Haftung des Steuerberaters bei verspäteter Insolvenzantragstellung
Mit einer Entscheidung vom 6. Juni 2013 hat sich der BGH zum wiederholten Male innerhalb weniger Monate mit der Haftung von Steuerberatern im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren auseinandergesetzt. Nach Ansicht des obersten deutschen Zivilgerichts kann ein Steuerberater für die Verbindlichkeiten seines Mandanten haften, wenn er das Vorliegen einer insolvenzrechtlichen Überschuldung falsch einschätzt und seinen Mandanten dahingehend informiert.
In dem vom BGH entschiedenen Fall war der Steuerberater der A. GmbH (die spätere Insolvenzschuldnerin) mit der Erstellung der Steuerbilanz beauftragt. Im Bilanzbericht zum Jahresabschluss 2004 führte der Steuerberater aus, dass zum Bilanzstichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag bestehe, es sich dabei aber nur um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handele, weil entsprechende Rangrücktrittsvereinbarungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne. Der Insolvenzverwalter der A. GmbH hat den Steuerberater auf Schadenersatz in Anspruch genommen, weil dieser pflichtwidrig eine zum 31. Dezember 2004 bei der Gesellschaft gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt habe und die Schuldnerin daher mangels Insolvenzantragstellung weitere Verbindlichkeiten eingegangen sei.
Der BGH weist in seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung einer GmbH beauftragten Beraters sei, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darüber zu informieren, dass möglicherweise ein Insolvenzgrund verwirklicht sei. Erklärt der Steuerberater jedoch – über seinen Auftrag hinaus – dass es sich bei der Unterdeckung um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handele, so stelle dieses, für den Mandanten erkennbar, nicht eine bloße Gefälligkeit ohne Bindungswirkung sondern eine zusätzliche Prüfung dar, auf deren Richtigkeit sich der Mandant verlassen durfte.
Die Höhe des zu ersetzenden Schadens wird anhand der sog. Differenzhypothese ermittelt, d.h. sie bemisst sich nach der Differenz zwischen der Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zur Vermögenslage im Zeitpunkt der tatsächlichen Stellung des Insolvenzantrags. Zur Entlastung des Steuerberaters ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch die Geschäftsführung des Unternehmens zur fortwährenden Prüfung hinsichtlich der Verwirklichung etwaiger Insolvenzgründe verpflichtet ist. Komme sie dieser Pflicht nicht hinreichend nach, so ist dieses Mitverschulden bei der Ermittlung des Insolvenzverschleppungsschadens zu berücksichtigen.
Fazit
Ergibt sich bei der Aufstellung des Jahresabschlusses eine bilanzielle Überschuldung, so sollte der Mandant vorsorglich auf seine Selbstprüfungspflicht sowie auf eine – gesondert zu beauftragende – fachkundige Prüfung hinsichtlich etwaiger Insolvenzgründe hingewiesen werden. Für Gefälligkeitserklärungen, dass es sich um keine insolvenzrechtliche Überschuldung handele, ist nach der nunmehrigen Entscheidung des BGH kein Platz mehr.
(BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 – IX ZR 204/12)
(Hinweis: die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Haftung von Steuerberatern im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren wird auch in den Zeitschriften „GWR – Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht“ (GWR 2013, 320) und „DStR – Deutsches Steuerrecht“ (DStR 2013, 782) von Christian Fuhst kommentiert.)
Christian Fuhst, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter