EuGH ermöglicht grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel
EuGH ermöglicht grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel
Mit seinem Urteil in der Rechtssache Vale (Urteil vom 12.7.2012 - C-378/10) macht der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Weg frei für den grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel.
Unter einem „grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel" versteht man die Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft in ein anders Land, wodurch ein Wechsel des anwendbaren Rechts und der Rechtsform einhergeht. Der Clou eines solchen Rechtsformwechsels ist, dass der Rechtsträger derselbe bleibt. Dies hat in der Praxis den entscheidenden Vorteil, dass die bestehenden Verträge fortgelten und nicht auf eine neue Gesellschaft durch aufwendige Vertragsübernahmen übergeleitet werden müssen. Bildlich gesprochen: Die Gesellschaft legt ihr bisheriges Rechtskleid (des Ursprungsstaates) ab und streift sich das neue Recht (im Aufnahmestaat) über. Dokumentiert wird dieser Vorgang dadurch, dass die Gesellschaft aus dem Register des Ursprungsstaates gelöscht wird und in das Register des Aufnahmestaates eingetragen wird.
Wie wir in der Juni-Ausgabe unseres Newsletters berichtet haben, ist derzeit im deutschen Recht ein grenzüberschreitender Rechtsformwechsel nicht möglich. Diese Rechtspraxis hatte das OLG Nürnberg jüngst bestätigt (Beschluss vom 13. Februar 2012 - Az. 12 W 2361/11). Der EuGH zwingt die deutschen Gerichte nun zum Umdenken.
In dem zugrundeliegenden Fall wollten die Gesellschafter einer italienischen Gesellschaft, der Vale Construzioni Srl, ihre Gesellschaft in eine ungarische Gesellschaft umwandeln. Hierfür hatten sie eine Verlegung des Satzungssitzes nach Ungarn beschlossen und die Eintragung ihrer Gesellschaft als ungarische Gesellschaft beantragt. Dieser Antrag wurde vom ungarischen Registergericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass das ungarische Recht einen Rechtsformwechsel nur für ungarische Gesellschaften vorsehe.
Die Luxemburger Richter stuften die Begründung des ungarischen Registergerichts als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ein. Sieht ein Mitgliedstaat für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer formwechselnden Umwandlung vor, so müsse er diese Möglichkeit auch einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft einräumen, so die Luxemburger Richter.
Damit steht fest: innerhalb der EU ist es nun grundsätzlich möglich, über die Staatsgrenzen hinweg die Rechtsform zu ändern. Europäischen Unternehmern bietet der Formwechsel künftig eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, ihre Geschäfte unkompliziert in ein anderes Land zu verlagern.
Welche Möglichkeiten diese Entscheidung in der Praxis für deutsche Unternehmen eröffnet, erläutert GvW-Partner Eric Messenzehl im Handelsblatt vom 14.8.2012 (Seite 17) sowie in einer ausführlichen Urteilsbesprechung in der aktuellen Ausgabe des Betriebs-Beraters vom 20.8.2012 (Heft 34, Seite 2072-2073).
(EuGH, Urteil vom 12.7.2012 - C-378/10 (Vale))
Benjamin Schwarzfischer, Rechtsanwalt