Neues Sanktionspaket der EU
Am 21. Juli 2022 wurden im Amtsblatt der EU weitere Sanktionsmaßnahmen veröffentlicht, die am 22. Juli 2022 in Kraft getreten sind und die offiziell als „Paket zur ‚Aufrechterhaltung und Anpassung‘“ der infolge der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine von der EU gegenüber Russland bereits erlassenen Sanktionen bezeichnet werden.
Die neuen Sanktionen schließen an die bereits in den letzten Monaten seit im Februar 2022 und in der Folge Mitte und Ende März, im April und im Juni (Überblick zum 6. Sanktionspaket (gvw.com)) verschärften Sanktionen an.
Mit dem neuen Sanktionspaket werden die Russland-Embargoverordnung (EU) Nr. 833/2014 durch die Verordnung (EU) 2022/1269 sowie die Verordnung (EU) Nr. 269/2014, die Finanzsanktionen gegen bestimmte, namentlich genannte Personen, Organisationen und Einrichtungen durch die Verordnung (EU) 2022/1273 sowie die Durchführungsverordnungen (EU) 2022/1270 und (EU) 2022/1274 geändert. Die Wirtschaftsbeteiligten sollten ihre Geschäftsbeziehungen und -tätigkeiten im Hinblick auf die neu gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen sowie auf die neuen güter- und dienstleistungsbezogenen Sanktionen überprüfen. Eine neue konsolidierte Fassung der Sanktionsverordnungen wird erst noch veröffentlicht werden.
Neue Listungen
Mit dem neuen Sanktionspaket wurde der Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 269/2014 mit gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen um insgesamt weitere 54 natürliche Personen und zehn juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen erweitert. Damit sind inzwischen 1229 natürliche Personen sowie 110 juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen gelistet. Vier weitere Personen und eine Einrichtung wurden infolge der Unterstützung der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine durch Syrien mit der Verordnung (EU) 2022/1275 zur Durchführung der Syrien-Sanktionsverordnung (EU) Nr. 36/2012 in Anhang II der Syrien-Embargoverordnung (EU) Nr. 36/2012 aufgenommen.
Unter den gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen befinden sich ua Mitglieder der Staats- und Provinzduma sowie weitere Unternehmen, die im militärischen Bereich (JSC Forschungs- und Produktionsvereinigung ‚Kvant‘) oder in der Schiffbauindustrie (FORSS-Konzern) tätig sind, aber ebenso der Motorradclub Nightwolves MC oder der Schauspieler und Regisseur Vladimir Mashkov. Von größerer Bedeutung für die Praxis ist die Listung der Sberbank, Russlands größter Bank, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden und der aufgrund des Bereitstellungsverbotes grundsätzlich weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen.
Offenlegung von Vermögenswerten
Um das Einfrieren ihrer Vermögenswerte in der EU zu erleichtern, werden gelistete Personen, Organisationen und Einrichtungen verpflichtet, ihre Vermögenswerte in Europa gegenüber den zuständigen Behörden offenzulegen. Der durch die Verordnung (EU) 2022/1273 neu eingeführte Art. 9 Abs. 2 lit a Verordnung (EU) Nr. 269/2014 nF sieht insoweit vor, dass die gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen vor dem 1. September 2022 oder innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Listung (je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist) Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen innerhalb eines Mitgliedstaats, die in ihrem Eigentum oder Besitz sind oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden, an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen befinden, zu melden haben. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung soll eine Umgehung des Einfrierens von Vermögenswerten darstellen und Strafen nach den anwendbaren nationalen Vorschriften nach sich ziehen können.
Gold und Goldschmuck
Art. 3o Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nF verbietet es, in Anhang XXVI der Verordnung aufgeführtes Gold, Goldschmuck sowie Gold- und Schmiedewaren mit russischem Ursprung unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, einzuführen oder zu verbringen, wenn es nach dem Inkrafttreten des Sanktionspaktes am 22. Juli 2022 aus Russland in die EU ausgeführt wurde. Für Gold in Rohform oder als Halbzeug oder Pulver, Abfälle und Schrott von Gold sowie Goldmünzen gilt das Verbot auch dann, wenn das Gold nach dem 22. Juli 2022 aus Russland in ein Drittland ausgeführt und dort unter Verwendung der nach Art. 3o Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nF verbotenen Erzeugnisse verarbeitet wurde.
