Europäisierung der körperschaftsteuerlichen Organschaft - Unternehmenssteuerreform 2013
Die Unternehmenssteuerreform 2013, namentlich das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts, ist am 26. Februar 2013 in Kraft getreten (BGBl Teil I 2013 Nr. 9, S. 285). Die Gesetzesänderungen erleichtern die Voraussetzungen zur Bildung von körperschaftsteuerlichen Organschaften mit im EU- und EWR-Ausland gegründeten juristischen Personen des Privatrechts (insbesondere Kapitalgesellschaften). Erstmals lässt nun das Körperschaftsteuergesetz auch solche Gesellschaften als Organgesellschaften zu, die ihren Sitz im EU- oder EWR-Ausland haben.
Hintergrund
Nach bislang geltendem Körperschaftsteuerrecht konnte eine Gesellschaft mit Sitz im EU- oder EWR-Ausland nicht Organgesellschaft sein. Nach §§ 14 Abs. 1 S. 1, 17 KStG a.F. war hierzu ein sogenannter „doppelter Inlandsbezug“ erforderlich. Sowohl der Sitz als auch die Geschäftsleitung einer Organgesellschaft mussten im Inland belegen sein. Eine im EU- oder EWR-Ausland wirksam gegründete Gesellschaft, die zwar den Ort der Geschäftsleitung im Inland hatte und auch im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig war, konnte demnach nicht Organgesellschaft sein.
Die EU-Kommission sah darin richtigerweise einen Verstoß gegen die europarechtlich gewährte Niederlassungsfreiheit sowie das Diskriminierungsverbot für im EU- oder EWR-Ausland gegründete Gesellschaften. Sie stützte ihre Auffassung auf die Rechtsprechung des EuGH zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit von im EU- oder EWR-Ausland wirksam gegründeten Gesellschaften im Inland (insbesondere die Entscheidungen Centros, Überseering und Inspire Art). Die EU-Kommission leitete am 29. Januar 2009 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein (Nr. 2008/4909). Als Reaktion hierauf hat das BMF die Voraussetzung des doppelten Inlandsbezugs mit Schreiben vom 28. März 2011 aufgehoben.
Für den Organträger hingegen war der doppelte Inlandsbezug bereits nach der alten Gesetzeslage keine Voraussetzung. Organträger konnte nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG a.F. jedes beliebige Unternehmen sein, sofern es nur die Geschäftsleitung im Inland hatte. Nach § 18 KStG a.F. konnte dies darüber hinaus eine ausländische beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft sein, sofern diese im Inland eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung unterhielt.
Begriff der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft
Unter einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft versteht man die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung einer zivil- und körperschaftsteuerrechtlich selbständigen juristischen Person („Organgesellschaft“) in ein ihr übergeordnetes Unternehmen („Organträger“). Nach altem und nach neuem Recht sind hierfür weitere Voraussetzungen einzuhalten, insbesondere muss ein mindestens auf fünf Jahre zwischen den Gesellschaften fest abgeschlossener und tatsächlich durchgeführter Gewinnabführungsvertrag bestehen.
Als Folge einer ordnungsgemäß errichteten Organschaft wird dem Organträger das positive und negative Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet. Die körperschaftliche Besteuerung erfolgt ausschließlich auf der Ebene des Organträgers, soweit keine Ausgleichszahlungen zu leisten sind.
Die Vorteile einer ordnungsgemäß errichteten Organschaft liegen auf der Hand: die Steuerbelastung innerhalb eines Konzerns kann durch Verrechnung von Gewinnen und Verlusten auf der Ebene der Organträger zumeist gesenkt werden.
Unternehmenssteuerreform: Doppelter Inlandsbezug entfallen
Durch die Unternehmenssteuerreform 2013 ist die Voraussetzung des doppelten Inlandsbezugs für Organgesellschaften entfallen. Zusätzlich erforderlich ist fortan nur noch eine einzige Verknüpfung mit dem Inland: die Geschäftsleitung der Organgesellschaft muss im Inland ausgeübt werden. Anstelle eines inländischen Gesellschaftssitzes lässt § 14 Abs. 1 S. 1 KStG n.F. jetzt auch einen Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem EWR-Staat genügen. Befindet sich die Geschäftsleitung jedoch nicht im Inland, ist die Organeigenschaft auch nach der Reform nicht möglich. Dies gilt selbst dann, wenn der Sitz der Gesellschaft im Inland belegen ist.
Die europarechtskonforme Unternehmenssteuerreform 2013 lässt den Abschluss von grenzüberschreitenden körperschaftsteuerlichen Organschaften zu und ermöglicht, dass auch im EU- oder EWR-Ausland gegründete Gesellschaften als Organgesellschaften ihre im Inland zu versteuernden Einkünfte einem Organträger zurechnen können.
Dr. Frank Tschesche, LL.M. (NYU), Rechtsanwalt und Steuerberater
Dr. Antonia Kallmayer, Rechtsanwältin