Rechtsscheinhaftung beim Handeln mit unrichtigem Rechtsformzusatz
Der Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft, der im Rechtsverkehr den Eindruck erweckt, dass es sich bei seiner Unternehmergesellschaft um eine GmbH handelt, haftet kraft Rechtsscheins unmittelbar und persönlich für die Verbindlichkeiten seiner Unternehmergesellschaft.
Im Zuge der Reform des GmbH-Gesetzes 2008 wurde die Unternehmergesellschaft („UG“, um-gangssprachlich „Mini-GmbH“) als existenzgründerfreundliche Variante der herkömmlichen GmbH eingeführt. Die UG kann mit einem Stammkapital von mindestens EUR 1 gegründet werden, wohingegen die GmbH ein Stammkapital von mindestens EUR 25.000 haben muss. Nach § 5a GmbHG muss die Firma einer UG die Bezeichnung "Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)" oder "UG (haftungsbeschränkt)" führen. Dadurch wird dem Rechtsverkehr signalisiert, dass die Gesellschaft möglicherweise mit sehr geringem Kapital ausgestattet ist, und erlaubt Rückschlüsse auf die Seriosität sowie Kreditwürdigkeit der Gesellschaft.
Wird die UG im Rechtsverkehr hingegen als „GmbH“ bezeichnet, werde damit der irreführende Eindruck erweckt, dass es sich um eine GmbH mit erhöhtem Stammkapital handle. In diesem Fall bejahte der BGH eine persönliche Außenhaftung des Geschäftsführers der UG für die Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft. Anspruchsgrundlage sei die Rechtsscheinhaftung analog § 179 Abs. 1 BGB, sodass nach Maßgabe des zurechenbar verursachten Rechtscheins gehaftet wird. Damit hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung weiterentwickelt. Bislang bejahte der BGH eine Rechtsscheinhaftung in solchen Fällen, in denen der für eine haftungsbeschränkte Gesellschaft Handelnde den Rechtsformzusatz im Rechtsverkehr weggelassen und somit den Eindruck eines persönlich haftenden Unternehmers erweckt hatte (jüngst BGH, Urteil vom 05.02. 2007, Az. II ZR 84/05).
Offen ließ der BGH, bis zu welcher Höhe der Geschäftsführer haftet. Es dürfte dabei sachgerecht sein, die Haftung auf die Differenz zwischen dem tatsächlichen Stammkapital der UG und dem Mindeststammkapital einer GmbH zu beschränken. Denn dieser Rechtsschein wurde gesetzt und hierauf vertraute der Rechtsverkehr.
Existenzgründer, die sich für die Rechtsform einer UG entscheiden, müssen daher sorgfältig darauf achten, dass ihre UG im Rechtsverkehr stets mit den Rechtsformzusätzen "Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)" oder "UG (haftungsbeschränkt)" auftritt. Diese gesetzliche Vorgabe ist exakt und buchstabentreu einzuhalten.
Im Übrigen haben auch sonstige Gesellschaften in ihrer Firma die korrekte Rechtsformangabe zu führen, da ansonsten bei der impliziten Behauptung eines höheren als des tatsächlich vorhandenen Stammkapitals die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung greifen. So dürfte etwa eine GmbH, die im Rechtsverkehr als Aktiengesellschaft auftritt, jedenfalls in Höhe der Differenz des tatsächlichen Stammkapitals der GmbH zum Mindestnennbetrag des Grundkapitals der AG (§ 7 AktG EUR 50.000) haften.
(BGH, Urteil vom 12.06.2012, Az. II ZR 256/11).
Dr. Philipp Wallau LL.M., Rechtsanwalt