Januar 2024 Blog

Neufassung der 37. BImSchV kurz vor Inkrafttreten

Die novellierte 37. BImSchV wurde im Dezember 2023 von der Bundesregierung beschlossen. Sie legt fest, unter welchen Bedingungen der Strom zur Herstellung von RFNBO („renewable fuels of non-biological origin”) als vollständig erneuerbar gilt und der mit diesem Strom erzeugte Kraftstoff auf die THG-Quote angerechnet werden darf. Künftig können sich Mineralölunternehmen RFNBOs sogar mit dem Faktor 3 auf die THG-Quote anrechnen lassen. Außerdem wird in der Neufassung der Verordnung ein Zertifizierungssystem zur Nachweisführung über die Erfüllung der Anforderungen bei der Herstellung und Lieferung von RFNBO eingeführt. Das UBA als zuständige Vollzugsbehörde soll ein zentrales Register dazu führen. Die Bundesregierung hat die Neufassung am 13. Dezember 2023 beschlossen. Der Bundestag wird voraussichtlich noch im Januar 2024 seine erforderliche Zustimmung erteilen. Am Tag nach der Verkündung im Bundesanzeiger tritt die Verordnung in Kraft. Sie ist dann auf Kraftstoffe anzuwenden, die ab dem 1. Januar 2024 in Verkehr gebracht werden. Gleichzeitig tritt die Vorgängerregelung außer Kraft.

Mit der kürzlich beschlossenen „Verordnung zur Anrechnung von strombasierten Kraftstoffen und mitverarbeiteten biogenen Ölen auf die Treibhausgasquote“ (37. BImSchV) definiert die Bundesregierung erstmals genau, unter welchen Bedingungen der Strom zur Herstellung von flüssigen oder gasförmigen erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs für den Verkehr („renewable fuels of non-biological origin” = RFNBO) als vollständig erneuerbar gilt und der mit diesem Strom erzeugte Kraftstoff auf die THG-Quote angerechnet werden darf.

In Deutschland wurde zur Förderung von erneuerbaren Energien im Verkehr 2015 die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) eingeführt. Sie ist ein gesetzlich normiertes marktbasiertes Klimaschutzinstrument, das darauf abzielt, mehr erneuerbare Energien in den Verkehrssektor einzubringen und dadurch klimaschädliche Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Um die Energiewende im Verkehr voranzutreiben, soll die Mineralölwirtschaft durch die Treibhausgasquote dazu motiviert werden, mehr erneuerbare Energien einzusetzen.

Die Regelungen zur Treibhausgasminderungspflicht sind in § 37a BImSchG verankert und – entsprechend der Novellierungen der EU-Vorgaben – fortgeschrieben worden. § 37a BImSchG regelt nicht nur die Verpflichtung der Kraftstoffanbieter (Inverkehrbringer von Otto- und Dieselkraftstoffen) zur Treibhausgasminderung, sondern auch die Erfüllungsoptionen, mit denen sie diese Verpflichtung erfüllen können.

RFNBO als Erfüllungsoptionen

Als Erfüllungsoptionen werden u.a. „flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs“ genannt, vgl. § 37a Abs. 5 Satz 1 Nummern 6 bis 8 BImSchG. Voraussetzung dafür ist, dass „eine Rechtsverordnung (…) dies zulässt“. Diese Rechtsverordnung hat die Bundesregierung mit der Novelle der 37. BImSchV nun endlich erlassen.

Sie definiert in ihrem Teil 2 (§§ 3 bis 10 der 37. BImSchV) die Anforderungen an erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs, also RFNBO.

§ 3 der 37. BImSchV regelt, dass RFNBO auf die Erfüllung der THG-Minderungsverpflichtungen der Kraftstoffanbieter angerechnet werden können, wenn

1. der RFNBO die Mindestanforderungen an die Treibhausgaseinsparungen nach § 10 erfüllt
und
2. der zur Herstellung der RFNBO eingesetzte Strom die Anforderungen der §§ 4 bis 9 erfüllt.

