Juli 2023 Blog

Satelliten­kommu­nikation und Nach­hal­tig­keit

Am 13. Juni 2023 hat die „Initiative für Nachhaltigkeit im Weltraum“ des Weltwirtschaftsforums in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumagentur (European Space Agency – ESA) Empfehlungen zur Reduzierung und Vermeidung von Weltraumschrott veröffentlicht („Space Industry Debris Mitigation Recommendations“). Eine Reihe von Akteuren in der Weltraumindustrie haben erklärt, dass sie diese Empfehlungen unterstützen, fördern und deren Einhaltung anstreben.

Diese – naturgemäß rechtlich nicht verbindlichen – Empfehlungen spiegeln eine Problematik und rechtliche Herausforderung wider, die mit dem rasanten Wachstum der Weltraumindustrie in den letzten Jahren zunehmend in das Bewusstsein aller rückt, die in diesem Bereich tätig sind. Dies betrifft staatliche Akteure ebenso wie private Stakeholder.

Weltraumtechnologien spielen in vielen Lebensbereichen eine wesentliche Rolle und ermöglichen ein breites Spektrum täglicher Anwendungen. Satellitenbasierte Daten mit hoher Auflösung werden vielfältig eingesetzt, sei es in der Landwirtschaft („smart farming“), in der Früherkennung, Verfolgung und Bekämpfung von Katastrophen (Waldbrände, Überschwemmungen, Ölkatastrophen) und in der Erdbeobachtung für Zwecke der Klimaforschung und Wettervorhersagen, um nur einige Beispiele zu nennen. Im Telekommunikationsbereich hat die zunehmende Kommerzialisierung der Weltraumindustrie in den letzten Jahren verstärkt zur Entwicklung von Satellitennetzen mit (geplanten) tausenden niedrig fliegenden Satelliten geführt. Satelliten ermöglichen weltweit eine Abdeckung in entlegenen, unversorgten oder schlecht versorgten Regionen. Aber auch in hochentwickelten Industriestaaten wie Deutschland tragen Satelliten dazu bei, eine flächendeckende Breitbandversorgung auszubauen, die mit terrestrischen Netzen bis heute nicht sichergestellt werden konnte. Der von Russland geführte Angriffskrieg in Europa hat die in vielerlei Hinsicht – militärisch, humanitär, gesellschaftlich – entscheidende Bedeutung funktionierender und sicherer Kommunikationsinfrastrukturen deutlich gezeigt. Hier bieten Satellitenkonstellationen nach Zerstörung der terrestrischen Netze die einzige Möglichkeit zur Kommunikation im Land und nach außen.

Im staatlichen Bereich steigt mit zunehmender Bedeutung satellitenbasierter Anwendungen das Bedürfnis, die Sicherheit der Konnektivität zu gewährleisten. Staaten nutzen Satelliten u.a. für militärische Zwecke der Aufklärung und Beobachtung, für die Überwachung und den Schutz kritischer Infrastrukturen und für Zwecke des Krisenmanagements. Der Vorschlag der EU Kommission für eine Verordnung zur Einrichtung des Programms der Union für sichere (satellitenbasierte) Konnektivität für den Zeitraum 2023-2027 vom 15.02.2022 zeigt die Bedeutung, die einer sicheren und autonomen weltraumgestützten Konnektivitätsinfrastruktur zugemessen wird.

All dies bedeutet aber auch, dass sich im Weltraum bereits jetzt eine gewaltige Zahl aktiver Satelliten befindet, die rapide zunimmt. Das Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (United Nations Office for Outer Space Affairs – UNOOSA) listet aktuell ca. 16.000 Satelliten, die auf der Grundlage des Weltraumregistierungsübereinkommens von 1974 bei den Vereinten Nationen registriert sind. Dabei ist davon auszugehen, dass nicht alle Satelliten, die in den Weltraum gebracht werden, bei den Vereinten Nationen registriert werden. Nach aktuellen Angaben der ESA (Stand Juni 2023) sind etwa 8.200 Satelliten weiterhin in Betrieb. Außer Betrieb genommene Satelliten, die im Orbit verbleiben, bilden einen Teil des sog. Weltraumschrotts, der stetig zunimmt. Daneben vermüllen derzeit Millionen Schrottteile, die insbesondere bei Kollisionen im All entstehen, den Weltraum. Die ESA zählt (unter anderem) ca. 130 Millionen Kleinstteile, die in hohen und niedrigen Umlaufbahnen im All kreisen. Der Schaden, den auch kleinste Bruchteile in aktiven Satelliten verursachen können, ist aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sich diese Teile bewegen, gewaltig.

In rechtlicher Hinsicht ist die Bewältigung dieser Problematik der zunehmenden Vermüllung des Alls, wie auch insgesamt die Regulierung des Weltraums, vor allem auf die internationale Zusammenarbeit der Staaten und die Schaffung verbindlicher völkerrechtlicher Rahmenbedingungen angewiesen, die dann aber auch auf nationaler Ebene auf private Akteure erstreckt und ggf. inhaltlich konkretisiert werden müssen. Die Entwicklung verbindlicher völkerrechtlicher Regelungen auch und gerade im Kontext der Nachhaltigkeit ist zäh und langwierig, wie das internationale Abkommen zum Schutz der Weltmeere zeigt, auf das sich die Vereinten Nationen erst kürzlich geeinigt haben.

Die Empfehlungen des Weltwirtschaftsforums zur Bewältigung der durch Weltraumschrott verursachten Probleme bewegen sich im auch bisher dominierenden Raum unverbindlicher Richtlinien wie die des Büros der Vereinten Nationen oder des Inter-Agency Space Debris Coordination Committee. Sie können aber jedenfalls durch Herausbildung von „best practices“ bspw. im Bereich des Daten-Sharing zwischen privaten Akteuren sowie zwischen privaten und staatlichen Akteuren zur Problemlösung außerhalb verbindlicher Vorschriften beitragen. Die Entwicklung rechtlich verbindlicher Regelungen bleibt aber von unverändert hoher Bedeutung. Die EU arbeitet hieran, wenn auch in kleinen Schritten. Der o.g. Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung eines Programms für sichere weltraumgestützte Konnektivität wurde von einer Erklärung zum Weltraumverkehrsmanagement (Space Traffic Management – STM) begleitet, die u.a. die bereits auf EU-Ebene betriebene Beobachtung und Verfolgung von Objekten im Weltraum zur Vermeidung von Kollisionen und damit auch von Weltraumschrott adressiert. Zu den regulatorischen Aspekten des STM, deren Umsetzung verfolgt wird, gehören danach unverbindliche Leitlinien, ebenso aber auch die Schaffung verbindlicher Verpflichtungen auf EU-Ebene zur Vermeidung und Beseitigung von Weltraumschrott. Ein – seit langem angekündigtes – deutsches Weltraumgesetz wird sich auch mit dem Thema einer nachhaltigen Weltraumindustrie befassen (müssen), lässt aber bisher auf sich warten. 

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