April 2024 Blog

Geplante Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts

Das geplante Gesetzesvorhaben zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts verfolgt die Stärkung des Schiedsstandortes Deutschland im internationalen Wettbewerb.

Einleitung

Das Recht der Schiedsverfahren in Deutschland soll geändert werden. Nach dem Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz vom 18. April 2023 wurde am 1. Februar 2024 der Referentenentwurf zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts veröffentlicht. 25 Jahre nach der letzten Reform zielt die Überarbeitung des Zehnten Buchs der Zivilprozessordnung (§§ 1025 ff. ZPO) darauf ab, den Standort Deutschland auf der internationalen Bühne für die Austragung von Schiedsverfahren insgesamt attraktiver zu gestalten. Der Beitrag beleuchtet die wichtigsten geplanten Änderungen.

Wesentliche Neuerungen und ihre Auswirkungen

Die geplante Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrens umfasst bedeutende Neuerungen in zentralen Bereichen des gesetzlich geregelten Schiedsverfahrensrechts. Im Folgenden wird eine Auswahl der Änderungen kommentiert.

Einfachere Vereinbarung durch reduzierte Formanforderungen an Schiedsvereinbarungen

Im Moment gelten für Schiedsabreden strenge Formvorgaben. So muss die Vereinbarung von beiden Parteien unterzeichnet sein oder ein Schriftwechsel etwa in Form von Angebot und Annahme vorliegen, welcher durch E-Mails, Fernkopien oder andere Mittel zur Nachrichtenübermittlung erfolgen kann. Mit § 1031 Abs.4 ZPO-E soll sich dies ändern. Zusätzlich sollen nunmehr auch mündliche Schiedsvereinbarungen wirksam werden. Voraussetzung ist, dass der Vertrag ein beiderseitiges Handelsgeschäft ist. Im Anschluss an den mündlichen Abschluss der Schiedsvereinbarung hat jede Vertragspartei einen Anspruch auf Bestätigung in Textform. Textform bedeutet dabei mindestens E-Mail. Eine Bestätigung in Textform ist für Beweiszwecke ohnehin sinnvoll.

Über diese geplante Neuerung ist eine hitzige Debatte entfacht. So wird einerseits diese Neuerung von Seiten der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) begrüßt. Diese Formerleichterung sei besonders praktikabel. Auch sei dies im internationalen Vergleich seit längerem bereits Standard.

Diese Meinung wird aber nicht überall geteilt. So sieht beispielsweise die Bundesanwaltskammer das Vorhaben kritisch. Die Mündlichkeit von Schiedsvereinbarungen würde mehr Unsicherheit erzeugen, denn die neue Regelung werde Anlass zu mehr Streitigkeiten über das tatsächliche Bestehen einer Schiedsvereinbarung geben.

Verfahrenssprache vor den Commercial Courts

Die Länder können nunmehr bei den Oberlandesgerichten Commercial Courts für Verfahren nach § 1062 Abs.1 ZPO einrichten. Der Referentenentwurf sieht vor, dass beispielsweise für Aufhebungsverfahren die Verfahrenssprache ausschließlich Englisch sein soll, wenn sich die Beklagten darauf einigen oder die Beklagtenpartei zumindest nicht widerspricht, vgl. § 1063a Abs.1 S.1 Nr.2 ZPO-E i.V.m. § 1062 Abs.1 Nr.4 ZPO-E.

Veröffentlichung von Schiedsentscheidungen

Bisher gibt es nur relativ wenige Entscheidungen von Schiedsgerichten, die veröffentlicht sind. Dies liegt daran, dass die Parteien der Veröffentlichung in der Regel aktiv zustimmen müssen (vgl. Art. 44.3 S.2 DIS-Schiedsgerichtsordnung 2018). Das möchte man nun ändern.

Nach § 1054b ZPO-E darf das Schiedsgericht mit Zustimmung der Parteien den Schiedsspruch und ein etwaiges Sondervotum ganz oder in Teilen in anonymisierter oder pseudonymisierter Form veröffentlichen oder eine solche Veröffentlichung veranlassen. Bedeutend ist, dass diese Zustimmung unter Umständen als erteilt unterstellt wird (vgl. § 1054b Abs.1 S.2 ZPO-E). Das Schiedsgericht darf die Parteien zur Zustimmung zur Veröffentlichung auffordern. Wenn dann nicht innerhalb von einem Monat ab Zustellung des Aufforderungsschreibens zumindest eine Partei widerspricht, darf das Schiedsgericht sowohl den Schiedsspruch als auch ein etwaiges Sondervotum veröffentlichen.

