Urheberrechtsdebatte: Von Kreativen, Piraten und Ministern – ein kurzes Plädoyer für ein starkes Immaterialgüterrecht im digitalen Zeitalter
Die Debatte über das Urheberrecht wird weiterhin vehement geführt: Die Piraten erstellen einen 10 Punkte-Plan, nach dem das Urheberrecht den Anforderungen des medienkompetenten Nutzers von heute gerecht werden soll und ihn in seiner kreativen Nutzung nicht beschränken darf; Kreative organisieren sich gegen die „Umsonstkultur"; die Justizministerin will den 3. Korb offenbar doch noch auf den Weg bringen und Europa läuft Sturm und legt ACTA vermutlich alsbald endgültig ad acta - Zeit, sich kurz darauf zu besinnen, worum es im Kern eigentlich geht.
Wie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kürzlich zutreffend in der FAZ ausführte, sucht das Urheberrecht vielfältige Interessen auszutarieren.
Ausgangspunkt ist aber zunächst einmal der Urheber, der Schöpfer des Werks, dessen urheberpersönlichkeits- und vermögensrechtliche Interessen es zu schützen gilt. Die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen umfassen vornehmlich das Veröffentlichungsrecht, die Anerkennung der Urheberschaft und das Recht, Entstellungen des Werkes zu verbieten. Der vermögensrechtliche Schutz dient der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes, und zwar tunlichst alle Verwertungsmöglichkeiten einschließend.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die das Werk (privat oder kommerziell) nutzen wollen. „Dazwischen" gibt es eine ganze Reihe von Beteiligten, denen je nach den konkreten Gegebenheiten und der Art des Werkes eine eigene Rechtsposition zukommen kann, etwa Filmhersteller, Sendeunternehmen, darstellende Künstler etc.
Vergleichbar verhält es sich im Bereich der gewerblichen Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Marken): Auch deren gesetzliche Grundlagen bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Schutz begehrt werden kann und unter welchen Bedingungen der geschützte Gegenstand von Dritten genutzt werden darf.
Das Urheberrecht und die gewerblichen Schutzrechte gewähren dem Inhaber also zunächst einmal ein Monopol, d.h. konkret das Recht, andere von der Nutzung auszuschließen. Dieses Monopol mag zuweilen als lästig und hinderlich empfunden werden, und natürlich ist es u.U. ausgesprochen mühsam, die Rechte an einem Werk zu klären (etwa an einem Film mit einer Vielzahl Beteiligter) oder sicherzustellen, dass das eigene Logo keine Marken- oder sonstige Rechte Dritter verletzt.
Ausschließlichkeitsrechte nach Art des Urheberrechts und der gewerblichen Schutzrechte sind jedoch - jedenfalls in weiten Teilen - grundlegende Bedingung kreativer, technischer und kaufmännischer Entwicklung, da nur unter der Voraussetzung der Monopolisierung des Arbeitsergebnisses die Möglichkeit zur Refinanzierung besteht. Urheberrechtlich relevante Leistungen ebenso wie technische Entwicklungen erfordern oft erhebliche Investitionen, die nur dann erbracht werden können und auch erbracht werden, wenn die Möglichkeit besteht, diese Kosten wieder zu amortisieren. Das Ausschließlichkeitsrecht, das nach dem Urheberrechtsgesetz und im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes gewährt wird, ist damit unabdingbare Grundlage von Innovation und Fortschritt.
Ob das Recht mit der technischen Entwicklung Schritt gehalten hat, wird - sicherlich in Teilen mit guten Gründen - in Zweifel gezogen. Darüber kann man sprechen und darüber muss man auch sprechen. In diesem Zusammenhang wird man sich mit den Forderungen der Kreativen genauso wie mit denjenigen der Piraten auseinanderzusetzen haben, deren „Suche nach einem den technischen Realitäten des 21. Jahrhunderts angepassten Urheberrecht (...)" gar „Gründungskern und Mythos der Piratenpartei" sein soll (so Christopher Lauer kürzlich in der FAZ). Das gilt insbesondere auch für die nunmehr angekündigte Initiative der Justizministerin zu einer Reform des Urheberrechts, dem bereits vor Jahren angekündigten so genannten 3. Korb.
Vor allem aber wird die Bedeutung der Immaterialgüterrechte (auch im digitalen Zeitalter) zu berücksichtigen sein. Nur weil in der digitalen Welt Rechtsverletzungen in einem bisher ungekannten Ausmaß erfolgen können und auch tatsächlich erfolgen (die von den Piraten kritisierte „Massenabmahnung" etwa hat ihren Ursprung in der massenhaften Verletzung von Urheberrechten im Internet), müssen und dürfen deshalb nicht die Grundlagen kreativen, technischen und kaufmännischen Fortschritts zur Disposition gestellt werden. Ob und zu welchem Preis dies gewährleistet ist, wenn etwa die Vergütung des Urhebers im Wesentlichen über Pauschalabgaben auf Geräte erfolgt, die Privatkopie in (noch) weiterem Umfang zugelassen ist und Filesharing-Netzwerke legalisiert sind, wird sorgfältig zu prüfen und abzuwägen sein. Zu viel steht auf dem Spiel.
Christian Kusulis, Rechtsanwalt