Juni 2018 Blog

Mitbestimmung in Unternehmen bleibt national

Für die Schwellenwerte der Mitbestimmungsgesetze ist allein die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer maßgeblich.

Im Jahr 2015 vertrat das Landgericht Frankfurt a. M. überraschend die Ansicht, für die Schwellenwerte bei der Unternehmensmitbestimmung seien auch die Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften mitzuzählen (vgl. hierzu News-letter Mai 2015). Der schließlich mit dieser Frage befasste Europäische Gerichtshof verwarf diese (neue) Ansicht und sah in den deutschen Mitbestimmungsregelungen keinen Verstoß gegen europäisches Recht (vgl. hierzu Newsletter August 2017). Auch das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat nun mit rechtskräftigem Beschluss entschieden, dass nur die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer für die Schwellenwerte der Mitbestimmungsgesetze maßgeblich ist.

Hintergrund

Die deutschen Gesetze zur Unternehmensmitbestimmung regeln, dass mit Erreichen bestimmter Schwellenwerte der Mitarbeiteranzahl der Aufsichtsrat zu einem Drittel bzw. bis zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen ist. Bis zur Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a. M. bestand weitgehend Einvernehmen, dass sich diese Schwellenwerte allein nach der Anzahl der im Inland beschäftigten Mitarbeiter richten. Grund hierfür sei das sog. „Territorialprinzip“, wonach die Rechtssetzungsbefugnis des deutschen Gesetzgebers ausländische Sachverhalte nicht (mit-)regeln könne. Diese Ansicht griffen Aktionäre in sog. Statusverfahren verschiedentlich an: Der jeweilige Aufsichtsrat sei nicht korrekt besetzt. Mitarbeiter ausländischer Tochtergesellschaften seien mitzuzählen, da u.a. gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen werde. Es bestehe die Gefahr der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, um auf diese Weise der Mitbestimmung zu entgehen. Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat sich als Obergericht dem nun entgegengestellt.

Sachverhalt

Vorliegend ging es erneut um ein sog. Statusverfahren. Der Antragssteller ist Aktionär der Antragsgegnerin, einer Aktiengesellschaft. Deren Aufsichtsrat ist zu einem Drittel mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzt. Der Antragsteller ist der Ansicht, der Aufsichtsrat sei zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen. Grund hierfür sei, dass die Mitarbeiter der ausländischen Konzerngesellschaften mitzuzählen seien. Andernfalls würden u.a. Anreize zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland geschafften. Das erstinstanzlich befasste Landgericht Frankfurt a. M. wies den Antrag zurück. Es stellt sich bereits ausdrücklich gegen die Ansicht der 16. Kammer für Handelssachen, die im Jahr 2015 die bisherige Praxis der Mitbestimmung in Frage gestellt hatte.

Entscheidung des OLG Frankfurt a. M.

Das OLG Frankfurt a. M. wies die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurück. Der Aufsichtsrat sei korrekt zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt. Es komme für die maßgeblichen Schwellenwerte allein auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer an. Es gelte das Territorialprinzip, das eine Ausweitung der Geltung der Mitbestimmungsgesetze auf andere EU-Staaten verbiete. Aktives und passives Wahlrecht stünden daher nur inländischen Arbeitnehmern zu. Es sei daher sachgerecht, nur diese für den Umfang der Mitbestimmung zu berücksichtigen. Die Gefahr der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland sei im Übrigen mehr theoretisch. Die Standortwahl sei von vielen Fragen abhängig. Die Mitbestimmung spiele hierbei nur eine untergeordnete Rolle. Da von den Mitbestimmungsgesetzen ausländische und inländische Mitarbeiter gleichermaßen betroffen seien, sei auch der Gleichheitssatz nicht berührt.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a. M. aus dem Jahr 2015 wird wohl eine Einzelentscheidung bleiben. Es hat sich im Verlauf der letzten Jahre gezeigt, dass ein Abrücken von der bisherigen Handhabung der Mitbestimmungsgesetze weder praktikabel noch aus rechtlichen Gründen geboten ist. Dies hat letztlich auch der EuGH im Jahr 2017 bestätigt, indem er eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit oder eines Verstoßes gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verneinte. Hätte sich die Ansicht des Landgerichts Frankfurt a. M. durch-gesetzt, dann wären viele Unternehmen unter die Geltung der Mitbestimmungsgesetze gefallen, die erst bei Berücksichtigung der Anzahl der Mitarbeiter ihrer ausländischen Tochtergesellschaften die Schwellenwerte erreichen. Dem steht jedoch nach zutreffender Ansicht das Territorialprinzip entgegen.

(OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.05.2018 – 21 W 32/18)

Dr. Caroline Fündling, Rechtsanwältin
Frankfurt am Main

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