Geschäftsführer trägt Beweislast für eine positive Fortführungsprognose
Geschäftsführer trägt Beweislast für eine positive Fortführungsprognose
Im Rahmen einer Klage auf Ersatz verbotener Zahlungen des Geschäftsführers nach Eintritt der Überschuldung einer GmbH (§ 64 GmbHG) trägt dieser die Beweislast für eine positive Fortführungsprognose zum Zeitpunkt der Zahlung. Der Insolvenzverwalter muss lediglich die rechnerische Überschuldung der Gesellschaft nach Liquidationswerten darlegen und beweisen.
Bei Klagen auf Ersatz verbotener Zahlungen nach Eintritt der Überschuldung trägt der GmbH-Geschäftsführer sowohl für das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose als auch für sein fehlendes Verschulden die Darlegungs und Beweislast. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 18. Oktober 2010 klargestellt.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nahm der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer einer GmbH auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch, die dieser unmittelbar vor Stellung des Insolvenzantrags getätigt hatte. Der Insolvenzverwalter machte geltend, dass die Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt dieser Zahlungen überschuldet war. Nachdem er in erster Instanz erfolgreich war, wies das Berufungsgericht seine Klage ab. Diese Entscheidung hat der BGH nun unter Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung aufgehoben.
Das Berufungsgericht hatte die Klage unter anderem deshalb abgewiesen, weil der Kläger nicht dargelegt habe, dass zum fraglichen Zeitpunkt keine positive Fortführungsprognose für die Gesellschaft bestanden habe. Dem ist der BGH entgegengetreten. Aus dem Aufbau des § 19 Abs. 2 InsO, in der für die Entscheidung relevanten Fassung (§ 19 InsO a.F., gültig bis zum 17. Oktober 2008) folge ohne Weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten gemäß Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten gemäß Satz 2, die eine positive Prognose voraussetzt, den Ausnahmefall bilde. Daher habe im Haftungsprozess wegen verbotener Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (heute § 64 S. 1 GmbH) auch die Geschäftsleitung die Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt. Der Insolvenzverwalter brauche nur die rechnerische Überschuldung der Gesellschaft darzulegen und zu beweisen.
Auch zu dem für das Bestehen einer Ersatzpflicht erforderlichen Verschulden hat sich der BGH geäußert. Das Berufungsgericht hatte die abschließende Bewertung einer Forderung als nicht erforderlich angesehen, da jedenfalls nicht erkennbar sei, dass der Geschäftsführer mit einer negativen Fortführungsprognose rechnen musste. Diese Ausführungen hat der BGH ebenfalls unter Hinweis auf die Beweislastverteilung gerügt. Das Verschulden werde bei Vorliegen einer verbotenen Zahlung vermutet. Dementsprechend habe der Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich seiner Entlastung zu tragen.
Die Entscheidung, die zu § 64 Abs. 2 GmbHG und § 19 Abs. 2 InsO jeweils in alter Fassung ergangen ist, ist nach aktueller Gesetzeslage weiterhin relevant. Zunächst findet sich die Regelung des § 64 Abs. 2 a.F. nunmehr inhaltlich unverändert in § 64 S. 1 GmbHG.
§ 19 InsO hat demgegenüber zwar eine inhaltliche Änderung erfahren: In der für die Entscheidung relevanten Fassung führte die positive Fortführungsprognose dazu, dass im Rahmen der Überschuldungsprüfung bei der Vermögensbewertung Fortführungswerte anzusetzen waren. Trotz positiver Prognose konnte dabei eine Überschuldung vorliegen (sog. einstufiger Überschuldungsbegriff). In der nunmehr geltenden Fassung schließt die positive Prognose das Vorliegen der Überschuldung dagegen bereits aus (sog. zweistufiger Überschuldungsbegriff). Dennoch bleibt die Entscheidung weiterhin von praktischer Relevanz. Zum einen ist nach der Formulierung des § 19 Abs. 2 S. 1 InsO n.F. davon auszugehen, dass auch künftig der Geschäftsführer hinsichtlich der positiven Fortführungsprognose beweisbelastet ist. Zum anderen ist die Geltung des § 19 Abs. 2 S. 1 InsO n.F. als Teil der Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes zeitlich begrenzt (zunächst bis zum 31. Dezember 2010, inzwischen verlängert bis zum 31. Dezember 2013). Anschließend ist nach jetzigem Stand eine Rückkehr zur alten Regelung vorgesehen.
Rechtsanwalt Dr. Dominik Ziegenhahn, Rechtsanwalt Florian Puschmann, Hamburg