§ 1063a Abs.3 ZPO-E sieht vor, dass auch die Beschlüsse der Commercial Courts anonymisiert veröffentlicht werden.

Mit dieser Neugestaltung will man dem Bedürfnis nach mehr Transparenz im Schiedsverfahrensrecht und Rechtsfortbildung nachkommen.

Digitalisierung im Schiedsverfahrensrecht

Um der voranschreitenden Digitalisierung auch im Schiedsverfahrensrecht gerecht zu werden, soll nach § 1054 Abs.2 ZPO-E der Schiedsspruch in einem elektronischen Dokument enthalten sein können, sofern keine Partei widerspricht. Der Schiedsspruch muss dann nach § 1054 Abs.5 ZPO-E als elektronisches Dokument den Parteien übermittelt werden. Für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung darf man zukünftig den Schiedsspruch als elektronisches Dokument auf elektronischem Weg an das Gericht senden (vgl. § 1064 Abs.1 S.3 ZPO-E).

Das verhilft der obsiegenden Partei zu mehr Flexibilität und dürfte den Schiedsstandort Deutschland stärken. Das Verfahren wird insgesamt beschleunigt.

Zulässigkeit von Sondervoten

Im Jahre 2020 hatte eine Entscheidung des OLG Frankfurt international für Aufmerksamkeit gesorgt. Das OLG hat beiläufig festgehalten, dass die Bekanntgabe eines Sondervotums (dissenting opinion) das Beratungsgeheimnis und damit die öffentliche Ordnung verletzen und damit einen Aufhebungsgrund für den Schiedsspruch darstellen dürfte. Die Entscheidung ist Gegenstand heftiger Kritik geworden, weil Sondervoten im Ausland weit verbreitet sind. Mit dem Gesetzesentwurf soll die mit dieser Rechtsprechung für den Schiedsstandort Deutschland entstandene Unsicherheit beseitigt werden.

Nach § 1054a Abs.1 ZPO-E wird es einem Schiedsrichter nunmehr gestattet, seine in der Beratung vertretene abweichende Meinung zu dem Schiedsspruch oder aber zu dessen Begründung in einem Sondervotum kundzugeben. Dies steht unter dem Vorbehalt, dass die Parteien nichts anderes vereinbaren.

Vollziehung einstweiliger Maßnahmen ausländischer Schiedsgerichte

Eine weitere Neuerung findet sich in § 1025 Abs.2 ZPO-E durch den eingefügten Verweis auf § 1041 Abs.2 ZPO-E, wonach das Schiedsgericht auch dann die Vollziehung einstweiliger Maßnahmen anordnen kann, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist. Dies trägt dazu bei, bisher bestehende Unsicherheiten zu überwinden und dient der Rechtssicherheit.

§ 1041 Abs.2 S.3 ZPO-E lässt es aber unter bestimmten Gründen zu, diesem Antrag nicht zu entsprechen. Dazu zählen insbesondere die in § 1059 ZPO bereits geregelten Gründe: Eine der Parteien war nach dem ausländischen Recht nicht geschäftsfähig oder die Schiedsvereinbarung war nach ausländischem Recht unwirksam oder der Schiedsspruch betrifft eine Streitigkeit, die in er Schiedsabrede nicht erwähnt ist. Auch ist der Antrag nach dem geplanten § 1041 Abs. 2 S.3 ZPO-E zu versagen, wenn bereits vor einem inländischen Gericht eine einstweilige Maßnahme beantragt wurde oder eine vorläufige oder sichernde Maßnahme vom Schiedsgericht aufgehoben oder ausgesetzt wurde.

Fazit

Die geplanten Änderungen werden das deutsche Schiedsverfahrensrecht modernisieren, an die internationalen Standards anpassen und werden damit den Schiedsstandort Deutschland stärken. Von der erleichterten Veröffentlichung der Schiedsgerichtsentscheidungen wird die Rechtsfortbildung in Deutschland über die Schiedsverfahren hinaus profitieren. Dabei bleibt es den Parteien überlassen, ob sie die Veröffentlichung verhindern wollen.

Quellen:
Referentenentwurf Gesetz zu Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts
Synopse_Referentenentwurf
Stellungnahme_der_DIS_zum_Referentenentwurf
Stellungnahme-der-BRAK-zum Referentenentwurf
Entscheidung des OLG Frankfurt zu Sondervoten im Schiedsverfahren

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