April 2013 Blog

Wesentliche Änderungen des Industrieanlagenzulassungsrechts

Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie führt zu weitreichenden Änderungen im Immissionsschutz-, Wasser- und Abfallrecht

Am 12. April des Jahres wurde das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie bekanntgemacht. Die wesentlichen Änderungen für Industrieanlagen v. a. im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), im Wasserhaushaltsgesetz (WHG), im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und weiteren umweltrechtlichen Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften treten im Mai 2013 in Kraft. Tatsächlich betroffen sind nach Schätzung der Bundesregierung ca. 9.000 Anlagen in Deutschland – von großen Industriestandorten bis in die Landwirtschaft.

Die insgesamt neugefasste „Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen“ (4. BImSchV) bestimmt nunmehr in Anhang 1 u.a., was „Anlagen nach der Industrieemissionsrichtlinie“ sind. Für diese Anlagen sieht das BImSchG eine Vielzahl neuer Pflichten vor. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass auf europäischer Ebene beschlossene Anlagentechniken und Emissionswerte in ihrer jeweils aktualisierten Fassung verbindlich werden. Weiter sollen verstärkte und konkretisierte Berichts- und Überwachungspflichten sowie die Bekanntmachung der Genehmigungsinhalte und Berichte die tatsächliche Umsetzung sicherstellen.

Im Folgenden werden einige zentrale Punkte ausführlicher erläutert:

Verbindliche Europäische Vorgaben: „Beste Verfügbare Techniken (BVT)“

Auf europäischer Ebene werden sog. BVT-Merkblätter erarbeitet. Sie konkretisieren für bestimmte Tätigkeiten die anzuwendenden Techniken sowie Emissions- und Verbrauchswerte. Die zentralen Punkte werden dann in sog. BVT-Schlussfolgerungen zusammengefasst und erhalten rechtsverbindlichen Charakter. Sie enthalten i.d.R. keine festen Grenzwerte, sondern Bandbreiten von Emissionswerten. In der jeweiligen Genehmigung müssen jedoch Grenzwerte festgelegt werden. Diese müssen sich innerhalb dieser Bandbreiten halten. Die Bestimmung der konkreten Grenzwerte erfolgt nach deutschem Immissionsschutzrecht i.d.R über entsprechende Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften; diese sind nun jeweils an die Inhalte der auf europäischer Ebene beschlossenen BVT-Schlussfolgerungen anzupassen. Sollte eine solche Anpassung (noch) nicht erfolgt sein, dann muss die Genehmigungsbehörde selbst durch Nebenbestimmungen entsprechende Emissionsgrenzwerte festlegen. Neben dieser unmittelbaren Verbindlichkeit der BVT-Schlussfolgerungen bestimmen die Inhalte der BVT-Merkblätter nunmehr ausdrücklich den nach wie vor ebenfalls für die Genehmigungen maßgeblichen „Stand der Technik“ mit.

Neue Mitteilungspflichten der Unternehmen und Überwachungspflichten der Behörden

Die Betreiber von Industrieemissions-Anlagen müssen der Überwachungsbehörde zukünftig jährliche Berichte vorlegen über die Ergebnisse von Emissionsüberwachungen (wenn diese für die Anlage vorgeschrieben sind) und sonstige Daten, die zur Überprüfung der Einhaltung der Genehmigungsanforderungen dienen. Darüber hinaus sind der Behörde nunmehr unverzüglich sowohl Störungen im genehmigten Betriebsablauf zu melden als auch Ereignisse mit schädlichen Umwelteinwirkungen.

Neben der weiterhin bestehenden anlassbezogenen Überwachung müssen die zuständigen Behörden Überwachungspläne aufstellen und die Anlagen mindestens alle drei Jahre (abhängig von der Risikostufe) unmittelbar vor Ort überprüfen. Die Prüfergebnisse sind nicht nur dem Anlagenbetreiber, sondern dann auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Behörden müssen auch überprüfen, ob bei einer Änderung von BVT-Schlussfolgerungen eine Anpassung der Genehmigungen für die entsprechenden Anlagen in ihrem Zuständigkeitsbereich erforderlich ist; dies ist dann innerhalb von 4 Jahren z.B. durch nachträgliche Anordnungen umzusetzen.

