Februar 2024 Blog

Glück gegen Liebe: Produktaufmachungen vor dem Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Glück und Liebe als Schlagworte auf einem Produkt nicht durch das Wettbewerbsrecht geschützt werden können.

Sachverhalt

Die beiden Parteien des Rechtsstreits stellen Produkte her, die nicht gerade emotional besetzt sind, aber zum täglichen (Frühstücks-)Bedarf zählen: Die Klägerin stellt Konfitüren und Honig her, die Beklagte (ausschließlich) Honig.

Die Klägerin vertreibt diverse Sorten „Glück“ im Glas. Das Glas ist tiegelförmig, niedrig und breit gestaltet. Durch einen dicken Glasboden soll der Eindruck entstehen, dass der Tiegel schwebt. Auf das Glas selbst (nicht auf ein Etikett) ist in weiß das Emotionsschlagwort „Glück“ gedruckt. Die Typografie soll den Eindruck einer Handschrift und nicht den eines industriellen Drucks erwecken. Der Deckel auf dem Glas ist silbern.

Die Beklagte vertreibt „LieBee“, ein Honig im Glas. Das Glas ist ebenfalls tiegelförmig, niedrig und breit; es weist ebenfalls einen dicken Boden auf. In weißem Direktdruck findet sich das Emotionsschlagwort „LieBee“. Bei diesem bilingualen Wortspiel mit Bienen bleibt der Begriff „Liebe“ klar erkennbar. An den Seiten weisen die „LieBee“-Tiegel eine Riffel-Struktur auf, der Deckel ist golden.

Vorgeschichte der Entscheidung

Aufgrund der Ähnlichkeiten meinte die Klägerin, das Produkt der Beklagten könne als unlautere Nachahmung mit ihrem Produkt verwechselt werden (§ 4 Nr. 3 lit. a UWG). Nach einer Abmahnung ging das Glück gerichtlich gegen die Liebe vor.

Vor dem Landgericht hat die spätere Klägerin zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der Bewerbung und Angebot der „LieBee“ verboten wurden. Das Verfügungsverfahren ist im gewerblichen Rechtsschutz üblich, denn damit kann das beanstandete Verhalten zügig untersagt werden, auch schon vor einer Entscheidung der Hauptsache.

Auch auf die nachfolgende Klage in der Hauptsache haben Landgericht und Oberlandesgericht in Hamburg geurteilt, dass die Gestaltung des „LieBee“-Honigs die Gestaltung des „Glücks“ unlauter nachahmt und Werbung sowie Vertrieb dafür verboten. Entscheidend war unter anderem, dass die Schriftzüge „Glück“ und „Liebe“ ähnlich waren

Kein Schutz für Emotionen

Auf die Revision der unterlegenen Beklagten hat der BGH das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben. Denn es sei fehlerhaft bestimmt worden, wie weit der Schutz vor Nachahmungen reicht. Die Emotionsschlagwörter seien bei der Beurteilung des Schutzes vor Nachahmung nicht zu berücksichtigen, so der BGH.

Erste Voraussetzung für einen solchen Schutz vor unlauterer Nachahmung ist, dass das Produkt die sogenannte wettbewerbliche Eigenart hat. Diese Eigenart bestimmt sich anhand des Gesamteindrucks des Produkts. Hier liegt die erste Besonderheit des Falls. Gegenstand war nämlich die Eigenart der Verpackung, nicht des Produkts selbst. Seit einiger Zeit nimmt der BGH ausdrücklich bei kreativ gestalteten Verpackungen von Lebensmitteln die wettbewerbliche Eigenart an, so kürzlich bei Streichfetten. Das gilt jedenfalls dann, wenn solche Produkte stets verpackt vertrieben werden und beim Kauf also die Verpackung sichtbar ist, nicht das Produkt selbst. Dabei ist noch nicht im Detail geklärt, welche Eigenschaften der Verpackung relevant sind und welche nicht. Eine Weiche hat der BGH nun gestellt: Die Verwendung von Emotionsschlagworten auf der Verpackung ist wettbewerbsrechtlich nicht geschützt. Denn das abstrakte Konzept, eine Emotion auf eine Verpackung zu drucken, kann nicht Gegenstand des wettbewerbsrechtlichen Schutzes sein. Das gilt auch dann, wenn die Emotion typografisch wie eine Handschrift gestaltet ist. Vielmehr soll die Möglichkeit, Produkte mit Emotionen (oder typografisch) zu gestalten, allen offenstehen. Das entspricht dem Umgang des Markenrechts mit Emotionen. Für den Fall bedeutete es, dass die Ähnlichkeit von „LieBee“ und Glück nicht für das Verletzungsverfahren relevant ist, da ihre Verwendung keinen Schutz begründet. Das ist eine Grundsatz-Entscheidung für die Praxis.

Die übrigen Erwägungen des Berufungsgerichts hat der BGH gebilligt. Das gilt insbesondere für die Beurteilung, dass die Form des Tiegels und des Deckels verwechselbar sind. Denn die einzigen Abweichungen der Gestaltung sind solche, die für Honig typisch wären (goldener Deckel, Riffel an den Seiten des Glases). Damit entsteht der Eindruck, Glück als Honig sei eben Liebe. Verbraucher müssten glauben, die Klägerin vertreibe nun auch Honig, den sie mit „LieBee“ bedruckt. Insoweit könnte eine mittelbare Verwechselungsgefahr vorliegen.

Der Fall ist vom BGH mit diesen Maßgaben zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden. Neben der unlauteren Nachahmung könnte es hilfsweise noch um Rufausbeutung und zwei Gemeinschaftsgeschmacksmuster gehen. Über die Rufausbeutung kann das Gericht aber vermutlich nur bedingt entscheiden: Dafür müsste die Verpackung qualitativ schlechter sein. Das lässt sich bei Glastiegeln voraussichtlich kaum beurteilen. Es bleiben allerdings noch die Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

Ob „LieBee“ am Ende Glück haben wird, ist daher noch offen.

Praxishinweis

Für die Gestaltungspraxis sind insbesondere zwei Erkenntnisse wichtig: Nicht nur Produkte selbst, sondern auch Verpackungen können wettbewerbsrechtlich vor Nachahmung geschützt sein. Sofern auf der Verpackung Emotionen als gestalterisches Mittel verwendet werden, sind diese aber nicht geschützt – auch dann nicht, wenn eine andere Emotion ganz ähnlich gestaltet wird und ähnliche Assoziationen wecken soll. Der Fall zeigt außerdem anschaulich, dass es sich auch bei Produkten des täglichen Bedarfs (mit typischerweise geringen Margen) lohnen kann, bis zum BGH zu ziehen.

Für Hermann Hesse wäre der Fall übrigens ganz einfach gewesen. Aus seinem Nachlass ist überliefert: „Glück ist Liebe, nichts anderes“.

BGH, Urteil vom 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22.

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