Mai 2023 Blog

Haftung des Geschäfts­führers wegen der Verletzung von Überwachungs­pflichten

Die persönliche Haftung des Geschäftsführers einer Komplementär- oder geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH besteht nicht nur gegenüber der GmbH, sondern auch gegenüber der KG. Dies gilt auch für die Verletzung von Überwachungspflichten, die trotz einer zulässigen Geschäfts- bzw. Ressortverteilung stets bestehen bleiben.

Sachverhalt

Der Beklagte ist einer von mehreren Geschäftsführern einer GmbH, die bei verschiedenen Kommanditgesellschaften geschäftsführende Kommanditistin war. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer dieser Gesellschaften, einer Publikums-Kommanditgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG. Diese Gesellschaft warb Anlegergelder ein und stellte diese ihrem Geschäftszweck entsprechend einer (später insolvent gewordenen) D-AG als Darlehen zum Erwerb von Immobilien zur Verfügung. Im Darlehensvertrag war vereinbart, dass die Darlehen umfangreich besichert werden sollten. Aus den laufenden Zinsen sollten Ausschüttungen an die Anleger erfolgen.

Einige Monate nach Beginn der Geschäftsführungstätigkeit des Beklagten wurde der D-AG ein weiterer Darlehensbetrag in Höhe von EUR 510.000,- ausbezahlt. Eine Besicherung erfolgte nicht. Der Beklagte hatte an dieser Auszahlung nicht mitgewirkt, hätte diese aber verhindern können. Für ihn war zu diesem Zeitpunkt erkennbar, dass der überwiegende Teil der bereits zuvor als Darlehen vergebenen Anlegergelder pflichtwidrig nicht besichert und bei der D-AG für andere Zwecke als den vorgesehenen Immobilienerwerb verwendet worden waren. Der Beklagte machte u.a. geltend, dass er nach der in der GmbH vereinbarten Geschäftsverteilung nicht für die Geschäfte der GmbH & Co. KG zuständig war.

Die Berufungsinstanz (OLG Hamburg, Urt. vom 17.9.2021 - Az. 11 U 71/20) hatte einen Anspruch der GmbH & Co. KG auf Schadensersatz im Hinblick auf die Auszahlung des Darlehensbetrages von EUR 510.000,- in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG bejaht. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Beklagte seine Überwachungspflichten als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin zum Nachteil der Kommanditgesellschaft verletzt habe, indem er die Überweisung nicht verhindert hat. Der (BGH Urt. v. 14.3.2023 – II ZR 162/21) hat das Berufungsurteil bestätigt.

Erstreckung Schutzbereich auf KG

Der BGH stellte zunächst fest, dass der Geschäftsführer einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH - ebenso wie der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH - nicht nur der GmbH, sondern (nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) auch der Kommanditgesellschaft auf Schadensersatz haften könne. Insoweit sei maßgeblich, dass der Schutzbereich des zwischen der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft erstrecke.

Schutzbedürftige KG

In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, dass die Kommanditgesellschaft gegenüber der geschäftsführenden GmbH und deren Geschäftsführer schutzbedürftig sei, ohne dass es darauf ankomme, ob die geschäftsführende GmbH ihre Komplementärin oder ihre Kommanditistin ist.

Erkennbar- und Zumutbarkeit

Des Weiteren sei auch das Interesse der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH an der Einbeziehung der Kommanditgesellschaft in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses zum Beklagten für diesen als Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH erkennbar.

Ebenso sei für diesen die Erstreckung der Schutzwirkung auf die GmbH & Co. KG zumutbar. Dies gelte auch dann, wenn die geschäftsführende GmbH die Geschäfte für weitere Fondsgesellschaften geführt habe und daher die Geschäftsführung bei der geschädigten Kommanditgesellschaft nicht ihre alleinige oder wesentliche Aufgabe war. Insoweit schließt sich der BGH der überwiegenden Auffassung an, wonach die Kommanditgesellschaft auch dann in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers mit der geschäftsführenden GmbH einzubeziehen ist, wenn die GmbH noch weitere wesentliche Aufgaben für andere Gesellschaften zu erfüllen hat.

Zur Begründung weist der BGH darauf hin, dass die Haftungserstreckung auf die Kommanditgesellschaft für den Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH auch dann erkennbar sei, wenn die GmbH zugleich die Geschäftsführung bei weiteren Gesellschaften übernommen habe. Am Pflichtenkreis des Geschäftsführers ändere sich durch eine solche Mehrfach-Geschäftsführung im Grundsatz nichts; dieser habe sich bei Übernahme der Geschäftsführung über den Umfang der damit verbundenen Aufgaben einen Überblick zu verschaffen.

Die unmittelbare Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, die in mehreren Gesellschaften die Geschäftsführung übernommen hat, gegenüber der Kommanditgesellschaft ist nach Auffassung des BGH auch nicht deswegen unzumutbar, weil es in der Person des Geschäftsführers zu einem Interessenkonflikt kommen könnte. Einer im Hinblick auf die Tätigkeit für mehrere Gesellschaften möglichen Pflichtenkollision sei vielmehr im Einzelfall auf der Rechtfertigungs- oder Verschuldensebene Rechnung zu tragen. Die darüberhinausgehende Annahme eines abstrakten Interessenkonflikts bei der Geschäftsführung für mehrere Gesellschaften sei nicht geboten, zumal es zwischen den Gesellschaften nicht zwangsläufig wettbewerbsrechtliche Berührungspunkte geben muss.

Fortbestehende Überwachungspflicht trotz Ressortverteilung

Im Hinblick auf den Aspekt der Pflichtwidrigkeit betont der BGH (einmal mehr), dass auch bei einer zulässigen Geschäftsverteilung dem organisatorisch nicht betroffenen Geschäftsführer wegen seiner Allzuständigkeit Überwachungspflichten verbleiben. Deren Reichweite sind nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Der Geschäftsführer muss jedoch Hinweisen auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden Ressort immer und unverzüglich nachgehen. Diese Anforderungen gelten, so der BGH, auch für einen gegenüber der Kommanditgesellschaft haftenden Geschäftsführer einer Komplementär- oder geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH. Maßgeblich ist insoweit, dass es keinen sachlichen Grund gäbe, die Schutzwirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft zu beschränken und die Überwachungspflichten anders zu behandeln als die Geschäftsführerpflichten im Übrigen.

(BGH Urt. v. 14.3.2023 – II ZR 162/21)

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