Kinderlärm soll keine „schädliche Umwelteinwirkung“ mehr sein
Die von Kindertageseinrichtungen und Spielplätzen ausgehenden Geräusche haben in jüngerer Zeit vielfach zu Klagen gegen den Bau und die Zulässigkeit solcher Einrichtungen geführt. Nicht selten hatten Anwohner und Nachbarn mit ihrem Ansinnen, den Betrieb von Kindertageseinrichtungen in ihrem Wohngebiet zu verhindern, Erfolg. Nun stellte die Bundesregierung den Entwurf zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) vor.
Der für die Bewertung der Zumutbarkeit der von einer Einrichtung ausgehenden Geräusche maßgebliche § 22 BImschG soll ergänzt werden um einen neuen Absatz 1 a. Danach sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden. Da eine Anlage immissionsschutzrechtlich zulässig ist, wenn von ihr keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, sind diese Einrichtungen für Kinder mit In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung in der Regel zulässig.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Klarstellung auch auf die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit entsprechender Anlagen ausstrahlen. Denn hier geht es in der Regel um die Auslegung des so genannten „Rücksichtnahmegebotes“. Bei der rechtlichen Beurteilung, wie viel Rücksicht auf bestehende (Wohn-)Nutzungen zu nehmen ist, ist nach der Gesetzessystematik das Einhalten von Immissionsgrenz- und -richtwerten wesentlich, die nach der Gesetzesänderung aber für die Beurteilung der Geräuscheinwirkungen von Kindertageseinrichtungen und ähnlichen Einrichtungen nicht mehr maßgeblich sind.
Darüber hinaus soll auch bei der für dieses Jahr anstehenden Novellierung der Baunutzungsverordnung geregelt werden, dass Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtungen grundsätzlich nicht nur wie bisher in allgemeinen, sondern dann auch in reinen Wohngebieten zulässig sind. Nach Auffassung der Bundesregierung soll mit der gesetzlichen Privilegierung von „Kinderlärm“ ein Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft gesetzt werden.
Dr. Sigrid Wienhues, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Hamburg / Diana Popa, Rechtsanwältin, Hamburg