwortung. Sie hat den Regulierungsrahmen nicht nur auszugestalten, sondern zukunftsfest weiterzuentwickeln. Das Eckpunktepapier ist hierzu der erste Schritt.
Warum eine Weiterentwicklung des Regulierungsrahmens?
Die Bundesnetzagentur verweist in dem Eckpunktepapier zu Recht darauf, dass sich durch die zunehmend beschleunigte Energiewende die Anforderungen an die Netzbetreiber und damit auch an die Regulierung in den letzten Jahren spürbar verändert haben. Geht es bei den Stromnetzbetreibern um den bedarfsgerechten Ausbau der Netze und den Umgang mit volatiler Einspeisung, stehen die Gasnetzbetreiber vor der Herausforderung, dem Wandel hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung insbesondere durch die Umstellung ihrer Netze auf den Transport von Wasserstoff Rechnung zu tragen. Die dafür benötigten massiven Investitionen bedürfen nicht nur flexibler Refinanzierungskonzepte, sondern sind auch mit der Preisgünstigkeit der Energieversorgung in Einklang zu bringen.
Wie soll es in der Anreizregulierung weitergehen?
- Nach Auffassung der Bundesnetzagentur hat sich das Grundkonzept der Anreizregulierung – Entkopplung von Kosten und Erlösen, verbunden mit einem Effizienzvergleich, soweit nicht das vereinfachte Verfahren gewählt wird – bewährt. Sie plädiert daher dafür, dieses Grundkonzept beizubehalten und nicht hin zu einem cost plus- oder Yardstick-Ansatz zu verschieben.
- Dagegen spricht sich die Bundesnetzagentur für eine Verkürzung der Regulierungsperioden von fünf auf drei Jahre aus. Damit will es die Bundesnetzagentur den Netzbetreibern ermöglichen, steigende OPEX-Kosten zeitnaher in den Netzentgelten abbilden und refinanzieren zu können. Bei den CAPEX-Kosten stellt sich diese Frage wegen des Kapitalkostenabgleichs nicht in dem Maße. Kürzere Regulierungsperioden sollen Anpassungen innerhalb der Regulierungsperiode über die Kategorien der dauerhaft nicht beeinflussbaren und volatilen Kosten jedoch nicht ausschließen.
Die Bundesnetzagentur weist aber darauf hin, dass kürzere Regulierungsperioden eine Verschlankung der Prüfprozesse erfordern. Insoweit sieht sie bei der Prüfung der „Besonderheiten des Geschäftsjahres“ Potential, beispielsweise durch eine stärkere Durchschnittsbildung.
- Auch wenn die Bundesnetzagentur die Kategorie der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten beizubehalten plant, soll der Katalog angepasst werden. Denn nach Auffassung der Bundesnetzagentur führt der Katalog der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten in seiner jetzigen Form „zu bürokratischen Datenmeldungs- und Anpassungsverfahren und setzt Fehlanreize“. Als entscheidend für die Frage, welche Kosten als dauerhaft nicht beeinflussbar gelten sollen, sieht die Bundesnetzagentur deren „Werthaltigkeit […] (finanzielle Bedeutung der Position ‚der Höhe nach‘)“ und Exogenität an.
- Bereits seit geraumer Zeit wird über Notwendigkeit und Höhe des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors diskutiert. Die Bundesnetzagentur nimmt diese Diskussion auf, wenngleich sie einer Abschaffung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors skeptisch gegenübersteht. Geprüft werden sollen aber jedenfalls Optimierungspotenziale bei der Bestimmung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors.
- Der Effizienzvergleich soll als Teil des beizubehaltenden Grundkonzepts der Anreizregulierung (siehe oben) Bestand haben. Während die Bundesnetzagentur für den Strombereich nur eine – nicht näher erläuterte – Weiterentwicklung als notwendig ansieht, hält sie für den Gasbereich perspektivisch einen Wegfall des Effizienzvergleichs für denkbar. Dies beruht auf der Erwägung, dass es hier zu einem allenfalls begrenzt beeinflussbaren Rückgang der Netznutzerzahlen kommen wird. Daher solle vor Beginn jeder Regulierungsperiode die Anwendbarkeit des Effizienzvergleichs geprüft werden.
- Schließlich überlegt die Bundesnetzagentur, das Qualitätselement Strom so weiterzuentwickeln, dass die „Energiewendekompetenz“ der Netzbetreiber Berücksichtigung findet. Belohnt werden soll Engagement bei der Anpassung der Stromnetze an die Notwendigkeiten der Energiewende. Als geeignete Indikatoren hierfür zieht die Bundesnetzagentur die Geschwindigkeit bei der Realisierung von Netzanschlüssen oder die Häufigkeit der Abregelung von Erzeugungsanlagen und steuerbaren Verbrauchseinrichtungen in Betracht.
