August 2023 Blog

Neue EU-Sanktionen gegen Belarus

Mit zwei Verordnungen vom 3. August 2023 verschärfte die EU ihre Sanktionen gegen Belarus angesichts der sich verschlechternden Menschenrechtslage in dem Land und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine.

Neue personenbezogene Sanktionen

Durch die Durchführungsverordnung (EU) 2023/1591 (DVO 2023/1591) des Rates vom 3. August 2023 (Amtsblatt (EU) vom 3. August 2023, L 195I) wurde Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 (VO 765/2006) um 38 natürliche Personen und drei juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen ergänzt. Deren Listung hat zur Folge, dass ihre in der EU befindlichen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen einzufrieren sind (sog. Einfrierensgebot) und ihnen keine Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung gestellt werden dürfen (sog. Bereitstellungsverbot) (vgl. Art. 2 VO 765/2006).

Bei den durch die DVO 2023/1591 gelisteten natürlichen Personen handelt es sich um Personen, die als Leiter von Strafkolonien, Staatsanwälte, Richter oder politische Entscheidungsträger verantwortlich sind für schwere Menschenrechtsverletzungen, die erhebliche Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit und Repressionen gegen die Zivilgesellschaft in Belarus sowie um Propagandisten des Lukaschenka-Regimes.

Bei den neugelisteten juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen handelt es sich um die staatlichen Unternehmen PJSC „Minsk Electrotechnical Plant named after V.I. Kozlov“, PJSC „Byelorussian Steel Works“ und den belarussischen Staatskonzern für Öl und Chemie (Belneftekhim). Als Begründung für deren Listung wird u.a. angeführt, dass diese Unternehmen eine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenka-Regime darstellen und von diesem profitieren und es unterstützen.

Neue güter- und dienstleistungsbezogene Sanktionen

Während die Neulistung von Personen, Organisationen und Einrichtungen durch die DVO 2023/1591 nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen, wurden durch die Verordnung (EU) 2023/1594 (VO 2023/1594) des Rates vom 3. August 2023 (Amtsblatt (EU) vom 4. August 2023, L 196) neue güter- und dienstleistungsbezogene Beschränkungen gegen Belarus implementiert, die mit der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine in Verbindung stehen.

Neue Beschränkungen in Bezug auf Feuerwaffen

Zum einen wurde ein neuer Art. 1ba eingefügt, der insoweit Art. 2aa der Russland-Embargo-Verordnung (EU) Nr. 833/2014 entspricht, als er gemäß Abs. 1 den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder Ausfuhr von in Anhang I der Feuerwaffen-Verordnung (EU) Nr. 258/2012 sowie in Anhang XVI der VO 765/2006 (die Anhang XXXV der VO 833/2014 entspricht) gelisteten Feuerwaffen unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Belarus oder zur Verwendung in Belarus verbietet. Zudem legt Art. 1ba Abs. 2 VO 765/2006 – ebenso wie Art. 2aa Abs. 2 VO 833/2014 – korrespondierende Dienstleistungs- und Finanzierungsverbote im Zusammenhang mit diesen Gütern nieder. Anders als Art. 2aa VO 833/2014 enthält der neue Art. 1b VO 765/2006 aber weder ein Verbot der Durchfuhr derartiger Waren durch das Hoheitsgebiet von Belarus, noch ein Verbot des Verkaufs, der Lizenzierung, der Übertragung oder der Weitergabe von geistigen Eigentumsrechten und Geschäftsgeheimnissen im Zusammenhang mit derartigen Waren, das in Art. 2aa VO 833/2014 im Rahmen des elften Sanktionspakets vom 23. Juni 2023 eingefügt wurde.

Neufassung und Ergänzung der Beschränkungen für Dual-Use- und Advanced Technologies-Güter

Daneben wurde durch die VO 2023/1594 der Wortlaut der Art. 1e und Art. 1f VO 765/2006 geändert, um diesen an den Wortlaut der Art. 2 und Art. 2a VO 833/2014 anzupassen. Diese Normen enthalten verkaufs- bzw. ausfuhrseitige Verbote in Bezug auf in Anhang I der Dual-Use-Verordnung (EU) 2021/821 gelistete Güter sowie in Bezug auf sog. Advanced Technologies-Güter, d.h. Güter die zur militärischen und technologischen Stärkung oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten. Die Änderungen betreffen vor allem die in den Abs. 3 und 4 niedergelegten Befreiungen und Ausnahmen von den Verboten.