Hochtechnologie
Mit der Verordnung (EU) 2022/1269 wurde ferner die Liste der Güter und Technologien in Anhang VII Verordnung (EU) Nr. 833/2014, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, und deren Verkauf, Lieferung, Verbringung und Ausfuhr an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland gemäß Art. 2a Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verboten ist, erweitert. Damit wird der Anhang VII an bereits bestehende Sanktionen der USA angeglichen und umfasst nunmehr etwa auch Ausrüstung für die Urananreicherung und Hydrofracking, Strahlendosimeter, Sprengstoff-Detektionsausrüstung sowie Werkzeug und Werkzeugmaschinen zur Herstellung von Turbinen, Waffen und Bohrausrüstung.
Zugangsverbot
Das Verbot in Art. 3ea Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 für unter russischer Flagge registrierte Schiffe, Häfen in der EU anzulaufen, wird ab dem 30. Juli 2022 auf Schleusen ausgeweitet. Damit sollen Umladungen erschwert und Umgehungen vermieden werden.
Einlagen bei Finanzinstituten
Neu geregelt wurde das Verbot in Art. 5b Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nF für Finanzinstitute, Einlagen russischer Staatsbürger bzw. in Russland ansässiger Personen entgegenzunehmen. Das heißt, der Anwendungsbereich des Verbots wurde auf Einlagen von juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen mit Sitz in Drittländern ausgeweitet, die sich mehrheitlich im Besitz russischer Staatsangehöriger oder natürlicher Personen mit Wohnsitz in Russland befinden. Darüber hinaus wurde für die Entgegennahme von Einlagen für den nicht verbotenen grenzüberschreitenden Handel eine vorherige Genehmigung durch die zuständigen nationalen Behörden vorgeschrieben.
Weitere Klarstellungen und Ausnahmen
Ferner beinhaltet das Sanktionspaket Klarstellungen bzw. Ausnahmen hinsichtlich bereits bestehender Maßnahmen. Das betrifft etwa die Bereiche öffentliches Auftragswesen (Art. 5k Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nF), Luftfahrt und Justiz. So werden etwa die technische Unterstützung Russlands bei Luftfahrtgütern und Technologien insoweit gestattet, als sie zur Sicherung der technischen Industrienormen der internationalen Zivilluftfahrt-Organisation erforderlich ist (Art. 3c Abs. 9 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nF), und das Verbot, Transaktionen mit russischen öffentlichen Einrichtungen zu tätigen, geringfügig geändert, um den Zugang zur Justiz zu gewährleisten (Art. 5aa Abs. 3 lit. g Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nF).
Um negative Auswirkungen auf die weltweite Ernährungs- und Energieversorgungssicherheit zu vermeiden, wurde zudem die Ausnahmemöglichkeit in Art. 5aa Verordnung (EU) Nr. 833/2014 von dem Verbot, mit bestimmten, in Anhang XIX gelisteten, staatseigenen Organisationen Transaktionen zu tätigen, auf Transaktionen im Zusammenhang mit pharmazeutischen, medizinischen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen (lit. f) und der Lieferung von Öl einschließlich raffinierter Erdölerzeugnisse in Drittländer (lit. aa) ausgeweitet. Ferner wurde etwa die Genehmigungsmöglichkeit in Art. 3k Abs. 5 in Verbindung mit Anhang XXIII Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ebenfalls um Güter für medizinische und pharmazeutische Zwecke erweitert.
Ausblick
Der Schwerpunkt des Sanktionspaketes zur „Aufrechterhaltung und Anpassung“ der bestehenden Sanktionen liegt neben neuen Listungen in Korrekturen bzw. Präzisierungen der güter- und finanzbezogenen Maßnahmen gemäß der Embargoverordnung (EU) Nr. 833/2014 sowie der Schaffung bzw. Präzisierung weiterer, als notwendig erkannter Ausnahmemöglichkeiten. Trotz von EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Ungarn, inzwischen verschiedentlich geäußerter Kritik an den Sanktionsmaßnahmen hat sich die EU daher auf das Paket zur „Aufrechterhaltung und Anpassung“ der Sanktionen einigen können, dessen Reichweite jedoch begrenzt ist. Mit der Verabschiedung eines weiteren Sanktionspaktes wird aktuell erst im September, nach der Brüsseler Sommerpause, gerechnet. Es erscheint aber zunehmend schwierig, innerhalb der EU eine politische Einigung für einschneidende Sanktionsmaßnahmen zu erzielen. Gleichwohl sind Wirtschaftsbeteiligte nicht zuletzt aufgrund des umgehenden Inkrafttretens der Sanktionsmaßnahmen gehalten, Änderungen der Rechtslage auch weiterhin aufmerksam zu verfolgen.