Dezember 2012 Blog

Vorzeitige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds


Der BGH hat in seinem Urteil vom 17. Juli 2012 die Möglichkeit zur vorzeitigen Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds erleichtert. Zugleich hat er klargestellt, dass auch ein neues Mitglied des Aufsichtsrates, das an einem früheren Beschluss des Aufsichtsrates nicht beteiligt war, einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung eines solchen Beschlusses hat.

Der Entscheidung des BGH lag ein in der Praxis immer wieder vorkommender Fall zugrunde. Es ging um eine Aktiengesellschaft, die durch zwei Familienstämme beherrscht wurde. Es war abzusehen, dass sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, der bei einer Aktiengesellschaft für die Bestellung des Vorstands zuständig ist, durch die anstehende Neubesetzung des Aufsichtsrates ändern würde. Der alte Aufsichtsrat wollte daher vorher noch sicherstellen, dass die bisherigen Vorstandsmitglieder über ihre geltende Amtszeit hinaus für die AG tätig werden können. Eine schlichte Verlängerung der Amtszeit des Vorstands war dem Aufsichtsrat jedoch wegen § 84 AktG nicht möglich. Nach § 84 AktG ist die Verlängerung der Amtszeit frühestens ein Jahr vor Ablauf der Amtszeit des Vorstandsmitglieds möglich. Die Amtszeit der Vorstandsmitglieder lief aber noch drei Jahre, so dass eine Verlängerung der Amtszeit eigentlich frühestens in zwei Jahren möglich würde. Vereinbart wurde daher, dass der Vorstand sein Amt niederlegt und der Aufsichtsrat unmittelbar nach der Niederlegung eine Neu-Bestellung der Vorstandsmitglieder vornimmt. Am Tag vor der Hauptversammlung, bei der die Neuwahlen zum Aufsichtsrat auf der Tagesordnung standen, wurde dieser Plan dann umgesetzt. Es kam zu einer „einvernehmlichen Aufhebung“ der Bestellung und sofortigen Neubestellung der Vorstandsmitglieder für die zulässige Maximalzeit von 5 Jahren. Nicht ganz überraschend wollte sich einer der neu gewählten Aufsichtsratsmitglieder mit der Vorgehensweise des Alt-Aufsichtsrates nicht abfinden. Er reichte Klage gegen „seine“ Aktiengesellschaft ein und beantragte, die Nichtigkeit des Beschlusses feststellen zu lassen.

Sowohl der BGH als auch die Vorinstanzen hielten die eingereichte Feststellungsklage für zulässig. Auch ein neues Mitglied des Aufsichtsrates habe das Recht (und die Pflicht), die vor seiner Amtszeit gefassten Beschlüsse des Aufsichtsrates auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Das für eine Feststellungsklage notwendige rechtliche Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses folgt dabei, so kann man den Urteilen entnehmen, schlicht aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrates und den damit einher gehenden Aufgaben.

Des Weiteren stellt der BGH fest, dass die Voraussetzungen für eine Neu-Bestellung gegeben waren, da die Vorstandsmitglieder zuvor ihre Ämter niedergelegt hatten. Damit war die Amtszeit im Sinne des § 84 AktG beendet, so dass die Neu-Bestellung nicht vor Ablauf der Jahresfrist erfolgt sei, sondern erst nach Ablauf der Amtszeit. § 84 AktG sei daher dem Wortlaut nach beachtet worden. Eine Umgehung liege nicht vor. Insoweit verweist der BGH auf den Sinn und Zweck des § 84 AktG. Danach soll durch § 84 AktG lediglich sichergestellt werden, dass sich der Aufsichtsrat spätestens alle fünf Jahre mit der Frage der (Wieder-)Bestellung befasse. Zugleich solle § 84 AktG gewährleisten, dass der Aufsichtsrat die Möglichkeit habe, sich spätestens nach fünf Jahren ohne besonderen Grund von dem Vorstandsmitglied zu trennen. Beide Zwecke, so führt der BGH aus, seien durch die in Streit stehende Vorgehensweise nicht verletzt worden. Eine Umgehung liege daher nicht vor. Ein Rechtsmissbrauch sei ebenfalls zu verneinen. Zwar sei ein solcher grundsätzlich auch im Zusammenhang mit der Bestellung eines Vorstandsmitglieds möglich. Aus dem vorgetragenen Sachverhalte lasse sich aber kein Rechtsmissbrauch ableiten.

Der BGH hat es mit diesem Urteil den Organen einer Aktiengesellschaft einfacher gemacht, eine vorzeitige Verlängerung der Amtszeit umzusetzen. Die Praxis dürfte das begrüßen.

(BGH, Urteil vom 16. Juli 2012 - II ZR 55/11)
Dr. Frank Süß, Rechtsanwalt

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