Was ist bei der Bestimmung der Netzkosten geplant?
- Für die Bewertung des Sachanlagevermögens werden bei Alt- und Neuanlagen verschiedene Methoden angewendet: die Nettosubstanzerhaltung für Altanlagen und die Realkapitalerhaltung für Neuanlagen. Dies bedingt nach Auffassung der Bundesnetzagentur nicht nur eine gewisse Intransparenz sowie Komplexität und Bürokratie, sondern mit Blick auf die Fortschreibung der Indexreihen bei der Nettosubstanzerhaltung auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Angesichts dessen hält es die Bundesnetzagentur für sinnvoll, einheitlich die Methode der Realkapitalerhaltung anzuwenden, zumal es im Strombereich nur noch relativ wenige Altanlagen gebe und im Gasbereich die Nettosubstanzerhaltung mit der „absehbaren Stilllegung weiter Teile der Gasinfrastruktur“ nicht mehr zu rechtfertigen sei.
- Änderungsbedarf sieht die Bundesnetzagentur zudem bei den Nutzungsdauern, wiederum aber vorrangig hinsichtlich der Gasnetze. Infolge der Klimaneutralität der Energieversorgung würden die Gasnetze deutlich kürzer als ursprünglich gedacht genutzt. Um den Netzbetreibern einerseits die Amortisation ihrer Investitionen zu ermöglichen und andererseits ein sprunghaftes Ansteigen der Netzentgelte zu vermeiden, sollten die Nutzungsdauern nach Auffassung der Bundesnetzagentur so angepasst werden, dass die Restwerte am Ende der Nutzungsdauer bei null liegen.
Dabei erkennt die Bundesnetzagentur an, dass derzeit noch „erhebliche Unsicherheit über die konkreten Transformationspfade“ herrsche. Sie schlägt daher vor, in einer Übergangsphase ein „eher pauschales“, von den konkreten Anlagen losgelöstes Abschreibungsverfahren anzuwenden.
- Die Bestimmung der Kapitalkosten sollen nach dem Willen der Bundesnetzagentur zukünftig auf Basis des international weit verbreiteten WACC-Ansatzes (Weighted Average Cost of Capital) bestimmt werden. Das derzeitige Verfahren hält die Bundesnetzagentur für zu aufwändig und prüfungsintensiv, zudem motiviere es zu Bilanzoptimierungen. Als denkbar bezeichnet die Bundesnetzagentur ein Modell, „bei dem die kalkulatorischen Restwerte des Anlagevermögens unter Abzug der Baukostenzuschüsse, der Netzanschlusskostenbeiträge sowie der Investitionszuschüsse zzgl. des betriebsnotwendigen Umlaufvermögens bestimmt werden. Dieses Vermögen wird bei einem WACC-Ansatz mit dem pauschalen Kapitalkostensatz verzinst“.
- Zu einer Vereinfachung soll es auch bei der Bestimmung des betriebsnotwendigen Umlaufvermögens kommen, indem in bestimmten Fällen eine pauschale Quote gebildet wird.
- Der Eigenkapitalsatz soll jeweils für mindestens eine Regulierungsperiode und für Alt- und Neuanlagen einheitlich festgelegt werden. Eine jährliche Anpassung ist nicht vorgesehen.
- Schließlich überlegt die Bundesnetzagentur, die Gewerbe- und Körperschaftssteuer nicht mehr auf kalkulatorischer Basis anzuerkennen, sondern die tatsächlich gezahlten Beträge zugrunde zu legen. So würden Netzbetreiber, die keine oder kaum Gewerbe- und Körperschaftssteuer zahlen, nicht bevorteilt.
Wie geht es weiter?
Das Eckpunktepapier bildet den Auftakt zu einem „ausführlichen, ergebnisoffenen Diskussions- und Erörterungsprozess“. Nachdem die Bundesnetzagentur ihre Vorstellungen Anfang Februar 2024 noch einmal in einem persönlichen und digitalen Austausch dargelegt hat, konnten bis Ende Februar 2024 Stellungnahmen hierzu abgegeben werden, die die Bundesnetzagentur in Kürze veröffentlichen will. Für das Jahr 2025 ist dann – nach Auswertung der Stellungnahmen – die Konsultation und der Beschluss der betreffenden Festlegungen geplant.