Mai 2023 Blog

Vorschlag der Europäischen Kommission für einen neuen EU-Zollkodex

Die Europäische Kommission hat am 17. Mai 2023 einen Vorschlag für eine ambitionierte Reform des Unionszollkodex (UZK) vorgelegt. Ziel ist die Entlastung von Unternehmen und Zollbehörden, indem das auf Anmeldungen beruhende System durch ein intelligentes, datengesteuertes System ersetzt wird. Es wäre die umfassendste Zollreform der letzten Jahrzehnte.

Hintergrund

Für viele Unternehmen ist die Zollabwicklung mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden. Seit Langem beklagen sie das zeitintensive Zollverfahren und uneinheitliche Standards in den EU-Mitgliedstaaten. Deutlich wird dies insbesondere im IT-Infrastrukturbereich: Die 27 Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten verfügen derzeit über insgesamt 111 Schnittstellen und IT-Systeme für die Zollabfertigung. Ebenso stoßen die Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten inzwischen an ihre Grenzen. In den vergangenen Jahren kamen zahlreiche Verbote und Beschränkungen hinzu, die etwa der Bekämpfung des Klimawandels und der Zwangsarbeit sowie dem Umweltschutz dienen und bei der Einfuhr durch Zollbehörden zu prüfen sind. Geopolitische Veränderungen und Krisen stellen ebenfalls neue Herausforderungen dar. Gleichzeitig hat sich die Arbeitsbelastung durch einen massiven Anstieg von e-Commerce-Sendungen mit geringem Wert gesteigert.

Wesentliche Neuregelungen

Kernstück des Reformvorhabens ist eine neue EU-Zolldatenplattform („EU Customs Data Hub“). Diese soll es den Unternehmen ermöglichen, alle Informationen über Ein- und Ausfuhren sowie zu ihren Lieferketten in eine einzige Umgebung einzuspeisen. Bis die Plattform tatsächlich zur Verfügung steht, müssen sich Unternehmen aber noch gedulden: Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass sie ab 2028 für e-Commerce-Sendungen und ab 2032 zunächst freiwillig auch für andere Sendungen zur Verfügung steht. Ab 2038 soll die Nutzung der zentralisierten EU-Zolldatenplattform für alle Unternehmen verpflichtend sein. Ob dies realistische Annahmen sind, erscheint durchaus fraglich.

Überwachen soll die EU-Zolldatenplattform eine neue EU-Zollbehörde. Sie soll die in die EU-Zolldatenplattform eingespeisten Daten unter anderem mittels Künstlicher Intelligenz auswerten, um einen vollständigen Überblick über den Warenverkehr, beteiligte Unternehmen und Lieferketten zu gewinnen. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen der Risikobewertung von Unternehmen, die derzeit noch auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten stattfindet. Gleichzeitig sollen andere Behörden auf Antrag ebenfalls Zugriff auf die in die EU-Zolldatenplattform eingespeisten Daten bekommen, z.B. das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF).

Der Kommissionsvorschlag sieht zudem die Einführung des Status „Trust & Check“ vor. Dieser soll auf dem bestehenden und auch beizubehaltenden System für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (AEO) aufbauen, ihn aber nicht ersetzen. Unabhängig vom Ort der tatsächlichen Einfuhr soll es „Trust & Check“-Unternehmen möglich sein, ihre Einfuhren bei den Zollbehörden des Mitgliedstaates abfertigen zu lassen, in dem sie ansässig sind. Für Unternehmen, die regelmäßig Waren in verschiedenen EU-Mitgliedsaaten in die EU einführen, würde diese Regelung eine erhebliche Verfahrenserleichterung bedeuten. Eingeführte Waren sollen sie mit wenigen Ausnahmen ohne Tätigwerden der Zollbehörden eigenständig in den Verkehr bringen können. Zudem soll „Trust & Check“-Unternehmen selbst die Überwachung ihrer Waren auf Konformität überlassen werden. Eine spürbare Arbeitserleichterung dürfte der Vorschlag mit sich bringen, „Trust & Check“-Unternehmen die Entrichtung der Zollabgaben in regelmäßigen Abständen zu erlauben, ohne dass sie für jede Sendung eine gesonderte Zollanmeldung abgeben müssen. Voraussetzung für die Erlangung des „Trust & Check“-Status ist neben den schon bestehenden Voraussetzungen für den AEO insbesondere hohe Transparenz gegenüber den Zollbehörden. Über eine Verbindung zur EU-Zolldatenplattform sollen „Trust & Check“-Händler in Echtzeit Daten über Warenbewegungen und Nachweise für die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen übermitteln.

Im Hinblick auf die Zollschuld sind vor allem zwei Änderungen vorgesehen: Zum einen soll die Zollschuld nach einer Übergangsphase an dem Ort entstehen, an dem der Zollschuldner registriert ist, und nicht länger an dem Ort, an dem die Zollanmeldung abgegeben wird. Zum anderen sollen künftig e-Commerce-Plattformen verstärkt in die Pflicht genommen werden. Sie sollen als fiktive Einführer („deemed importers“) behandelt werden, für die die Zollschuld bereits im Zeitpunkt der Bezahlung durch den Käufer entsteht, um dadurch die Verbraucher zu entlasten. Zudem soll die Zollbefreiung für Waren geringen Wertes (derzeit liegt der Schwellenwert bei EUR 150) im Sinne der Betrugsbekämpfung abgeschafft werden. Der Kommissionsvorschlag sieht jedoch auch für e-Commerce-Plattformen Entlastungen vor. So soll der teilweise mit nur großen Aufwand zu erlangende Nachweis nichtpräferenziellen Ursprungs im Falle der vereinfachten Zollanmeldung zukünftig entfallen.

Auch bei der vorübergehenden Verwahrung von Nicht-Unionswaren sieht der Kommissionsvorschlag Reformbedarf. Bislang sind Nicht-Unionswaren, die sich in der vorübergehenden Verwahrung befinden, innerhalb von 90 Tagen in ein Zollverfahren zu überführen oder wiederauszuführen. Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass sie künftig grundsätzlich spätestens drei Tage nach Meldung der Ankunft in das Zollverfahren zu überführen sind. Sollen die Waren länger verwahrt werden, was regelmäßig der Fall sein dürfte, muss dies in einem Zolllager geschehen. Entsprechend sieht der Kommissionsvorschlag vor, dass Bewilligungen für den Betrieb von Verwahrlagern in Zolllagerbewilligungen umgewandelt werden sollen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.

So geht es weiter

Der Kommissionsvorschlag wird als nächstes im Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union beraten. Das weitere Gesetzgebungsverfahren kann zu Änderungen des Kommissionvorschlages führen. Auf welche Regelungen sich etwaige Änderungen beziehen werden, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

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