Das heißt, zunächst müssen die Treibhausgaseinsparungen durch den RFNBO gegenüber dem Komparator für fossile Kraftstoffe 70 Prozent betragen. Die Berechnung der Treibhausgaseinsparung richtet sich nach der delegierten Verordnung (EU) 2023/1185.

Die Anforderungen an den eingesetzten Strom differenzieren nach verschiedenen Fallgestaltungen:

1. EE-Strom über Direktanschluss

Soll die Herstellung des RFNBO (z.B. durch Elektrolyse) in derselben Anlage wie die Produktion des Stroms aus erneuerbaren Energien (EE-Anlage) erfolgen oder besteht eine Direktleitung zwischen beiden Anlagen, dann kann der EE-Strom als vollständig erneuerbar angerechnet werden, wenn die EE-Anlage frühestens 36 Monate vor der Anlage zur Herstellung des RFNBO in Betrieb genommen worden ist (Kriterium der Zusätzlichkeit). Falls die EE-Anlage mit dem Stromnetz verbunden ist, muss über einen Smart Meter nachgewiesen werden, dass die Herstellung des RFNBO (z.B. durch Elektrolyse) ohne Strom aus dem Stromnetz erfolgt ist.

2. Regelfall EE-Strom aus dem Netz

Wurde der eingesetzte EE-Strom für die Herstellung des RFNBO aus dem Netz entnommen, lässt sich dieser anrechnen, wenn die Bedingungen der Zusätzlichkeit sowie der zeitlichen und geografischen Korrelation kumulativ erfüllt sind.

a) Kriterium der Zusätzlichkeit

Das Kriterium der Zusätzlichkeit setzt voraus, dass ein PPA mit dem Betreiber einer EE-Anlage besteht, die EE-Anlage maximal 36 Monate für der RFNBO-Anlage in Betrieb genommen wurde und die EE-Anlage keine Förderung in Form von Betriebs‐ oder Investitionsbeihilfen erhalten hat. Während einer bis zum 1. Januar 2038 dauernden Übergangsphase sind diese Anforderungen nicht für RFNBO‐Anlagen anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2028 in Betrieb gehen.

b) Kriterium der zeitlichen Korrelation

Das Kriterium der zeitlichen Korrelation setzt voraus, dass bis zum 31. Dezember 2029 die RFNBO‐Erzeugung im selben Kalendermonat wie die Stromerzeugung im Rahmen des PPA erfolgt. Ab dem 1. Januar 2030 wird diese Regelung verschärft auf dieselbe Stunde. Von diesem Kriterium kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Strompreis höchstens 20 EUR pro MWh beträgt.

c) Kriterium der geografischen Korrelation

Das Kriterium der geografischen Korrelation setzt voraus, dass die RFNBO‐Anlage und Stromerzeugungsanlage sich grundsätzlich in derselben Gebotszone befinden. Damit soll ausgeschlossen werden, dass zwischen der EE-Anlage und der RFNBO‐Anlage ein Netzengpass besteht, der durch den zusätzlichen Strombedarf der RFNBO‐Erzeugung noch verstärkt wird.

3. Sonderfälle für EE-Strom aus dem Netz

Zudem besteht die Möglichkeit der Anrechenbarkeit des Stroms in folgenden Sonderfällen:

a) Gebotszonenbetrachtung mit einem Anteil an erneuerbarem Strom von mehr als 90 Prozent

Die Anlage zur Herstellung des RFNBO (z.B. Elektrolyseur) liegt in einer Gebotszone mit mehr als 90 Prozent EE-Anteil und eine bestimmte maximale Anzahl von Betriebsstunden für die RFNBO‐Erzeugung, die dem EE‐Anteil entspricht, wird nicht überschritten („grüne“ Gebotszone“).

b) Gebotszonenbetrachtung mit geringer Emissionsintensität

Die Anlage zur Herstellung des RFNBO (z.B. Elektrolyseur) liegt in einer Gebotszone mit einer Emissionsintensität von Strom unter 18 g CO2-Äq./MJ, der EE-Strom wird über ein PPA bezogen und die Kriterien der Zeitgleichheit und geografischen Nähe sind erfüllt.

c) Redispatch

Es lag während des Strombezugs zur RFNBO‐Erzeugung eine Redispatch-Situation vor und durch die Herstellung des RFNBO mussten weniger EE-Anlagen abgeriegelt werden.