Die Verbotsnormen betreffend Dual-Use- und Advanced Technologies-Güter wurden am 25. Februar 2022 bzw. 2. März 2022 in die VO 833/2014 und VO 765/2006 eingefügt und waren zunächst gleichlautend. Im Rahmen späterer Sanktionspakete gegen Russland wurden die in Art. 2/2a Abs. 3 und 4 VO 833/2014 niedergelegten Befreiungen und Ausnahmen jedoch geändert, wohingegen zunächst keine Änderung der Bestimmung in der VO 765/2006 vorgenommen wurde. Dies wurde nunmehr nachgeholt.

Eine vollständige Angleichung der Verbotsnormen aneinander hat jedoch nicht stattgefunden. Stattdessen bleiben die Beschränkungen in Bezug auf Dual-Use- und Advanced Technologies-Güter bei Verkäufen/Ausfuhren nach Belarus hinter denen bei Verkäufen/Ausfuhren nach Russland zurück.

Während die Art. 2/2a VO 833/2014 in Abs. 1a seit Inkrafttreten des zehnten bzw. elften Sanktionspakets auch ein Durchfuhrverbot für Dual-Use- und Advanced Technologies-Güter niederlegen, enthalten Art. 1e/1f VO 765/2006 kein derartiges Verbot. Zudem enthalten Art. 2/2a VO 833/2014 in Abs. 2 seit Inkrafttreten des elften Sanktionspakets neben dem Verbot der Erbringungen von Dienstleistungen und Finanzierungshilfen im Zusammenhang mit derartigen Gütern auch ein korrespondierendes Verbot des Verkaufs, der Lizenzierung, der Übertragung oder der Weitergabe von geistigen Eigentumsrechten und Geschäftsgeheimnissen, wohingegen Art. 1e/1f VO 765/2006 kein derartiges Verbot in ihren Abs. 2 vorsehen.

Ferner wurde auch die Liste der erfassten Advanced Technologies gemäß Anhang Va VO 765/2006 nicht umfassend an die Advanced Technologies-Güterliste in Anhang VII der VO 833/2014 angepasst. Ursprünglich waren die Advanced Technologies-Güterlisten in Bezug auf Russland und Belarus gleichlautend. Während jedoch in der Folge die Güterliste in Anhang VII der VO 833/2014 wiederholt erweitert und um einen Teil B ergänzt wurde, wurde die Güterliste in Anhang Va der VO 765/2006 in der Folgezeit nicht angepasst. Durch die Verordnung (EU) 2023/1594 wurde zwar nunmehr ebenfalls ein Teil B in Anhang Va der VO 765/2006 eingefügt. Dieser umfasst aber weniger Positionen als der Teil B des Anhangs VII der VO 833/2014. Der Teil A des Anhangs Va der VO 765/2006 wurde nur im Hinblick auf eine Position angepasst (X.A.I.003.a) und bleibt damit in seinem Umfang erheblich hinter Teil A des Anhangs VII der VO 833/2014 zurück.

Neue Beschränkungen für Güter der Luft- und Raumfahrtindustrie

Schließlich wurden durch den neu eingefügten Art. 1sa VO 765/2006 erstmals verkaufs-/ausfuhrseitige Verbote (samt korrespondierender Dienstleistungs- und Finanzierungsverbote) für die in dem neu eingefügten Anhang XVII aufgeführten Güter niedergelegt, die für die Verwendung in der Luftfahrt oder der Raumfahrtindustrie geeignet sind. Derartige Verbote finden sich in der VO 833/2014 in Art. 3c i.V.m. Anhang XI.

