April 2023 Blog

Selbst-Bestellung eines Vorstands als Geschäftsführer bei Tochter-GmbH

Will sich das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft bei deren 100%iger Tochter-GmbH selbst als Geschäftsführer bestellen, ist lediglich das Verbot des Insichgeschäfts gem. § 181 BGB zu beachten. Der Aufsichtsrat ist nicht gem. § 112 AktG zuständig.

In seinem Beschluss vom 17. Januar 2023, Az. II ZB 6/22, hat sich der BGH mit der rechtlichen Problematik der Selbstbestellung des Vorstands einer Aktiengesellschaft als Geschäftsführer bei einer Tochter-GmbH befasst. Bei dieser, in der Praxis durchaus üblichen Vorgehensweise ist lediglich die rechtliche Ausgangslage unstrittig: Ist eine Aktiengesellschaft die einzige Gesellschafterin einer GmbH, so wird die Aktiengesellschaft in der Gesellschafterversammlung ihrer Tochtergesellschaft durch ihren Vorstand vertreten. Der Vorstand ist dementsprechend als organschaftlicher Vertreter des Gesellschafters auch grundsätzlich (allein) zuständig für die Bestellung der Geschäftsführer der GmbH, was für die Bestellung von Dritt-Geschäftsführern außer Streit steht. Nicht selten bestellen sich allerdings Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften bei deren 100%iger Tochter-GmbH selbst als Geschäftsführer („Doppelmandat“). Für die Praxis begründet diese Vorgehensweise durchaus eine juristische Herausforderung, da (in mehrfacher Hinsicht) rechtlich kontrovers beurteilt. Im obigen Beschluss, in dem es um die Eintragung der Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers in das Handelsregister geht, hat der BGH nunmehr (für die Praxis klärend) zu einigen Streitpunkten Stellung genommen.

Zuständiges Organ: Vorstand

Umstritten ist bereits, welches Organ grundsätzlich für die Bestellung eines Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft als Geschäftsführer bei deren 100%iger Tochter-GmbH zuständig ist: der Aufsichtsrat (gem. § 112 AktG) oder der Vorstand (gem. § 78 AktG) der Muttergesellschaft. Der BGH folgt in seinem Beschluss insoweit der h.M. und bejaht – ebenso wie die Vorinstanz OLG Frankfurt (Beschl. v. 4.1.2022, Az. 20 W 225/20, NZG 2022, 713) – eine Zuständigkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft gem. § 78 AktG.

Anwendbarkeit des § 181 BGB

Auf Basis dieser Rechtsauffassung stellt sich die Folgefrage, ob die Vertretungsmacht der einzelnen Vorstandsmitglieder insoweit unbeschränkt ist oder ob die Selbstbestellung zu Geschäftsführern bei einer Tochter-GmbH in den Anwendungsbereich des § 181 Fall 1 BGB (Verbot des Insichgeschäfts) fällt. Auch hier folgt der BGH der ganz überwiegenden Auffassung (und der Vorinstanz), wonach die Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft bei der Beschlussfassung über seine Bestellung als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nach § 181 Fall 1 BGB beschränkt ist. Eine Selbstbestellung ist danach also nur möglich, wenn das Vorstandsmitglied zuvor von der Beschränkung gem. § 181 Fall 1 BGB befreit wurde (entweder durch eine entsprechende Satzungsregelung oder einen Beschluss des Aufsichtsrates der Muttergesellschaft).

Unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung weist der BGH in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es für die Anwendung von § 181 BGB keinen Unterschied macht, ob das gem. § 181 BGB in seiner Vertretungsmacht beschränkte Vorstandsmitglied selbst oder durch einen Bevollmächtigten handelt. Auch wenn letzteres der Fall ist, bedarf es einer Befreiung von § 181 BGB, weil der Betroffene auf diesem Umweg (d.h. über eine Vollmacht) nicht seine eigene Vertretungsmacht erweitern kann.

Genehmigung durch anderes Vorstandsmitglied

In dem vom BGH entschiedenen Fall fehlte es an einer Befreiung von § 181 BGB, so dass der Vorstandsbeschluss zur Bestellung des Vorstands zum Geschäftsführer bei der Tochter-GmbH gem. §§ 177 Abs. 1, 180 Satz 2 BGB schwebend unwirksam war. Der BGH verweist insoweit zunächst darauf, dass die Stimmabgabe des betroffenen Vorstandsmitgliedes schwebend unwirksam ist, wenn dieser bei dem Beschluss zu seiner Bestellung als Geschäftsführer entgegen § 181 BGB mit abstimmt. Daraus folge, so der BGH, jedenfalls bei der Einpersonen-GmbH zugleich die schwebende Unwirksamkeit des gesamten Bestellungsbeschlusses, ohne dass es einer Anfechtungsklage bedarf, weil ansonsten dem Schutzzweck des § 181 BGB nicht hinreichend Rechnung getragen würde.

Damit stellte sich für den BGH die weitere Streitfrage, welches Organ der (gem. § 177 Abs. 1 BGB) zuständigen Aktiengesellschaft die Genehmigung der schwebend unwirksamen Stimmabgabe (und damit des schwebend unwirksamen Beschlusses) vornehmen kann. Entsprechend seiner obigen Begründung entschied der BGH (insoweit abweichend von der Vorinstanz OLG Frankfurt), dass auch für die Genehmigung der schwebend unwirksamen Stimmabgabe der Vorstand der Aktiengesellschaft zuständig ist. Eine Kompetenz des Aufsichtsrates bestehe auch insoweit nicht, da § 112 AktG auf die Bestellung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht anwendbar ist. Zuständig für die Erteilung der Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB ist dabei jedes vertretungsberechtigte und nicht durch § 181 BGB in seiner Vertretungsmacht beschränkte Vorstandsmitglied der Alleingesellschafterin (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG).

Offengelassen: § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG analog

Eine weitere Streitfrage konnte der BGH offenlassen. Vertreten wird, dass das Vorstandsmitglied bei einer Selbstbestellung ungeachtet § 181 BGB bereits entsprechend § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG an einer Stimmabgabe gehindert ist. Insoweit verwies der BGH darauf, dass das Mitzählen von Stimmen, die nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen sind, lediglich zur Anfechtbarkeit führt, sofern der Beschluss vom Versammlungsleiter festgestellt oder notariell beurkundet worden sei. Lediglich anfechtbare Beschlüsse hat das Registergericht aber, so der BGH, einzutragen. Da es in der vom BGH zu entscheidenden Konstellation um die Frage ging, ob die notariell beurkundete Bestellung des Geschäftsführers vom Registergericht einzutragen ist, sah der BGH keine Notwendigkeit, sich in dem konkreten Fall inhaltlich mit der Frage der entsprechenden Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG auseinanderzusetzen. Die Vorinstanz OLG Frankfurt hatte dagegen die Streitfrage inhaltlich beantwortet und eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG verneint.

(BGH, Beschluss vom 17. Januar 2023, Az. II ZB 6/22)

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