Februar 2013 Blog

Umfangreichere Klagerechte für Umweltverbände

Am 29. Januar 2013 ist eine Neufassung des seit 2006 geltenden Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) in Kraft getreten.

Vorgeschichte

Einzelne Klagemöglichkeiten für Verbände gab es im Laufe der 1990er Jahre zunächst auf Landesebene. Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) nahm dies auf. In sehr beschränktem Maße, auf naturschutzrechtliche Aspekte in der Planfeststellung und bei der Ausweisung bzw. Befreiungen von bestimmten Schutzgebieten waren dann auch einheitlich im ganzen Bundesgebiet Klagen zulässig. 2006 trat das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) erstmals in Kraft. Es setzte Vorgaben der Europäischen Union der sog. Aarhus-Konvention um. Die ursprüngliche Fassung sah Klagemöglichkeiten für anerkannte Umweltverbände insbes. für solche Verfahren vor, in denen ein Vorhaben zugelassen wurde, das einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) unterliegt. Eine Klage konnte aber nur dann erfolgreich sein, wenn die verletzte Vorschrift nicht nur dem Umweltschutz diente, sondern darüber hinaus auch dem Schutz bestimmter Personen galt. Diese Einschränkung hatte der Europäische Gerichtshof in seiner sog. TRIANEL-Entscheidung im Mai 2011 jedenfalls insoweit für europarechtswidrig gehalten, dass er auf dem Gebiet des europäischen Umweltrechts ein allgemeines Klagerecht der Verbände für zutreffend erachtete (vgl. dazu GvW-Newsletter Mai 2011).

Regelungsinhalt

Die am 29. Januar 2013 in Kraft getretene Neufassung des UmwRG geht noch über die Forderungen des EuGH hinaus. Umweltverbände können nunmehr alle Verstöße gegen umweltschützende Vorschriften rügen. Damit kann eine Verbandsklage nunmehr neben mögliche Verletzungen des Arten- oder Habitatschutzes, Immissionsprobleme hinsichtlich Geruch, Lärm oder Staub, auch auf jede Unstimmigkeit mit Blick auf den nationalen Biotopschutz oder die Auslegung von Schutzgebietsverordnungen gestützt werden. Voraussetzungen sind nur noch, dass das Vorhaben UVP-pflichtig ist oder eine UVP-Vorprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, und der Verband während der Öffentlichkeitsbeteiligung Stellung genommen hat. Dies betrifft v.a. Zulassungsentscheidungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), aber auch nach anderen Fachgesetzen (z.B. KreislaufwirtschaftsG), sowie Planungsentscheidungen (z.B. Normenkontrollen gegen Bebauungspläne) und neuerdings auch Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz (USchadG).

Die erweiterten Zulässigkeitsregelungen gelten rückwirkend für alle Verfahren, die am 12. Mai 2011 anhängig waren und bis heute noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind.

Die Bundesregierung versucht der absehbaren Zunahme von Klageverfahren durch einige prozessuale Erschwernisse entgegenzuwirken. So soll die Klage innerhalb von 6 Wochen begründet werden; diese Frist kann das Gericht aber verlängern. Bei fachlichen Beurteilungen wird der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bereits heute angewandte eingeschränkte Überprüfungsmaßstab im Gesetz festgeschrieben. Schließlich soll im Eilverfahren eine den Vollzug der Genehmigung hemmende Entscheidung nur bei „ernstlichen Zweifeln“ an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung ergehen. Auch dies entspricht der überwiegenden Gerichtspraxis. Dabei ist allerdings gerade streitig, wann „ernstliche Zweifel“ vorliegen. Daher bleibt es abzuwarten und liegt es bei den Gerichten, ob die bereits absehbare Klagewelle durch entsprechende gerichtliche Maßnahmen tatsächlich eingedämmt oder abgeflacht werden wird.

Empfehlung

Es gilt nun noch mehr die Empfehlung, bereits bei der Antragsvorbereitung und im behördlichen Genehmigungsverfahren besonders sorgfältig zu arbeiten und ggf. hinsichtlich Untersuchungsumfang und -tiefe weiter zu gehen als bisher üblich oder auch als bisher von der jeweiligen Genehmigungsbehörde gefordert. Die in diesen Verfahrensschritt investierte Zeit und gutachterliche Erkenntnisse können helfen, später auch wirtschaftlich sehr viel gravierendere Hemmungen bei der Genehmigungsumsetzung zu vermeiden.

Ausblick

Leider kann nach wie vor aber nicht von einer „rechtssicheren“ Situation mit Blick auf Verbandsklagen ausgegangen werden. Den Verbänden geht auch die jetzige Novelle nicht weit genug. Darüber hinaus sind weitere Auslegungsfragen zur Vereinbarung mit dem Europarecht offen und zum Teil auch bereits beim EuGH anhängig. Es geht v.a. um die Frage, ob eine Genehmigung immer bereits dann aufzuheben ist, wenn ein Verfahrensfehler bei der UVP festgestellt worden ist. Nach deutschem Recht ist das nicht der Fall. Danach muss der Verfahrensfehler auch Auswirkung auf die Entscheidung gehabt haben. Andernfalls kann er auch noch während des Gerichtsverfahrens „geheilt“ werden. Zu diesen Fragen hat sich die Gesetzesnovelle nicht positioniert. Es bleibt also abzuwarten, wann und wie auch hier erst der EuGH für Klarheit sorgen wird.

Fazit

  • Seit dem 29. Januar 2013 können anerkannte Verbände jeden Verstoß gegen Umweltrecht auch vor Gericht angreifen. Das gilt sowohl für Genehmigungsentscheidungen nach BImSchG also auch für Bebauungspläne. Die Regelung gilt auch für alle Verfahren, die seit dem 12. Mai 2011 bei Gericht sind und noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurden.
  • Voraussetzungen und prozessuale Vorgaben für eine erfolgreiche Verbandsklage sind:
    • Das Vorhaben ist UVP-pflichtig
    • Der Verband hat sich i.R.d. Öffentlichkeitsbeteiligung gemeldet
    • Die Klage muss in 6 Wochen begründet werden
    • eingeschränkter Prüfungsmaßstab bei Beurteilungsermächtigungen
    • Baustopp nur bei „ernstlichen Zweifeln“ an der Zulassungsentscheidung
  • Empfehlung: Besondere Sorgfalt bei der Antragsvorbereitung und im behördlichen Genehmigungsverfahren mit Blick auf Untersuchungsumfang und -tiefe; ggf. über die üblichen Forderungen der jeweiligen Genehmigungsbehörde hinausgehen

Dr. Sigrid Wienhues, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht

 

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!