Zwar ist die Liste der erfassten Güter, die für die Verwendung in der Luftfahrt oder der Raumfahrtindustrie geeignet sind, in Anhang XI der VO 833/2014 und Anhang XVII der VO 765/2006 nicht deckungsgleich. So fehlen in der Güterliste in Anhang XVII der VO 765/2006 die unter Teil C des Anhangs XI der VO 833/2014 genannten Güter (KN-Codes 8407 10 und 8409 10). Diese sind jedoch in Anhang XIV der VO 765/2006 gelistet und unterfallen damit dem Verkaufs-/Ausfuhrverbot gemäß Art. 1s VO 765/2006, der jedoch anders als Art. 1sa in seinem Abs. 2 weitreichende, nicht-genehmigungsbedürftige Befreiungen vorsieht.

Im Gegensatz zu Art. 3c VO 833/2014 erfasst Art. 1sa VO 765/2006 zudem nur Güter, die für die Verwendung in der Luftfahrt oder der Raumfahrtindustrie geeignet sind, und nicht auch Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive. Zudem enthält Art. 1sa VO 765/2006 – im Gegensatz zu Art. 3c VO 833/2014 – weder ein Durchfuhrverbot für derartige Waren, noch ein Verbot des Verkaufs, der Lizenzierung, der Übertragung oder der Weitergabe von geistigen Eigentumsrechten und Geschäftsgeheimnissen für derartige Waren. Derartige Verbote wurden in die VO 833/2014 im Rahmen des elften Sanktionspakets vom 23 Juni 2023 eingefügt.

Daneben enthält der Art. 1sa – mangels Relevanz für Belarus – keine (genehmigungsbedürftige) Ausnahme für die Ausfuhr bestimmter gelisteter Güter für die Herstellung von Titangütern sowie für technische Hilfen zur Verhinderung von Kollisionen zwischen Satelliten oder deren unbeabsichtigtes Wiedereintreten in die Atmosphäre (vgl. Art. 3c Abs. 6a und 6b VO 833/2014). Zudem weichen – zwangsläufig – die vorgesehenen Altvertragsregeln voneinander ab (vgl. Art. 1sa Abs. 5 und 6 VO 765/2006 und Art. 3c Abs. 5-6 VO 833/2014).

Bewertung

Die güter- und dienstleistungsbezogenen Wirtschaftssanktionen der EU gegen Belarus bleiben auch nach der jüngsten Sanktionsverschärfung weit hinter denen gegen Russland zurück.

Das Auseinanderfallen der verkaufs-/ausfuhrseitig erfassten Gütern sowie die abweichenden korrespondieren Verbote (insbesondere hinsichtlich Durchfuhr und geistige Eigentumsrechte) sowie divergierende Befreiungs- und Ausnahmebestimmungen sind schwer nachzuvollziehen, da Russland und Belarus (neben Armenien, Kasachstan und Kirgisistan) Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion sind und sich daher Güter, die in eines der Länder eingeführt wurden, im zollrechtlich freien Verkehr befinden und somit zwischen den Mitgliedstaaten frei zirkulieren können. Zudem haben russischen und belarussische Wirtschaftsbeteiligte sowie der russische und belarussische Staat aufgrund der engen Verflechtung der russischen und belarussischen Wirtschaft sowie der Komplizenschaft von Belarus in dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands gegen die Ukraine ein Interesse an der Weiterlieferung von Gütern.

Dass die Sanktionen gegen Russland und Belarus, die zunächst unmittelbar nach Beginn des Überfalls Russlands auf die ganze Ukraine relativ gleichlaufend aufgebaut waren, seither zunehmend voneinander divergiert sind, dürfte zuvorderst daran liegen, dass sich die EU bei der Verhängung von Sanktionen auf Russland als den Hauptverantwortlichen für den Bruch der völkerrechtlichen Ordnung konzentriert hat. Es bleibt abzuwarten, ob die EU die Sanktionsregime gegen Russland und Belarus in Zukunft wieder stärker aufeinander abstimmen wird. Eine derartige Angleichung stünde im Einklang den in Sec. 746 der Export Administration Regulations niedergelegten ausfuhrseitigen US-Sanktionen, die Ausfuhren nach Russland und Belarus gleichermaßen beschränken.

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