Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts und der Corporate Governance geplant
Die EU-Kommission hat den Aktionsplan „Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagierte Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen“, COM(2012) 740/2, vorgelegt. Der Aktionsplan enthält die geplanten Vorhaben für die Jahre 2013 und 2014.
Der Aktionsplan gliedert sich in drei Komponenten:
- Verstärkte Transparenz zwischen Unternehmen und Investoren zur Verbesserung der Corporate Governance;
- Förderung des langfristigen Engagements der Aktionäre sowie
- Unterstützung europäischer Unternehmen und die Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
1. Transparenzverbesserung
Zur Verbesserung der Transparenz zugunsten der Investoren steht eine Überarbeitung der EU-Rechnungslegungsrichtlinien an. Dort sollen Berichtspflichten hinsichtlich „Vielfalt des Verwaltungsrats und des Risikomanagements“ bestimmt werden. Zudem sollen die Wertpapierrechtsrichtlinie und die Aktionärsrechterichtlinie überarbeitet werden. In der Aktionärsrechterichtlinie sollen Transparenzregeln für institutionelle Anleger verankert werden, insbesondere zu „Abstimmungsstrategien“. Auch soll den institutionellen Anlegern ein Recht auf Abstimmung über die „Vergütungspolitik“ gewährt werden. Mit der geplanten Änderung der Wertpapierrechts-richtlinie reagiert die EU-Kommission auf die Defizite in der grenzüberschreitenden Aktionärsidentifikation. Für Aktiengesellschaften ist es bislang schwierig, ihre im Ausland ansässigen Aktionäre zu identifizieren und mit ihnen in Dialog zu treten.
2. Förderung des langfristigen Engagements der Aktionäre
Ein erhöhtes Engagement von institutionellen Anlegern soll über die Erweiterung der Aktionärsrechte erreicht werden. Zum einen soll eine erhöhte Transparenz im Hinblick auf die Vergütungspolitik und die Vergütung der einzelnen Mitglieder der Unternehmensführung erfolgen. Und zum anderen soll eine verpflichtende Abstimmung der institutionellen Anleger über die Vergütungspolitik des Unternehmens und den Vergütungsbericht erreicht werden. Zudem ist eine bessere Überwachung der Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen geplant, d. h. vor allem bei Geschäften zwischen der Gesellschaft und Mitgliedern ihrer Leistungsgremien oder Mehrheitsaktionären. Ferner sollen Transparenzanforderungen an institutionelle Stimmrechtsberater geregelt werden und ein Rahmen für die Beseitigung von Interessenkonflikten bei Beratern für die Stimmrechtsvertretung geschaffen werden. Schließlich soll auch geprüft werden, ob eine Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern gefördert werden kann.
3. Gesellschaftsrechtliche Initiativen
Unter der Rubrik Unterstützung für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen werden gesellschaftsrechtliche Themen adressiert. Erwogen wird eine Änderung der Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen, um den Mechanismus grenzüberschreitender Verschmelzungen zu verbessern und grenzüberschreitende Spaltungen zu erleichtern. Auch will die EU-Kommission die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Sitztransfers unter Wahrung der Rechtspersönlichkeit der betroffenen Gesellschaft diskutieren. Bislang existieren nur Vorschriften im jeweiligen Statut für die Europäische Aktiengesellschaft (SE), die Europäische Genossenschaft (SCE) und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Ferner steht eine Untersuchung an, ob und inwieweit sich europäische Rahmenregelungen im Konzernrecht anbieten. Des Weiteren beabsichtigt die EU-Kommission das bislang weit verstreute EU-Gesellschaftsrecht in einem einheitlichen Werk zu bündeln und leserfreundlicher zu gestalten.
Kritik wird zu Recht geäußert, da der Aktionsplan wenig Verbindliches ankündigt und meist nur weitere Studien, Konsultationen und Empfehlungen in Aussicht stellt. Die von vielen erhoffte Richtlinie zur Sitzverlegung, um die aufgrund der EuGH-Rechtsprechung möglichen grenzüberschreitenden Umwandlungen rechtssicher vollziehen zu können, ist nicht vorgesehen. Auch steht ein Legislativakt zu Konzerngesellschaften nicht auf der Tagesordnung. Die europäische Privatgesellschaft (Europa-GmbH) wird überhaupt nicht weiter thematisiert.
Es bleibt mit Interesse abzuwarten, ob und wie die Vorhaben im Aktionsplan verfolgt und umgesetzt werden. Der Aktionsplan ist hier abrufbar.
Dr. Marco Zessel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht