Drohnenaufnahmen und Urheberrecht
Aus der Luft aufgenommene Fotos sind oft beeindruckender als solche vom Boden. Sie ermöglichen eine neue Perspektive auf die Welt. Seit die Technik es jedem erlaubt, der eine Drohne bedienen kann, sind Fotos oder Videos aus der Vogelperspektive beliebt – und umstritten: Wen oder was darf man fotografieren oder filmen, welche Aufnahmen darf man veröffentlichen? Allgemein bekannt dürfte sein, dass man mit aufnahmefähigen Drohnen nicht ohne Weiteres über Wohngebiete fliegen darf. Einzelheiten regelt die LuftVO, die sich allerdings nicht um Urheberrechte schert. Nicht nur Sicherheitsbedürfnisse und Persönlichkeitsrechte, auch Urheberrechte können durch die Veröffentlichung von Aufnahmen beeinträchtigt sein, die mit Hilfe von Drohnen angefertigt wurden, etwa bei der Veröffentlichung eines Fotos eines urheberrechtlich geschützten Bauwerks. Die Veröffentlichung des Fotos eines Werkes greift an sich ohne Weiteres in die Verwertungsrechte des Urhebers ein.
Allerdings macht das Urheberrechtsgesetz eine Ausnahme, wenn das fragliche Werk sowieso von jedermann und –frau betrachtet werden kann: Die sogenannte „Panoramafreiheit“, geregelt in § 59 UrhG, erlaubt die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Das Werk muss sich dafür an einem oder nacheinander an mehreren öffentlichen Orten, jedenfalls dauerhaft in der Öffentlichkeit befinden. Die Aufnahmen dürfen nach dem Gesetz „durch Lichtbild oder durch Film“ angefertigt werden.
Wie ist es nun, wenn ein solches Kunstwerk mit Hilfe einer Drohne fotografiert und das Foto veröffentlicht wird? Man könnte meinen, dass die Voraussetzungen des § 59 UrhG vorliegen: Eine Drohne fertigt letztlich doch „Lichtbilder“ oder einen „Film“, wie es die Vorschrift erlaubt. So dachte sich das auch ein Verlag, in dessen Büchern – Titel z.B. „Der ultimative Haldenführer“ – sich Abbildungen von Kunstwerken fanden, die eben auf den Halden im Ruhrgebiet aufgestellt waren. Es handelte sich um Installationen mit den Namen „Landmarke Geleucht“, „Spurwerkturm“, „Sonnenuhr mit Geokreuz“, „Nachtzeichen“, „Himmelstreppe“ und „Tetraeder“. Die VG Bild-Kunst, eine die Urheberrechte der Künstler wahrnehmende Verwertungsgesellschaft, zog deswegen vor Gericht: Die Abbildungen und deren Verwertung seien eine unbefugte Benutzung der abgebildeten Werke.
Das OLG Hamm – wie zuvor das Landgericht Bochum – gab der Klage im Wesentlichen statt. Die Anfertigung der Aufnahmen mittels Drohne sei nicht durch die urheberrechtliche Panoramafreiheit gedeckt. Man dürfe, so das OLG nicht nur den Wortlaut des Gesetzes betrachten, sondern müsse auch dessen Sinn und Zweck berücksichtigen. Der Gesetzgeber hatte die „Panoramafreiheit“ so begründet: Die Aufstellung eines Kunstwerks an öffentlichen Orten bringe zum Ausdruck, dass damit das Werk der Allgemeinheit gewidmet sei. Das rechtfertige eine Beschränkung der Rechte des Urhebers in der Weise, dass jeder das Werk abbilden und die Abbildungen verwerten dürfe. Das OLG formuliert es so: Jeder soll verwerten dürfen, was er „von der Straße aus mit eigenen Augen sehen kann, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder im Film“, und zwar aus der Perspektive, die sich ihm von einem öffentlich zugänglichen Ort bietet. Aus der Zugänglichkeit ergibt sich für das Gericht nun aber die Einschränkung der Panoramafreiheit: Die Aufnahmen dürfen nur von öffentlich erreichbaren Orten angefertigt werden, die auf der Erdoberfläche liegen bzw. mit der Erdoberfläche dauerhaft und fest verbunden sind. Die Luft dagegen ist nach Auffassung des OLG Hamm grundsätzlich kein solcher Ort, sie ist ja auch nicht wirklich zugänglich, sondern kann einstweilen nur durch Hilfsmittel wie Leitern, Flugzeuge oder eben Drohnen begangen werden. Bei dieser Sichtweise wäre die Aufnahme von einem befestigten Aussichtsturm aus ohne Weiteres zulässig, die eines von einer Drohne aufgenommenen Fotos aber nicht – selbst wenn das Foto aus exakt derselben Perspektive wie vom Aussichtsturm aufgenommen wurde.
Wer das merkwürdig findet, mag sich vielleicht mit einem Urteil des LG Frankfurt aus dem Jahr 2020 anfreunden, das ein von einer Drohne aufgenommenes Foto der hessischen Lahntalbrücke zum Gegenstand hatte (2-06 O 136/20). Das Landgericht meinte, da die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge gem. § 1 I LuftVG grundsätzlich frei, die Aufnahme von Lichtbildern durch Drohnen mittlerweile grundsätzlich erlaubt und anerkanntermaßen auch vom Wasser aus angefertigte Bilder von der Panoramafreiheit erfasst seien, müsse für die Luft im Prinzip dasselbe gelten.
Der BGH schrieb im Jahr 2017, die „Panoramafreiheit“ erfasse jedenfalls „alle Orte unter freiem Himmel“ (AIDA Kussmund, Urt. v. 27.4.2017, I ZR 247/15). Wie mit Drohnen umzugehen ist, ist daraus nicht zwingend abzuleiten, sie sind ja eher „im“ als „unter“ dem Himmel. Nicht vom Zweck der Regelung umfasst seien aber, heißt es weiter, Aufnahmen des Werkes, die unter Verwendung besonderer Hilfsmittel angefertigt worden sind. Das kommt der Drohne – und der Rechtsauffassung des OLG Hamm – schon etwas näher. Eine weitere Klärung steht aber bevor: Gegen das Urteil des OLG Hamm ist die Revision zum BGH zugelassen und eingelegt worden (Az. I ZR 67/23). Weil eine EU-Richtlinie zum Urheberrecht (2001/29/EG vom 22. Mai 2001 / „Informationsgesellschaft“) sich gleichfalls mit der „Nutzung von Werken […]“ befasst, „die dazu angefertigt wurden, sich bleibend an öffentlichen Orten zu befinden“, wird der BGH die Frage zur richtlinienkonformen Auslegung des § 59 UrhG möglicherweise dem EuGH vorlegen.
(OLG Hamm, Urt. v. 27.4.2023 – 4 U 247/21)