Kapitalanlagehaftung: Keine Rückabwicklung wegen fehlerhafter Widerspruchsbelehrung
Ein Anleger, der sein Kapital in eine geschlossene Beteiligung in Form eines Schiffsfonds investiert und aufgrund dessen negativen wirtschaftlichen Verlaufs (weitgehend) verloren hat, kann von seinem Anlagevermittler oder den Emittenten keine Rückabwicklung deshalb verlangen, weil die in dem Emissionsprospekt enthaltene Widerrufsbelehrung fehlerhaft war.
Kontext der Entscheidung
Noch immer arbeiten die Gerichte in tausenden von Verfahren die Nachwirkungen der weltweiten Finanzkrise in Form von Anlegerklagen ab, in denen vorgetragen wird, vor Zeichnung einer geschlossenen Beteiligung nicht über die wesentlichen Risiken der Kapitalanlage informiert worden zu sein. Erfolgte die Aufklärung der Anleger durch einen Emissionsprospekt (oder im Zuge einer Anlagevermittlung auf Basis des Prospekts) werden regelmäßig zahlreiche – vermeintliche – Prospektfehler gerügt, die dazu führen könnten, dass die Beteiligung rückabgewickelt werden muss.
Im vorliegenden Fall wurde die Rückabwicklung u.a. deshalb verlangt, weil die Widerrufsbelehrung bei Zeichnung einer Beteiligung an einem Schiffsfonds fehlerhaft gewesen und die Schiffsgesellschaft daher dem rechtlichen und finanziellen Risiko ausgesetzt gewesen sei, jederzeit Abfindungsguthaben für ausscheidende Gesellschafter auszahlen zu müssen. Dies deshalb, weil im Falle einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung für die Ausübung des Widerrufsrechts keine Frist zu laufen begann, so dass theoretisch auch Jahre später der Widerruf wirksam erklärt werden kann. Über das hiermit verbundene Risiko hätte nach Auffassung des Anlegers aufgeklärt werden müssen.
Entscheidung des BGH
Der XI. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) sah dies, wie auch schon das OLG Stuttgart als vorangegangene Berufungsinstanz, anders. Der Senat teilte zwar die Auffassung, dass eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung eine Pflichtverletzung des Unternehmers darstelle und ein Verbraucher einen Rechtsanspruch auf eine ordnungsgemäße Belehrung über sein Widerrufsrecht habe. Im Falle einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung handele es sich daher zwar um eine Pflichtverletzung der Fondsgesellschaft. Der BGH verneinte jedoch, dass es sich hierbei um ein spezifisches Risiko der Kapitalanlage selbst handele. Einen Prospektfehler oder eine Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich der der Kapitalanlage innewohnenden Risiken stelle die fehlerhafte Widerrufsbelehrung daher nicht dar. Dies sei auch nicht deshalb anders zu bewerten, weil der Beteiligung gemäß dem Fondskonzept eine unkündbare gesellschaftsvertragliche Bindung bin Ende des Jahres 2014 zugrunde lag.
Anmerkung
Der BGH stellt zu Recht darauf ab, ob ein wirtschaftliches Risiko, wie mögliche Abfindungszahlungsverpflichtungen der Fondsgesellschaft wegen eingehender Widerrufe, welche im Fall einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zeitlich weit nach der Zeichnung noch möglich sein können, ein spezifisches Risiko der Kapitalanlage selbst darstellt oder nicht. Nur über der Kapitalanlage selbst innewohnende Risiken nämlich müssen Anlagevermittler oder beispielsweise Gründungsgesellschafter einer Fondsgesellschaft mit einem Emissionsprospekt umfassend und zutreffend aufklären. Dass dies im vorliegenden Fall nicht der Fall war, leuchtet ein. Denn ein fehlerhaftes Widerrufsrecht mit den genannten Folgen kommt auch beim Kauf gänzlich anderer Produkte in Betracht, ist also kein Spezifikum einer geschlossenen Beteiligung an einem Schiffsfonds. In die selbe Richtung hatten bereits das LG Dortmund und das OLG Hamm entschieden: Eine Verpflichtung, bei Verwendung einer unzureichenden Widerrufsbelehrung darüber aufzuklären, dass jederzeit Abfindungsguthaben für ausscheidende Gesellschafter ausgezahlt werden müssten, und dass hierdurch Risiken rechtlicher und wirtschaftlicher Art ausgelöst werden können, sei bereits nicht denkbar.
(BGH, Beschluss vom 11.10.2016 - Aktenzeichen XI ZR 14/16)
Stephen-Oliver Nündel, Rechtsanwalt
Frankfurt am Main