Mai 2021 Blog

Nochmalige Aus­weitung der deutsch­en Inves­titions­kontrolle

Am 1. Mai 2021 ist die 17. Änderungsverordnung zur Außenwirtschaftsverordnung in Kraft getreten, mit der insbesondere der Anwendungsbereich der meldepflichtigen Transaktionen um weitere Sektoren, vor allem im Bereich der Hochtechnologie, erweitert wird. Die Verordnung gilt für alle ab ihrem Inkrafttreten unterzeichneten Verträge.

Zusätzliche meldepflichtige Tatbestände

In den vergangenen Jahren wurde die deutsche Investitionskontrolle bereits mehrfach verschärft. Die Anzahl der Fallgruppen, in denen eine Meldepflicht beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgelöst wird und die Transaktion freigegeben werden muss, wurde nun im Bereich der sogenannten sektorübergreifenden Prüfung mit der 17. Änderungsnovelle (BAnz AT 30.04.2021 V1) nochmals erheblich erweitert, nämlich um 16 neue Fallgruppen (auf jetzt 27). Der Schwerpunkt der neuen Fallgruppen liegt auf Zukunfts- und Schlüsseltechnologien. Umfasst sein können nunmehr auch deutsche Zielunternehmen, die in den folgenden Sektoren tätig sind: künstliche Intelligenz, autonomes Fahren/Fliegen, Robotik, bestimmter IT-Sicherheitsprodukte, Luft- und Raumfahrt, Quanten- oder Nukleartechnologie, Optoelektronik, Netztechnologie, additive Fertigung, Smart-Meter-Gateways, Dienstleistungen für die Informations- und Kommunikationstechnik des Bundes, kritische Rohstoffe, geheimgestellte Patente und Gebrauchsmuster sowie Land- und Ernährungswirtschaft.

Zugleich wurde der die Meldepflicht auslösende Schwellenwert für diese Fälle auf den Erwerb von mindestens 20 % der Stimmrechte festgelegt (im Referentenentwurf war hier noch ein Schwellenwert von 10 % vorgesehen). Die Anhebung von 10 % auf 20 %, die auch auf den Gesundheitssektor erstreckt wurde, ist ausdrücklich zu begrüßen, auch wenn ein Schwellenwert von 25 % nähergelegen hätte. Für kritische Infrastrukturen und die Medienwirtschaft bleibt es hingegen beim bisherigen Schwellenwert von 10 %. Mit der Ausweitung der Fallgruppen wird zugleich die Screening-Verordnung 2019/452 der Europäischen Union weiter umgesetzt, wobei der deutsche Verordnungsgeber im Sinne erhöhter Rechtsklarheit gegenüber den in der EU-Screening-Verordnung genannten Sektoren eine deutliche Präzisierung vorgenommen hat. Eine Hilfestellung bietet auch der Runderlass 2/2021 des BMWi (BAnz AT 30.04.2021 B2), der eine ausführliche Begründung zu den einzelnen Katalogfällen enthält.

Sektorspezifische Prüfung

Darüber hinaus wurde die sektorspezifische Prüfung im Verteidigungssektor insbesondere auf sämtliche Erwerbe von Unternehmen erweitert, die Rüstungsgüter im Sinne von Teil I A der Ausfuhrliste entwickeln, herstellen, modifizieren oder besitzen. Zuvor waren nur bestimmte Teilbereich der Ausfuhrliste betroffen. Ebenfalls sind etwa verteidigungswichtige Einrichtungen vom Anwendungsbereich erfasst.

Sowohl in Bezug auf die meldepflichtigen Katalogfälle als auch die sektorspezifische Prüfung gilt, dass Erwerbe in solche Zielunternehmen erst mit der Freigabe durch das BMWi wirksam werden und bis dahin ein strafbewehrtes Vollzugsverbot besteht.

Atypischer Kontrollerwerb

Neu ist, dass nunmehr auch atypische Kontrollerwerbe erfasst werden. Die Regelung sieht vor, dass es für eine Prüfung der Investitionen insoweit nicht formal auf den Erwerb der Stimmrechte ankommt, sondern dass es genügt, wenn der Erwerber einen Stimmrechtsanteil unterhalb des jeweils einschlägigen Schwellenwertes erwirbt, sofern der Erwerb mit der Zusicherung zusätzlicher Sitze oder Mehrheiten in Aufsichtsgremien oder in der Geschäftsführung, der Einräumung von Vetorechten bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen oder der Einräumung von sicherheitsrelevanten unternehmensbezogenen Informationsrechten verbunden ist. Zwar besteht nach der Novelle bei solchen atypischen Kontrollerwerben keine Meldepflicht, das BMWi hat jedoch ein Prüfrecht. Aufgrund der Prüfmöglichkeit des BMWi wird sich in vielen derartigen Fällen eine vorsorgliche Meldung beim BMWi anbieten, was wiederum Auswirkungen auf die zeitliche Planung von Transaktionen hat.

Hinzuerwerbe

Ferner enthält die Novelle zwei Klarstellungen, nämlich dass auch sogenannte „Hinzuerwerbe“ in den Anwendungsbereich der Investitionskontrolle fallen können und dass von der sektorübergreifenden in die sektorspezifische Prüfung (und umgekehrt) gewechselt werden kann. Das entspricht der bisherigen Prüfpraxis des BMWi, wobei hier bislang eine eindeutige Rechtsgrundlage für diese Auffassung fehlte. Das bedeutet, dass auch eine Aufstockung des Anteils oberhalb der jeweils einschlägigen Schwellenwerte von 10 %, 20 % oder 25 % vom Anwendungsbereich der Investitionskontrolle erfasst sein kann. Das gilt selbst dann, wenn dem Erwerber für den vorangegangenen Anteilserwerb vom BMWi eine Freigabe oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt wurde. Voraussetzung ist jedoch, dass durch den weiteren Anteilserwerb bestimmte Beteiligungsschwellen erreicht sein müssen (je nach Konstellation 20 %, 25 %, 40 %, 50 % oder 75%).

Fazit und Ausblick

Die jüngsten Änderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Transaktionspraxis. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass auch das BMWi selbst von einem erheblichen Anstieg der zukünftig zu prüfenden Fälle ausgeht. Ebenso wie im Bereich der Fusionskontrolle werden künftig bei nahezu jedem Erwerb die Auswirkungen der Transaktion, sowohl auf Erwerber- als auch auf Verkäuferseite, bereits frühzeitig unter dem Blickwinkel des deutschen Investitionskontrollrechts zu prüfen sein.

Die nächste Änderung ist bereits in Sichtweite, wobei diese wahrscheinlich punktuell eher zu Erleichterungen führen dürfte. Es gibt Vorschläge, in bestimmten Fällen die Vollzugsbeschränkungen zu lockern und die Abwicklung von Börsengeschäften zu erleichtern. Börsengeschäfte können dann von der Vollzugsbeschränkung (schwebende Unwirksamkeit) ausgenommen werden. Auch soll bei öffentlichen Übernahmeangeboten die Prüffrist zu Gunsten des Erwerbs ausnahmsweise bereits vor Vertragsschluss, das heißt der Annahme des Angebots, zu laufen beginnen.

Nicht zuletzt deshalb, weil im Außenwirtschaftsgesetz bzw. der Außenwirtschaftsverordnung selbst eine Evaluierung der jüngsten Novellierungen gesetzlich vorgesehen ist, dürfte auch in Zukunft regelmäßig mit weiteren Änderungen der investitionskontrollrechtlichen Vorschriften im Außenwirtschaftsrecht zu rechnen sein.

Marian Niestedt, Rechtsanwalt
Hamburg

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