Novellen zum Baugesetzbuch und zur Baunutzungsverordnung
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 sah vor, dass der Klimaschutz und die Innenentwicklung im Bauplanungsrecht gestärkt werden sollen. Des Weiteren sollte die Baunutzungsverordnung, die zuletzt 1990 umfassend novelliert wurde, überprüft und ggf. angepasst werden. Im Rahmen des Gesetzespakets zur „Energiewende“ (Atomausstieg) wurden die Regelungen zum Klimaschutz bereits „vorgezogen“ und traten mit dem „Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden“ zum 30. Juli 2011 in Kraft.
Weitergehende Änderungen zum Thema Innenstadtentwicklung einschließlich Änderungen der Baunutzungsverordnung sowie zum Thema Tierhaltungsanlagen im Außenbereich sind nun Gegenstand des im Februar des Jahres vorgelegten Referentenentwurfes zum Baugesetzbuch. Diese Änderungen sollen bis zum Jahresende im Rahmen einer zweiten BauGB-Novelle in Kraft treten.
„Klimaschutznovelle“ (in Kraft seit dem 30. Juli 2011)
Regelungen für den Innenbereich
Die Ergänzungen durch die Klimaschutznovelle zielen zunächst darauf ab, den Klimaschutz ausdrücklich als städtebauliches Ziel festzuschreiben. Damit sollen weitere Maßnahmen, „die dem Klimawandel entgegenwirken“ bzw. Maßnahmen, „die der Anpassung an den Klimawandel dienen“ zum Gegenstand der Bauleitplanung (einschließlich entsprechender Darstellungen und Festsetzungen in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, §§ 5 Abs. 2, 9 Abs. 1 BauGB), von städtebaulichen Verträgen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 BauGB) sowie des besonderen Städtebaurechts (im Rahmen von Sanierungsgebieten und Stadtumbaugebieten, §§ 148 Abs. 2, 171 a, 171 c Satz 2 BauGB) werden.
Weiter sind Erleichterungsvorschriften für Maßnahmen an bestehenden Gebäuden vorgesehen, die dem Zwecke der Energieeinsparung oder der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen: § 248 BauGB sieht vor, dass in diesem Falle auch (geringfügige) Abweichungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes möglich sind bzw. vom Erfordernis des „Einfügens“ im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB abgewichen werden kann. Diese planungsrechtlichen Vorschriften finden eine Parallele in den bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die zwischenzeitlich in einer Vielzahl von Landesbauordnungen vorgesehen sind, nämlich dass entsprechende energieeinsparende oder energiegewinnende Maßnahmen eine Abweichung von den allgemeinen Abstandsflächenregelungen zulassen.
Regelungen im Außenbereich
Im Außenbereich wird für privilegierte zulässige Biomasseanlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB) die Bezugsgröße für die festgesetzte Obergrenze geändert. Während bisher an die Leistung der Verbrennungsanlage (0,5 Megawatt) angeknüpft wurde, soll nunmehr die Feuerungswärmeleistung, also die Eingangsleistung maßgeblich sein (sie darf 2,0 Megawatt nicht überschreiten und die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas darf 2,3 Mio. Normkubikmeter Biogas pro Jahr nicht überschreiten).
Neu ist die (auch) planungsrechtliche Privilegierung von Photovoltaikanlagen auf „Dach- und Außenflächen zulässigerweise genutzter Gebäude“ im Außenbereich. Das heißt, dass diese Anlagen, die nach vielen Landesordnungen bereits verfahrensfrei gestellt worden waren, nicht mehr der Nutzung der Gebäude untergeordnet sein müssen, sondern die erzeugte Energie auch vollständig in ein öffentliches Netz eingespeist werden kann.
Schließlich sieht § 249 BauGB Regelungen vor, die für planende Gemeinden eine Vereinfachung bei der Ausweisung von zusätzlichen Flächen für die Windenergie vorsehen, um die Möglichkeiten eines Repowerings zu erweitern.
Fazit:
Es wurden Regelungsinstrumente eingeführt, um Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken oder der Anpassung an den Klimawandel dienen, leichter umsetzen zu können.
Für privilegiert im Außenbereich zulässige Biomasseanlagen wurde die Bezugsgröße für die festgesetzte Obergrenze geändert.
Photovoltaikanlagen auf Dach- und Außenflächen zulässigerweise genutzter Gebäude sind auch im Außenbereich ohne funktionale Unterordnung unter den Gebäudezweck privilegiert zulässig.
Die Rahmenbedingungen für die Ausweisung zusätzlicher Flächen für die Windenergie werden mit Blick auf die Möglichkeiten des Repowerings vereinfacht.
BauGB-Novelle 2012 (Entwurf)
Am 14. Februar 2012 wurde der Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts“ vorgelegt.
