Februar 2013 Blog

Keine Erhebung von Kundendaten bei Jugendlichen durch ein Gewinnspiel

Eine Krankenkasse darf bei Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 nicht mittels eines Gewinnspiels Daten für ihre Werbung erheben. Daran ändert nichts, dass Jugendliche in diesem Alter gem. § 175 Abs. 1 S.3 SGB V die gesetzliche Krankenkasse frei wählen dürfen.

Auf einer Jobmesse für Schüler warb die beklagte Krankenkasse mit einem Gewinnspiel. Für die Teilnahme sollten u.a. Name, Geburtsdatum und Kontaktdaten angegeben werden. Diese Daten sollten zur Werbung verwendet und nicht an Dritte weitergegeben werden. Für Teilnehmer über 15 Jahre war die Unterschrift der Eltern nicht erforderlich. Dagegen klagte ein Verbraucherschutzverein. Es handele sich um wettbewerbswidrige Werbung, weil sie geeignet sei, die geschäftliche Unerfahrenheit von Verbrauchern auszunutzen. Solche Werbung verbietet § 4 Nr. 2 UWG. Die Krankenkasse verwies u.a. auf § 175 I S.3 SGB V. Danach können Minderjährige ab Vollendung des 15. Lebensjahres ihre Krankenkasse frei wählen.

Das OLG Hamm gab dem Verbraucherschutzverein teilweise Recht. Zwar könne man der Kasse nicht grundsätzlich die Datenerhebung im Zusammenhang mit einem Gewinnspiel bei dieser Personengruppe verbieten, insbesondere dann nicht, wenn die Eltern mit unterschreiben müssen, was im Fall aber nicht vorgesehen war. Die Datenerhebung bei Minderjährigen ab dem 15. Lebensjahr sei aber in der konkret geschehenen Art und Weise unzulässig. Das OLG betont: Die Datenerhebung zu Zwecken der Werbung ist grundsätzlich zulässig, auch wenn sie, wie meist, mittels eines Gewinnspiels erfolgt, solange § 28 BDSG und insbesondere § 4 Nr. 2, 3, 5 UWG beachtet werden. Als Problem erwies sich mit Blick auf § 4 Nr. 2 UWG die Heterogenität der unter besonderem Schutz stehenden Gruppe. Zwar, so das OLG, müsse man annehmen, dass in der betroffenen Altersgruppe ein erheblicher Teil die nötige Lebenserfahrung aufbringe, den Umstand der Datenerhebung richtig einzuschätzen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber Jugendlichen ab dem 15. Lebensjahr zutraue, unter den Anbietern der gesetzlichen Krankenkassen frei zu wählen. Erstens aber könne man für einen ebenso erheblichen Teil der Jugendlichen zwischen 15 und 17 die nötige Erfahrung nicht unterstellen. Ihnen sei nicht bewußt, durch die Teilnahme an einem Gewinnspiel "auf allen Kanälen", wie das OLG formuliert, für Werbung durch die Krankenkasse erreichbar zu sein. Zweitens könne man aus der gesetzgeberischen Wertung, auch 15-jährigen die Wahl der gesetzlichen Krankenkasse zu überlassen, nicht darauf schließen, dass auch die Datenerfassung im Vorfeld, also ohne konkreten Anlaß für den Jugendlichen, wie er etwa beim Beginn eines Ausbildungsverhältnisses bestehen könne, und mittels eines Gewinnspiels, zulässig sein müsse.

Folgt man dem OLG, ist ohne eine – praktisch schwer mögliche – Differenzierung der Werbemittel mit Rücksicht auf mehr und weniger geschäftlich Erfahrene eine solche Datenerhebung unzulässig. Trotz der vielen Erfahrenen dürfen die u.U. ebenso vielen Unerfahrenen nicht „unter den Tisch fallen“, vielmehr muß die Werbung auch den Erfahrenen gegenüber unterbleiben.

Das Urteil hat Bedeutung über den Fall hinaus, weil nicht nur nach § 175 SGB V, sondern auch nach den allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts Jugendliche dieser Altersgruppe unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsgeschäfte schließen dürfen, so dass sich die Frage stellt, ob und ggf. wie man, um sie gezielt mit Werbung ansprechen zu können, auch ihre Kontaktdaten ohne Mitwirkung der Eltern mittels eines Gewinnspiels erheben darf. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die zugelassene Revision ist unter dem Az. I ZR 218/12 beim BGH anhängig.

(OLG Hamm, Urteil vom 20. September 2012 - 4 U 85/12 (n. rkr.))

Dr. Kristofer Bott, Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

 

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