Anrechenbarkeit von RFNBO

Mit der Neufassung der 37. BImSchV werden RFNBO mit dem 3-fachen ihres Energiegehaltes auf die Treibhausgasminderungsverpflichtungen angerechnet. Bislang galt eine zweifache Anrechenbarkeit. Damit soll der Einsatz von RFNBO – trotz hoher Herstellungskosten – wirtschaftlich konkurrenzfähig sein.

Nachweise, zentrales Register und elektronische Datenbank

Darüber hinaus wird ein neues System zur Nachweisführung über die Erfüllung der Anforderungen bei der Herstellung und Lieferung von erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs eingeführt, das auf der Zertifizierung aller relevanter Wirtschaftsteilnehmer basiert. Dies schließt den Aufbau und Betrieb eines Registers für diese Kraftstoffe sowie einer elektronischen Datenbank durch das Umweltbundesamt (UBA) als zuständige Vollzugsbehörde mit ein.

Europarechtlicher Hintergrund

Die Neufassung der 37. BImSchV setzt zwei EU-Verordnungen um, die auf der Erneuerbare-Energien-Richtlinie EU 2018/2001 (Renewable Energy Rirective II – RED II) beruhen. Die RED II ist am 24. Dezember 2018 in Kraft getreten und war eigentlich schon bis zum 30. Juni 2021 umzusetzen. Sie enthält Zielvorgaben für den Anteil erneuerbarer Energien in den Sektoren Strom, Wärme/Kälte und Verkehr. Für den Verkehrssektor bestimmt sie, dass jeder EU-Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch des Verkehrssektors bis zum Jahr 2030 auf mindestens 14 Prozent zu erhöhen. Dieses Ziel soll vor allem durch die Entwicklung erneuerbarer Kraftstoffe erreicht werden. Erneuerbare Kraftstoffe umfassen sowohl Biokraftstoffe als auch RFNBO. Um Anreize für die Entwicklung von RFNBO zu schaffen, wurden in den Art. 25 bis 27 der RED II die Rechtsgrundlagen für die Anrechenbarkeit dieser geschaffen. Diese Regelungen sollten durch sog. delegierte Rechtsakte präzisiert werden. Dies erfolgte im Frühjahr 2023 durch die delegierte Verordnung (EU) 2023/1184 mit detaillierten Vorschriften für die Erzeugung von RFNBO sowie durch die delegierte Verordnung (EU) 2023/1185 mit der Festlegung eines Mindestschwellenwertes für die Treibhausgaseinsparungen von RFNBO. Nach fast einem Jahr wurden diese EU-Vorgaben für RFNBO durch die Neufassung der 37. BImSchV 1:1 ins nationale Recht umgesetzt.

Fazit

So schön wie es ist, endlich klare Regelungen zur Anrechenbarkeit von RFNBO zu haben, so sehr stellt die Neuregelung der 37. BImSchV ihre Anwender vor ganz neue Herausforderungen. Es lohnt sich allerdings, die Regelungen einmal nachzuvollziehen. Denn die Vorgaben, die aktuell noch (nur) die Anrechenbarkeit von RFNBO im Verkehr regeln, sollen in absehbarerer Zeit auf weitere Sektoren ausgeweitet werden. Aus diesem Grund werden sie in weiten Kreisen schon jetzt als allgemeine Definition für „grünen Wasserstoff“ verstanden.

 

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