Regelungen für den Innenbereich
Wesentliche Zielrichtung ist der Vorrang der Innenentwicklung vor der Inanspruchnahme insbesondere bisher als Landwirtschaft und Wald genutzter Flächen. Sollen zukünftig land- oder forstwirtschaftliche Flächen umgewandelt werden, ist dies besonders zu begründen. Es ist im Einzelnen darzulegen, dass es für die beabsichtigte Planung kein Innenentwicklungspotenzial gibt, also insbesondere keine „Brachflächen, Leerstand in Gebäuden, Baulücken und Nachverdichtungspotenziale“. Bei der Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Flächen für Ausgleichsmaßnahmen ist ihre (bisherige) agrarstrukturelle Bedeutung zu beachten, §§ 1 Abs. 5, 1 a Abs. 2, 3 BauGB-Entwurf. Dem Ziel der innerörtlichen Verdichtung dient auch die Anpassung des § 17 Abs. 2 BauNVO-Entwurf: Die Rechtfertigung eines Überschreitens der Maßobergrenze für die einzelnen Baugebiete kann nunmehr bereits mit „allgemeinen“ und nicht mehr ausschließlich mit „besonderen“ städtebaulichen Gründen gerechtfertigt werden.
Die Entwicklung und Gestaltung der Innenstädte soll auch dadurch unterstützt werden, dass zukünftig bereits auf der Ebene eines Flächennutzungsplans „zentrale Versorgungsbereiche“ dargestellt werden können. Dies kann in belastbarerer Weise an die Stelle der vielerorts im Sinne eines Entwicklungskonzepts bzw. einer „sonstigen städtebaulichen Planung“ im Sinne von § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB verabschiedeten Einzelhandelskonzepte treten und ergänzt die entsprechenden Festsetzungsmöglichkeiten in § 9 Abs. 2 a BauGB.
Weiter wird die Möglichkeit geschaffen, im Innenbereich durch (einfache) Bebauungspläne die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten zu beschränken oder auszuschließen (§ 9 Abs. 2 b BauGB-Entwurf). Im unbeplanten Innenbereich soll nun auch bei der Umwandlung von gewerblichen Nutzungen zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung abgesehen werden können, § 34 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1 BauGB-Entwurf.
Schließlich soll die Möglichkeit von Rückbaugeboten für nicht mehr funktions- und instandsetzungsfähige Gebäude („Schrottimmobilien“) nicht mehr auf Bebauungsplangebiete beschränkt, sondern grundsätzlich zulässig sein.
Weitere, eher technische Regelungen betreffen eine (geringe) Erweiterung des gemeindlichen Vorkaufsrechts, § 27 BauGB-Entwurf, die systematische „Verlagerung“ des Erschließungsvertrages aus den besonderen Regelungen des Erschließungsrechts in die allgemeinen Regelungen für städtebauliche Verträge, §§ 11, 124 BauGB-Entwurf, sowie Änderungen im Zusammenhang mit den Aufgaben der Gutachterausschüsse und ihrer Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden, §§ 192 ff. BauGB-Entwurf.
Einige Regelungen ergänzen auch die „Klimanovelle“ aus dem Juli des Vorjahres. So etwa eine weitere Inbezugnahme von Klimaschutzbelangen und konkreten Maßnahmen im Zusammenhang mit sanierungsrechtlichen Bestimmungen, § 136 BauGB-Entwurf, und die Qualifikation von Solaranlagen an oder auf Gebäuden im Innenbereich als Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO-Entwurf, auch wenn sie dem Gebäude nicht funktional zugeordnet sind, sondern die erzeugte Energie insgesamt in ein öffentliches Netz eingespeist wird; dies entspricht der bereits in Kraft getretenen Regelung in § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB für den Außenbereich.
Dem politischen Ziel der Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt die Regelung, dass Anlagen zur Kinderbetreuung zukünftig auch in allen (auch bereits vorhandenen) reinen Wohngebieten allgemein und nicht nur ausnahmsweise zulässig sind.
Regelungen für den Außenbereich
Mit Blick auf den Außenbereich wird die Umnutzung von bisherigen Wirtschaftsgebäuden oder nicht erhaltenswerter Bausubstanz im Zusammenhang mit einer Hofstelle zu einer modernen Ansprüchen entsprechenden Wohnnutzung erleichtert.
Wesentlich ist im Außenbereich die so genannte „Entprivilegierung“ größerer Tierhaltungsanlagen. Sie sollen zukünftig nur noch nach Maßgabe eines entsprechenden (Außenbereichs-)Bebauungsplanes zulässig sein. Dies kann ein insgesamt Tierhaltungsanlagen steuernder oder das konkrete Vorhaben zulassender (vorhabenbezogener) Bebauungsplan sein.
Fazit:
Der Vorrang der Innenentwicklung soll gesetzgeberisch festgelegt werden.
Eine Überschreitung der Maßobergrenzen für die bauliche Nutzung in den einzelnen Baugebieten soll erleichtert werden.
Zentrale Versorgungsbereiche sollen bereits auf der Ebene des Flächennutzungsplans dargestellt werden können.
Durch Bebauungsplan soll die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten beschränkt oder ausgeschlossen werden können.
Die Umnutzung von gewerblichen Nutzungen zu Wohnzwecken soll vereinfacht werden.
Kinderbetreuungsanlagen sollen auch allgemein in reinen Wohngebieten zulässig sein.
Im Außenbereich sollen ebenfalls Erleichterungen für die Umnutzung bisheriger (Wirtschafts-) Gebäude zur Wohnnutzung eingeführt werden.
Größere Tierhaltungsanlagen sollen nicht mehr privilegiert, sondern nur noch im Rahmen eines entsprechenden Bebauungsplans zulässig sein.
Dr. Sigrid Wienhues, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht