März 2020 Blog

Gesetz­geber plant um­fassende Er­leichte­rungen für aktien­rechtliche Haupt­versammlungen

Nach aktueller Gesetzeslage kann zwar die Satzung einer Aktiengesellschaft vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Ebenso kann vorgesehen werden, dass Aktionäre ihre Stimme ohne Teilnahme an der Versammlung schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation abgeben dürfen, sogenannte Briefwahl (§ 118 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG). Existieren solche Satzungsregelung nicht, muss für die ihre Rechte ausübenden Aktionäre eine physische Hauptversammlung vorbereitet und durchgeführt werden.

Insbesondere vor diesem Hintergrund sieht der nun vorgestellte Gesetzentwurf massive  Erleichterungen für die Gesellschaft vor. Nach dessen Artikel 2, § 1 Abs. 1 und 6  können die genannten Maßnahmen zur Ausübung von Aktionärsrechten im Wege der elektronischen Kommunikation auch ohne entsprechende Satzungsregel vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats angeordnet werden.

Abs. 2 des Entwurfs sieht sogar eine virtuelle Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten vor. Voraussetzung ist, dass die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt, die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist, den Aktionären ein Fragerecht im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird und den Aktionären, die ihre Stimme über elektronische Kommunikation abgegeben haben, ein Widerspruchsrecht gegen Beschlüsse der Hauptversammlung eingeräumt wird.

Zur Verringerung des Anfechtungsrisikos ist unter anderem vorgesehen, dass der Vorstand in Abweichung von § 131 AktG, nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen entscheidet, welche Fragen er wie beantwortet. Auch kann vorgesehen werden, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind. Die Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung kann gemäß § 1 Abs. 7 des Entwurfs unbeschadet der Regelung in § 243 Abs. 3 Nummer 1 AktG auch nicht auf Verletzungen von § 118 Abs. 1 Satz 3 bis 5, Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 4 AktG sowie nicht auf eine Verletzung von Absatz 2 des Entwurfs gestützt werden, es sei denn, der Gesellschaft ist Vorsatz nachzuweisen.

Weitere Regelungen des Entwurfs betreffen die Möglichkeit einer auf 21 Tage verkürzten Einberufungsfrist mit entsprechend angepassten Mitteilungspflichten und der Möglichkeit, später eingereichter Ergänzungsverlangen (§ 1 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 Entwurf). Vom aktuellen AktG abweichende Regelungen sieht der Entwurf auch für den Nachweisstichtag für den Anteilsbesitz an börsennotierten Gesellschaften und die Fristen zur Übermittlung an Gesellschaft vor (§ 1 Abs. 3 Satz 2 Entwurf). In § 1 Abs. 5 wird der Vorstand zudem ermächtigt festzulegen, dass die Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres stattfindet, also nicht wie bisher innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahres stattfinden muss.
Die geplanten Änderungen sollten entsprechend für Kommanditgesellschaft auf Aktien und im Wesentlichen auch für die SE und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§ 1 Abs. 8 und 9 Entwurf).

(Artikel 2 - Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie)

Dr. Frank Süß
Stephen-Oliver Nündel

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