März 2019 Blog

Fest­stell­ung der Un­zu­lässig­keit des schieds­rich­ter­lich­en Ver­fah­rens auch noch nach An­ru­fung des Schieds­ge­richts

Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO vor dem zuständigen Oberlandesgericht ist auch dann noch zulässig, wenn die Partei in der Sache bereits das Schiedsgericht angerufen hat.

Ausgangsfall

In dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Fall hatte die Alleinerbin und Antragstellerin gemäß der Schiedsklausel des Testaments Schiedsklage auf Rechnungslegung gegen den testamentarisch eingesetzten Testamentsvollstrecker, den Antragsgegner, erhoben, der in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker zugleich auch testamentarisch zum Schiedsrichter bestimmt worden war. Wegen Besorgnis der Befangenheit forderte die Antragstellerin zudem die Ablösung des Antragsgegners als Schiedsrichter. Nachdem dieser der Forderung in der Folge nicht entsprach, rief die Antragstellerin das zuständige OLG Frankfurt am Main an. Sie beantragte die Feststellung der Beendigung des Schiedsrichteramtes des Antragsgegners und die Bestellung eines Ersatzschiedsrichters durch das OLG; hilfsweise begehrte sie die Feststellung nach § 1032 Abs. 2 ZPO, dass die im Testament enthaltene Schiedsklausel, wonach Streitigkeiten zwischen Erben und dem Testamentsvollstrecker unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch einen Schiedsrichter als Einzelrichter zu entscheiden sind, unwirksam sei. Das OLG gab dem Hilfsantrag statt. Der Antragsgegner wandte sich daraufhin mit seiner Rechtsbeschwerde an den BGH.

BGH: Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit ist zulässig

Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main und wies die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners als unbegründet zurück.

Der Zulässigkeit des Antrags der Antragstellerin auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO stehe laut BGH im Streitfall nicht entgegen, dass die Antragstellerin das testamentarisch eingesetzte Schiedsgericht zwecks Entscheidung über die Klage auf Rechnungslegung bereits angerufen habe.

Beiden Parteien eines möglichen Schiedsverfahrens gestatte § 1032 Abs. 2 ZPO die schnelle Klärung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens durch das staatliche Gericht. Das für diesen Antrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich bereits aus der möglichen Parteistellung im schiedsrichterlichen Verfahren.

Kein Rechtsmissbrauch wegen vorheriger Anrufung des Schiedsgerichts

Der Antrag sei nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragstellerin unzulässig. Ein widersprüchliches, gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten liege regelmäßig vor, wenn eine Partei versuche, durch Zuständigkeitsrügen sowohl das staatliche als auch das schiedsrichterliche Verfahren zu verhindern und so dem Gegner de facto jede Rechtsverfolgungsmöglichkeit nehmen wolle. In dem vorliegenden Fall gehe es der Antragstellerin aber gerade nicht um die Vereitelung effektiven Rechtsschutzes, sondern schlicht um die Klärung der Zuständigkeitsfrage – ganz wie es dem Zweck des § 1032 Abs. 2 ZPO entspreche. Der BGH stellte ausdrücklich fest, dass in der Anrufung des Schiedsgerichts kein Verzicht darauf erkannt werden könne, vor dem staatlichen Gericht die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts geltend zu machen. Ein möglicher Schiedskläger könne nicht nur noch auf den Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens verwiesen werden. Ob der Antrag positiv (Feststellung der Zuständigkeit) oder negativ (Feststellung der Unzuständigkeit) gefasst sei, mache angesichts des wegen der beabsichtigten raschen Klärung der Zuständigkeitsfrage verfahrensbeschleunigenden und somit prozessual zulässigen Verhaltens keinen Unterschied.

Praxishinweis

Angesichts des Dualismus von staatlichem und schiedsrichterlichem Verfahren stellt sich in der Praxis häufig die Frage, wo noch zulässiges prozessuales Verhalten endet und wo Rechtsmissbrauch beginnt. Der BGH zeigt diese Grenze klar auf und gibt Praktikern einen wichtigen Beurteilungsmaßstab an die Hand. Zugleich stärkt der BGH die Position von Rechtsschutzsuchenden: Die redliche Inanspruchnahme verfügbarer Rechtsschutzmöglichkeiten wird für Kläger nicht zum prozessualen Eigentor.

(BGH, Beschluss vom 08.11.2018– I ZB 21/18)

Dr. Sophia Müller, Rechtsanwältin
Frankfurt am Main

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