EU-China Investitionsabkommen – Meilenstein oder Enttäuschung?
Am 30. Dezember 2020 haben sich China und die EU nach knapp sieben Jahren auf ein umfassendes Investitionsabkommen geeinigt, das zu einer ausgewogeneren Handelsbeziehung zwischen diesen beiden Partnern führen soll. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen spricht von einem „wichtigen Meilenstein“, aber das Abkommen bleibt nicht ohne Kritik.
Hintergrund
Die EU und China sind füreinander strategische Märkte – täglich werden zwischen ihnen Waren und Dienstleistungen im Wert von über 1 Mrd. € gehandelt. Die gegenseitigen Handels- und Investitionsbeziehungen sind daher für beide Seiten von großer Bedeutung. Gleichwohl ist Chinas Markt seit jeher deutlich restriktiver für ausländische Investoren als die EU. Nicht nur ist der Zugang zu einer Reihe von Sektoren erheblich eingeschränkt, sondern gleichzeitig erfahren europäische Investoren nicht denselben fairen Wettbewerb und dieselbe Transparenz in China, wie chinesische Unternehmen sie auf dem europäischen Markt genießen. Um diese Unausgewogenheit zu beheben und die einzelnen bilateralen Investitionsschutzverträge der EU-Mitgliedstaaten mit China durch ein vereinheitlichtes europäisches Investitionsschutzregime zu ersetzen, wurden bereits 2014 Verhandlungen mit China aufgenommen. Nach sieben Jahren wurde nunmehr eine grundlegende Einigung erzielt, die es europäischen Unternehmen leichter machen soll, in China zu investieren und zu produzieren.
Ziel und Kernelemente des geplanten Abkommens
Das geplante Abkommen („EU-China Comprehensive Agreement on Investment“, kurz „CAI“) wäre das weitreichendste Investitionsabkommen, das China jemals mit einem Drittstaat eingegangen ist. Das CAI zielt insbesondere auf die Schaffung erheblich verbesserter Marktzugangsbedingungen für EU-Unternehmen in China ab. Zugleich sieht es ehrgeizige Verpflichtungen Chinas in den Bereichen Transparenz, Nichtdiskriminierung und Nachhaltigkeit vor. Entsprechende Regelungen für die EU sind bereits im EU-Recht sowie im internationalen WTO-Abkommen GATS verankert.
Beispielloser Marktzugang für EU-Investoren in China
China verpflichtet sich im CAI dazu, Investoren aus der EU einen deutlich umfangreicheren Marktzugang als je zuvor zu gewähren. Dies gilt insbesondere für das sog. „verarbeitende Gewerbe“, dem derzeit wichtigsten Sektor für EU-Investitionen in China. Dies betrifft etwa die Automobilindustrie sowie die Herstellung von Produkten für die Transport-, Gesundheits-, Chemie- und Telekommunikationsindustrie. Daneben geht China außerdem Verpflichtungen für EU-Investitionen in verschiedenen Dienstleistungssektoren ein, etwa Cloud-Dienste, Finanzdienstleistungen, private Gesundheitsversorgung, Umweltdienstleistungen, internationaler Seeverkehr und Dienste im Bereich des Luftverkehrs.
Fairer Wettbewerb und Transparenz
Das CAI soll zugleich zur Schaffung vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen in China beitragen. Neben einem ausdrücklichen Verbot des erzwungenen Technologietransfers soll das CAI zu diesem Zweck vor allem umfassende Transparenzregeln für Subventionen und klare Regeln für das Verhalten staatseigener chinesischer Unternehmen schaffen, damit europäische Unternehmen künftig nicht mehr so leicht diskriminiert werden können. Zudem ist ein besserer Schutz von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen vorgesehen sowie die Abschaffung weiterer wettbewerbsverzerrender Praktiken wie zum Beispiel der für europäische Unternehmen geltenden Joint-Venture-Vorgaben.
Nachhaltige Entwicklung
Es ist das Ziel der EU, mit China eine wertebasierte Investitionsbeziehung einzugehen, die sich auf Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung stützt. Daher ist im CAI vorgesehen, dass China ambitionierte und verbindliche Verpflichtungen in den Bereichen Umwelt, Klimawandel und Bekämpfung der Zwangsarbeit eingeht. China hat in diesem Zusammenhang insbesondere eingewilligt, das Pariser Klimaschutzübereinkommen wirksam umzusetzen sowie der internationalen Konvention gegen die Zwangsarbeit beizutreten.
Bewertung
Die EU-Kommission setzt große Hoffnung darauf, dass das CAI die wirtschaftlichen Beziehungen mit China neu austarieren und die Bedingungen für EU-Unternehmen in China erheblich verbessern wird. Um die Umsetzung der Verpflichtungen durch China sicherzustellen, soll das CAI neben einem regelmäßigen Dialog insbesondere einen robusten Staat-zu-Staat-Streitbeilegungsmechanismus und einen institutionellen Rahmen für die Überwachung der Umsetzung der Verpflichtungen vorsehen. In Bezug auf die nachhaltige Entwicklung soll es einen speziell zugeschnittenen Um- und Durchsetzungsmechanismus mit einem unabhängigen Expertengremium, einem hohen Maß an Transparenz und der Möglichkeit der Beteiligung der Zivilgesellschaft geben.
Kritiker bleiben jedoch skeptisch und sprechen von bloßen „Lippenbekenntnissen“ und einem „zahnlosen Tiger“. Tatsachlich lässt Chinas bisheriger „track record“ bei der Einhaltung internationaler Verpflichtungen eher daran zweifeln, dass die Volksrepublik tatsächlich beabsichtigt, die Vorgaben des Abkommens vollständig umzusetzen. Besonders kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass das Abkommen keine Frist für den Beitritt Chinas zur internationalen Konvention gegen die Zwangsarbeit vorsieht, geschweige denn ein Verbot derselben statuiert. Mehrere Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben daher bereits jetzt ihren Widerstand angekündigt, sollte das Abkommen insoweit nicht geändert werden.
Was passiert als Nächstes?
Der grundsätzliche Abschluss der Verhandlungen ist nur ein erster Schritt im Gesamtprozess. Als Nächstes stehen die Beratungen über die Annahme und Ratifizierung des Abkommens an. Beide Seiten arbeiten derzeit daran, den Wortlaut des Übereinkommens fertigzustellen – ein veröffentlichter Vertragsentwurf liegt bislang noch nicht vor. Anschließend muss der Text juristisch überprüft und übersetzt werden, bevor er dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Annahme vorgelegt werden kann. Dies ist nicht vor Anfang 2022 zu erwarten. Ob das Abkommen in seinem jetzigen Zustand das Europäische Parlament passieren wird, ist bislang eher fraglich. Und selbst wenn dies geschieht, bleibt abzuwarten, ob es die gewünschten Verbesserungen für EU-Investoren in China tatsächlich erreichen kann.
Nina Kunigk, Rechtsanwältin
Marian Niestedt, Rechtsanwalt
beide Hamburg