Untersuchungs- und Mitteilungspflichten zur Boden- und Grundwasserqualität des Anlagengrundstücks

Für einige Industrieemissionsanlagen wird zukünftig vor Inbetriebnahme neuer oder geänderter Anlagen gefordert, dass ein sog. Ausgangszustandsbericht über die Boden- und Grundwasserqualität des Anlagengrundstücks vorliegt. Die Pflicht beschränkt sich auf die Unternehmen, die in erheblichen Umfang mit solchen gefährlichen Stoffen i.S.d. REACH-Verordnung (VO (EG) Nr. 1272/2008) umgehen, die eine Boden- oder Grundwasserverschmutzung verursachen können. Dem korrespondiert die Verpflichtung, bei der Betriebsstilllegung den dokumentierten Zustand wieder herzustellen. Diese Pflicht hat über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus Bedeutung in zweierlei Hinsicht: Zum einen können die vorzulegenden Daten dazu führen, dass boden- oder wasserrechtliche Sanierungsforderungen gestellt werden. Zum anderen sollte bei solchen Standorten, bei denen Grundstückseigentümer und Anlagenbetreiber nicht zusammenfallen, im Verhältnis zwischen diesen in ausreichendem Maße (miet-)vertraglich geklärt sein, wer entsprechende Untersuchungen auf dem Grundstück durchführen kann bzw. darf.

Die vorbeschriebenen Pflichten gelten nicht nur für die Zulassung neuer Anlagen einschließlich neu beantragter Änderungen, sondern ab dem 7. Januar 2014 (bzw. für einige Anlagen erst ab dem 7. Januar 2015) auch für alle bestehenden Anlagen.

Vergleichbare Regelungen finden sich für die nicht dem Zulassungsverfahren nach BImSchG unterliegenden Anlagen (z.B. bedeutsame Abwasserbeseitigungsanlagen und große Deponien) in den entsprechenden Regelungen des WHG (u.a. mit der neuen Industriekläranlagen-Verordnung) und des KrWG (einschließlich der Novellierung der Deponieverordnung).

Fazit:

  • Ab Mai 2013 gibt es die neue Kategorie der „Industrieemissions-Anlagen“.
  • Über BVT-Merkblätter und BVT-Schlussfolgerungen werden auf europäischer Ebene zentrale Genehmigungsvoraussetzungen verbindlich festgelegt. Die Umsetzung erfolgt durch die Anpassung der einschlägigen Verordnungen und Verwaltungsvorschriften oder entsprechende Nebenbestimmungen in der Genehmigung.
  • Industrieemissionsanlagen müssen regelmäßige Berichte erstellen und werden regelmäßig auch vor Ort überwacht. Die behördlichen Erkenntnisse sind für die Öffentlichkeit zugänglich.
  • Industrieemissionsanlagen müssen Abweichungen vom ordnungsgemäßen Betrieb und Ereignisse, die zu Gesundheits- oder Umweltgefährdungen führen können, unmittelbar anzeigen.
  • Die regelmäßige Anpassung der Anlagen an die auf europäischer Ebene stets aktualisierten Genehmigungsvoraussetzungen wird durch nachträgliche Anordnungen umgesetzt.
  • Die Anpassungspflichten gelten auch für „Alt-Anlage“.
  • Für bestimmte Anlagen sind sog. Ausgangszustandsberichte zur Boden- und Grundwasserqualität zu erstellen und der Behörde vorzulegen.

Zur Diskussion über diese Neuerungen und ihre Bedeutung laden wir Sie herzlich ein!

Dr. Sigrid Wienhues, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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